Gefährlicher Spaß in uralten Erdfällen

Planet Wissen 06.07.2022 03:01 Min. Verfügbar bis 04.10.2024 WDR Von Daniel Haase

Landschaften

Erdfälle – Löcher im Boden

Nicht überall auf der Welt ist der Boden stabil. In manchen Gegenden kann die Erde plötzlich absacken: So entstehen Löcher, die lebensgefährlich sein können. Aber auch wunderschön – deshalb ziehen manche Erdfälle Besucher aus der ganzen Welt an.

Von Anne Preger

Loch unterm Haus

Es ist eine gruselige Vorstellung: Man liegt nachts im Bett und plötzlich bricht der Fußboden ein. Alles, was im Zimmer steht, verschwindet in einem schwarzen Loch. Genau das ist im Haus von Familie Bush in Florida, im Süden der USA, im Februar 2013 passiert. Jeffrey Bush verschwindet mit im Loch und auch Rettungskräfte können die Leiche des 36 Jahre alten Manns später nicht finden.

Das Haus der Bushs muss aus Sicherheitsgründen wenige Tage später abgerissen werden. Für die Familie gab es keine Warnzeichen, dass so etwas auf ihrem Grundstück passieren könnte. Doch in Florida tun sich jeden Tag im Schnitt drei bis vier Löcher auf. Diese plötzlich auftretenden Löcher werden Erdfälle genannt. Zum Glück kommt es nur selten zu Unglücken, bei denen jemand stirbt.

Haus, das von Absperrband umgeben ist

Von außen unversehrt, doch unter dem Schlafzimmer klafft ein Loch

Naturwunder

Der größte bekannte Erdfall der Welt wurde erst 1994 entdeckt. Er liegt in China und heißt Xiaozhai Tiankeng, auf Deutsch "Himmelsloch" oder "himmlische Vertiefung". Bis zum Grund sind es mehr als 660 Meter. Im Durchmesser ist der Erdfall am oberen Rand etwa 620 Meter breit. Im Loch leben viele seltene Tier- und Pflanzenarten, unter anderem Nebelparder, seltene Raubkatzen.

Die Schwalbenhöhle in Mexiko ist immerhin mehr als 330 Meter tief. Sie hat ihren Namen von den Schwalben, die jeden Morgen in Schwärmen das Loch verlassen. Dieser Erdfall ist beliebt bei Extremsportlern wie Fallschirmspringern oder Kletterern.

Berühmt ist auch ein großes blaues Loch in der Karibik: Das "Great Blue Hole" liegt mitten im Meer. Diesen Erdfall erkunden viele Taucher.

Fallschirmspringer fällt in großes schwarzes Loch im Gestein

Beliebt bei Extremsportlern – die Schwalbenhöhle in Mexiko

Eine Frage des Untergrunds

Erdfälle gibt es nicht überall auf der Welt. Die Löcher können dort entstehen, wo im Untergrund bestimmte Gesteine lagern – zum Beispiel Kalkstein, Gips oder Salz. Zum Teil werden sie auch Sackungsdolinen oder Senklöcher genannt.

Kalk und Gips werden besonders gut durch leicht saures Wasser aufgelöst. Dafür reicht es schon, wenn Kohlendioxid aus der Luft sich als Kohlensäure im Regenwasser löst – so ähnlich wie im Sprudelwasser zu Hause.

Anfangs bilden sich durch das saure Wasser im Gestein kleine Hohlräume. Die werden vom Wasser weiter ausgespült und immer größer, und irgendwann kann die eigentlich stabile Decke des Hohlraums einbrechen.

Bei einigen Erdfällen lagert zwischen dem Hohlraum und der Erdoberfläche Sand. Dieser rutscht dann nach und nach ins Loch, so ähnlich wie bei einer Sanduhr. Oben an der Erdoberfläche entsteht eine kleine Senke, die immer tiefer wird.

Gefährlich für Menschen kann es besonders dann werden, wenn über einem Hohlraum kein Sand, sondern lehmiger Boden oder Asphalt liegt. Der bricht dann ganz plötzlich ein – manchmal mit tödlichen Folgen wie im Fall von Jeffrey Bush in Florida.

