Ein Bischof vernichtet die Spuren
Ein Hauptgrund, warum man so wenig über die Maya weiß, liegt in der Eroberung des Landes durch die Spanier im 16. Jahrhundert. Sie fielen in das Maya-Reich ein und setzten sich unter anderem das Ziel, die Maya mit aller Macht zum Christentum zu bekehren.
Der Bischof Diego de Landa erlangte dabei eine besonders traurige Berühmtheit: Er ließ 1562 in einer groß angelegten Zerstörungsaktion Altäre, Bilder und Schriftrollen der Maya vernichten. Nur vier Manuskripte sind erhalten geblieben, die heute nur noch einen winzigen Einblick in die Vergangenheit der Maya geben. Die vier Manuskripte, die auch als Codices bezeichnet werden, befinden sich heute in Dresden, Madrid, Paris und Mexiko-Stadt.
Immerhin machte der spanische Bischof einige Aufzeichnungen zur Deutung der Maya-Kultur. Darunter war auch ein Versuch, die Schriftzeichen zu entschlüsseln. Dieser war jedoch wenig erfolgreich, da er von der Annahme ausging, jedes Zeichen entspreche einem unserer Buchstaben. Dies lässt den Rückschluss zu, dass bereits 500 Jahre nach dem Verschwinden der Maya-Hochkultur jedes Wissen über ihre Schrift verloren war.
Opferszenen auf dem Codex Fejervary-Mayer
Jahre der Ratlosigkeit
Rund 800 verschiedene Schriftzeichen hat man bis heute gefunden. Da der Buchstaben-Ansatz zu keinem Ergebnis führte, waren Wissenschaftler lange Zeit der Meinung, die Zeichen seien eigenständige Symbole, die es zu verstehen galt.
Dann kamen andere Forscher mit der Theorie, die Zeichen hätten, ähnlich wie unsere Schrift, einen unmittelbaren Bezug zur Sprache: Sie deuteten die Zeichen als phonetische Zeichen. So wie bei uns etwa der Laut "aah" durch den Buchstaben "A" dargestellt wird, so sollten auch die Maya-Zeichen für verschiedene Laute stehen. Der Russe Yuri Knorozov formulierte in den 1950er-Jahren als einer der ersten diesen Ansatz und wurde dafür von anderen Forschern heftig angegriffen.
Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass die Schrift der Maya eine Mischform ist. Sie besteht zum Teil aus Symbolen, sogenannten ideographischen Zeichen, zu Teil aber auch aus phonetischen Zeichen.
Hierbei handelt es sich allerdings nicht, wie in unserer Schrift, um Buchstaben. Es hat lange gedauert, bis man dahinter kam, dass die Maya mit ihren Zeichen ganze Silben darstellten. Erst nach dieser Erkenntnis gelang es, immer mehr Zeichen zu entschlüsseln.
Erschreckende Erkenntnisse
Mittlerweile gilt mehr als die Hälfte der Maya-Zeichen als entschlüsselt. Und das hat das Bild der Maya-Kultur stark verändert. Die einst für friedliebend und naturverbunden gehaltenen Maya entpuppten sich als das genaue Gegenteil: Sie waren offenbar äußerst kriegslüstern und sehr brutal. Menschenopfer waren an der Tagesordnung. Kriege wurden oft aus dem einzigen Grund geführt, Gefangene für Opferrituale zu nehmen.
Durch die Entschlüsselung der Schrift bekam man aber auch einen Einblick in die Gesellschaftsstruktur. Es muss in jedem größeren Ort eine Art Adel gegeben haben. Wie der allerdings genau abgegrenzt war und wer dazu gehörte, ist ungeklärt.
In vielen Fällen konnte man die Herrscherstruktur der einzelnen Dynastien aber weitgehend lückenlos erforschen. Doch die Namen vieler Herrscher wurden lange Zeit falsch übersetzt, was in unserer Sprache zu Ergebnissen wie "Rauch-Hörnchen", "Herr Kakao" oder "Achtzehn Kaninchen" führte. Diese Ergebnisse werden von einigen Forschern inzwischen mehr als bezweifelt.
So soll "Herr Kakao" nach letzten Erkenntnissen Jasaw Chan K'awiil (etwa "chaßau tschan k-awiel") geheißen haben, was auf Deutsch "der Gott K'awiil, der den Himmel fegt" bedeutet. Und "Achtzehn Kaninchen" ist ebenfalls falsch übersetzt. Sein richtiger Name lautete Waxaklajun Ub'aah K'awiil (etwa "waschaklachun ubach k-awiel"), zu Deutsch: achtzehn Manifestationen des Gottes K'awiil.
In Holz geschnitzte Maya-Zeichen aus Tikal
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 19.12.2019)
Quelle: WDR