Eine kolorierte Postkarte von etwa 1915 zeigt das Herzogliche Hoftheater in Meiningen

Deutsches Theater

Theaterstadt Meiningen

Gefördert vom kunstbegeisterten Landesfürsten Herzog Georg II. wurde das Meininger Hoftheater in Thüringen ab 1866 zu einer der führenden Bühnen Deutschlands. Die Leistungen der Schauspieler, die Bühnenausstattung und die Bühnentechnik wurden wegweisend für andere Häuser.

Von Alfried Schmitz

Residenzstadt mit Kunst und Kultur

Meiningen, in einem engen Tal an der Werra in Thüringen gelegen, war Mitte des 19. Jahrhunderts die blühende Residenzstadt des wirtschaftlich gut bestellten Herzogtums Sachsen-Meiningen. Im Jahr 1880 lebten rund 11.000 Einwohnern im Stadtgebiet und mehr als 200.000 im gesamten Herzogtum. Landesfürst war Herzog Georg II., der 1866 die Regentschaft übernommen hatte.

Seit Beginn des Eisenbahnzeitalters war Meiningen an das neue Verkehrsnetz angeschlossen. Wichtige Schienenstrecken liefen dort zusammen und machten die Stadt zu einem Knotenpunkt und Handelszentrum.

Das Herzogtum gründete seinen Wohlstand auf Ackerbau und Viehzucht, auf Salz-, Erzbergbau und Schiefergewinnung. Zahlreiche Manufakturbetriebe und Industrieunternehmen stellten Glas, Porzellan, Zigarren oder Nähmaschinen her. Auch Eisengießereien, Webereien und Brauereien sorgten für eine florierende Wirtschaft und für Wohlstand.

So konnte Georg II. es sich leisten, viel Geld für Kunst und Kultur auszugeben. In dem prachtvollen Barockschloss aus dem Jahr 1682 trug er eine der eindruckvollsten Bildersammlungen und auch eine der beachtlichsten Bibliotheken jener Zeit zusammen. Der im englischen Stil angelegte Garten gehörte zu den prächtigsten in ganz Deutschland.

Doch Herzog Georg II. hatte auch eine große Leidenschaft für die Schauspielkunst. Durch sein Engagement wurde Meiningen zu einer der wichtigsten Theaterstädte Europas.

Georg II. von Sachsen-Meiningen

Georg II. von Sachsen-Meiningen liebte das Theater

Landesfürst als Theaterchef

Mit dem Beginn seiner Regentschaft im Jahre 1866 übernahm Herzog Georg II. auch die Leitung des 1831 in Meiningen gegründeten Hoftheaters. In einem ersten Schritt löste der vom Theater begeisterte Landesfürst die Oper auf und baute mit den dadurch eingesparten Finanzmitteln den Schauspielbetrieb aus. Sein Ziel war es, bedeutende Bühnenwerke auf besondere Weise zu inszenieren. Vor allem die Klassiker von Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe oder Shakespeare lagen ihm am Herzen.

Georg II. war wohl der erste Theater-Förderer, der mehr als ein Mäzen im herkömmlichen Sinne war. Er brachte sich nicht nur als Geldgeber ein, sondern als besonders aktiver künstlerischer Leiter seines Meininger Hoftheaters. Unterstützung erhielt er von seiner Frau, der Schauspielerin Ellen Franz, und vom Regisseur Ludwig Chronegk.

Der Herzog investierte große Summen in neue Bühnentechnik, Bühnenausstattung und Requisiten. Die oftmals übertrieben aufwändig wirkenden Kitsch-Kulissen anderer Häuser wollte er dabei allerdings nicht kopieren, sondern lieber neue Maßstäbe setzen. Ihm lag vor allem eine detailgetreue Inszenierung am Herzen.

Kamen klassische Dramen auf die Bühne, musste jede historische Einzelheit stimmen. Für Shakespeares "Julius Cäsar" zum Beispiel ließ er von einem Archäologen die Pläne des römischen Forum Romanum rekonstruieren und orientierte daran den Bühnenaufbau.

Mit Teamgeist zum Erfolg

Auch mit dem Anspruch an sein Ensemble beschritt der Theater-Herzog neue Wege. Er förderte und forderte das, was man heute "Teamgeist" oder "Corporate Identity" nennen würde. Nicht die schauspielerische Einzelleistung einiger weniger Hauptakteure sollte in den Vordergrund gerückt werden, sondern die gemeinsame Leistung der Truppe.

Auf diese Weise erreichte der modern denkende Theaterleiter, dass die Stücke auf seiner Bühne in der Gesamtdarstellung denen anderer, größerer Häuser weit überlegen waren. In Meiningen sollten nicht die Schauspieler, sondern die Aufführungen in Szene gesetzt werden. Der Herzog schaffte auch das gängige und sehr starre Prinzip der zum Publikum hin offenen, halbkreisförmigen Aufstellung der Akteure ab. Er setzte auf natürlicher wirkende Situationen.

Das moderne Meininger Theaterkonzept hatte Erfolg und wurde auch für andere Häuser zum Vorbild. Meiningen gilt heute als Wiege des modernen Regietheaters und war daher auch richtungsweisend für die neuartige Bühnenkunst des damals bevorstehenden 20. Jahrhunderts. Die sogenannte "Meininger Spielweise" wurde in Theater- und Kritikerkreisen zu einem festen Begriff für eine junge, engagierte Aufführungsmethode.

Holzstich von 1896: "Don Juan und Faust" am Meininger Hoftheater. Zwei Männer vor Friedhofskulisse.

"Don Juan und Faust" am Hoftheater (1896)

Tourneetheater auf hohem Niveau

Der Ruf der Meininger Schauspieltruppe war europaweit bald so gut, dass die Truppe auf große Gastspielreisen ging. Von 1874 bis 1890 besuchten die Meininger rund 40 Städte und gaben mehr als 2500 Vorstellungen auf fremden Bühnen. Sie besuchten Berlin, London, Paris, Amsterdam, Kiew und St. Petersburg und wurden vom Publikum stets begeistert gefeiert.

Wann immer ein Auftritt des Ensembles aus Thüringen anstand, verbreitete sich die Nachricht "Die Meininger kommen!" wie ein Lauffeuer. Hinzu kam noch, dass diese Tourneen auch vom logistischen Standpunkt aus Meisterleistungen waren. Die Meininger reisten mit der Bahn und hatten all ihre Bühnenbilder, Kostüme und Requisiten mit im Gepäck. Auf diese Weise sollte die Authentizität und Einzigartigkeit gewahrt bleiben.

Ein schwerer Schlag für das Stammhaus war ein Brand, der das Hoftheater vollständig zerstörte. An gleicher Stelle entstand jedoch ein neuer Bau im neoklassizistischen Stil, der noch vom betagten Herzog Georg II. am 17. Dezember 1909 mit Schillers "Wallenstein" eröffnet werden konnte. Auch heute versucht das Theater in Meiningen mit den Bühnenklassikern von Goethe, Schiller und Shakespeare an die alte Tradition des Hauses anzuknüpfen.

Säulenfassade des Meininger Staatstheaters

Das 1909 eingeweihte neue Meininger Theater

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 20.12.2019)

Quelle: WDR

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