Auch das "Great Blue Hole" ist entstanden, indem Wasser Hohlräume im Kalkgestein ausgewaschen hat und diese dann eingebrochen sind. Das passierte allerdings während der Eiszeit, als der Meeresspiegel noch viel niedriger war. Erst später wurde das Loch überflutet und mit Meerwasser gefüllt.

Luftbild des Erdfalls "Great Blue Hole" im Meer von Belize

Umgeben von Korallenriffen – das "Great Blue Hole" in der Karibik

Vorzeichen erkennen

Dass Wasser im Boden Hohlräume auswäscht, können Menschen kaum verhindern. Aber es gibt wenigstens teilweise Vorzeichen, die vor einer drohenden Gefahr warnen: Je nach Bodenbeschaffenheit verraten sich Erdfälle durch winzig kleine Absenkungen, bevor sich ein tiefes Loch auftut.

Mit dem bloßen Auge ist das nicht zu erkennen, aber zum Beispiel mit Radar-Satelliten im All. Sie überfliegen in regelmäßigen Abständen die Erde. Hat sich zwischen zwei Überflügen irgendwo der Boden um nur wenige Millimeter abgesenkt, lässt sich das mithilfe von Radartechnik herausfinden.

So etwas machen unter anderem Wissenschaftler von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Sie überwachen Bodenbewegungen. Bei Warnsignalen können Experten vor Ort überprüfen, ob die Absenkung von einem Erdfall kommt oder nicht und abschätzen, ob sie gefährlich werden kann. Denn auch in Deutschland gibt es Gegenden, in denen regelmäßig Erdfälle entstehen, zum Beispiel in Thüringen, auf der Schwäbischen Alb oder im Münsterland.

Krater zwischen zwei Gebäuden, Teile eines Hauses fehlen

Nordhausen, 2016: Ein Loch, mehr als 30 Meter breit und mehr als 40 Meter tief

Nicht immer nur natürlich

Im Gegensatz zu Tagesbrüchen und anderen Bergschäden, die durch einstürzende Stollen und Bergbau-Aktivität entstehen, sind Erdfälle natürliche Phänomene. Sie finden auch ohne menschliches Zutun schon seit Jahrmillionen statt.

Aber inzwischen beschleunigen Menschen in vielen Fällen die Entstehung von Erdfällen – unter anderem in Florida. Dort werden große Mengen an Grundwasser aus dem Boden geholt, beispielsweise für die Bewässerung von Feldern und als Trinkwasser. Das macht den löchrigen Untergrund instabiler.

Außerdem sind in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Menschen ins sonnige Florida gezogen. Obwohl das Risiko grundsätzlich bekannt ist, werden Häuser auch in betroffenen Gebieten gebaut. Und in einem Wohngebiet richtet ein Loch oft mehr Schaden an und ist gefährlicher als auf einem Acker oder in einem Naturschutzgebiet.

In Israel ist der Zusammenhang noch etwas komplizierter: Dort tun sich am Toten Meer von Jahr zu Jahr mehr Krater auf. Am Ufer des Salzsees entstehen Erdfälle, weil immer mehr Wasser aus dem Zufluss Jordan abgepumpt wird. Dadurch trocknet das Tote Meer aus und der ehemalige Boden des Sees wird freigelegt.

Der Boden enthält viele Salze. Süßes Grundwasser fließt von der Seite Richtung Totes Meer. Dabei löst es das Salz auf und frisst so Hohlräume in den Boden im Uferbereich. Wegen der ganzen Löcher wird es für Touristen immer schwieriger, im Toten Meer zu baden. Inzwischen musste sogar eine Straße verlegt werden.

Tausende Löcher am Toten Meer

Planet Wissen 06.07.2022 06:00 Min. Verfügbar bis 04.10.2024 WDR Von Jakob Kneser

Einige Forscher vermuten, dass es in Zukunft mehr Erdfälle auf der Erde geben wird. Ein Grund dafür ist, dass Menschen vor allem in eher trockenen Regionen der Erde inzwischen das Grundwasser anzapfen. So verändern sie die Bedingungen im Untergrund: Mehr wasserlösliche Gesteine werden gelöst, beziehungsweise unterirdische Hohlräume werden instabiler, weil Wasser entnommen wird.

(Erstveröffentlichung 2018. Letzte Aktualisierung 24.06.2020)

Quelle: WDR

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