Ein Schäfer hütet mit seinem Hund eine Heidschnucken-Herde in der Lüneburger Heide. Im Hintergrund sieht man die traditionellen Imkerkörbe.

Heidelandschaften in Europa

Die Lüneburger Heide

Heidekraut, Heidschnucken und Heidedichter Hermann Löns – diese drei "Hs" gehören zur Lüneburger Heide wie der Dom und der Karneval zu Köln. Übersehen wird bei diesen Klischees oft, dass diese Region voller Besonderheiten und Geheimnisse steckt.

Von Sandra Kampmann

Nicht jedes Heidekraut heißt Erika

Die Lüneburger Heide gehört zu den ältesten Kulturlandschaften und weist die größten zusammenhängenden Heidekrautflächen Mitteleuropas auf. In dieser einzigartigen Landschaft hat sich ein sensibles Ökosystem entwickelt, das vielen vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tieren eine Zufluchtsstätte bietet.

Im Sommer, wenn die Heide blüht, zieht es Scharen von Touristen in die Region. Sie alle bewundern die lilafarbene Erika, von der schon der Heide-Dichter Hermann Löns in seinen Texten schwärmte. Doch was die meisten Besucher nicht wissen: Das Kraut, das alle so bestaunen, heißt gar nicht so, wie sie glauben. Denn hier blüht vor allem die Besenheide, unter Biologen auch "Calluna vulgaris" genannt.

Die Besenheide ist ein rund 60 Zentimeter hoher, immergrüner Zwergstrauch mit hellvioletten Blüten. Als wahrer "Hungerkünstler" kommt sie bestens mit den trockenen, nährstoffarmen Böden der Sandheiden zurecht. Und solange ihr kein Baum das Licht raubt oder der gefürchtete Heideblattkäfer den Garaus macht, gedeiht sie prächtig.

Die Calluna ist allerdings lediglich eine nahe Verwandte der Erika, denn sie gehört zu einer anderen Pflanzengattung. Ob Hermann Löns das wohl absichtlich verwechselt hat, weil er mit der gemeinen Besenheide nichts anzufangen wusste?

Besenheide

Die Besenheide verwandelt die Landschaft in ein blühendes Farbenmeer

Jedenfalls gibt es für alle Fans der richtigen Erika ein kleines Trostpflästerchen. In den sumpfigen Gebieten der Lüneburger Heide findet man die Glockenheide. Sie gehört zweifelsohne zur Gattung der richtigen Erika-Gewächse. Im Gegensatz zur Besenheide bevorzugt sie feuchte Standorte.

Insgesamt kennen Biologen über 800 Heidekrautgewächse, von denen erstaunlicherweise allein 600 Arten im südlichen Afrika beheimatet sind.

Naturschutz in der Heide mit langer Tradition

Seit mehr als 100 Jahren wird der Naturschutz in der Lüneburger Heide großgeschrieben. Damals verhinderte der engagierte junge Pastor Wilhelm Bode, dass das heutige Naturschutzgebiet um den Totengrund in der Nähe des Ortes Wilsede als Bauland verkauft wurde.

Nach langem Suchen fand er einen Sponsor, der ihm die damals beträchtliche Summe von 6000 Mark zur Verfügung stellte. Mit dem Kauf der Heideflächen am Totengrund war die Keimzelle für den Naturschutzpark entstanden.

Blühende Heidelandschaft

Die Heidlandschaft am Totengrund sollte bebaut werden

Doch bald drohte neuer Ärger: Auch die Heideflächen um den Wilseder Berg sollten bebaut werden. Pastor Bode und seinem Mitstreiter Landrat Ecker aus Winsen gelang es nicht nur, eine Lotterie zur Rettung der Heideflächen ins Leben zu rufen, sondern auch, öffentliche Gelder zu mobilisieren.

Außerdem unterstützten angesehene Schriftsteller wie Hermann Hesse und Bertha von Suttner die Kampagne. Im Jahr 1910 konnten auch die Flächen um den Wilseder Berg vom "Verein Naturschutzpark" gekauft werden.

Heute umfasst der Naturpark Lüneburger Heide ein Gebiet, das mit einer Fläche von 1130 Quadratkilometern größer ist als die Hauptstadt Berlin. Der eigentliche Kern, das Naturschutzgebiet bei Wilsede, ist mit 234 Quadratkilometern allerdings wesentlich kleiner.

Ein Paradies für den Birkhahn

Die Lüneburger Heide ist heute für viele gefährdete Pflanzen und Tiere, die auf der Roten Liste stehen, ein wichtiges Rückzugsgebiet. Beispielsweise für den seltenen Birkhahn. Er ist ein sensibler Hühnervogel, der vor allem die Ungestörtheit liebt. Er hält sich bevorzugt in abgelegenen Moor- und offenen Heidelandschaften auf.

Während das Gefieder des Männchens prächtig blauschwarz gefärbt ist, sind die Hennen meist unspektakulär braun gefleckt. Ihre Unauffälligkeit dient gleichzeitig auch ihrem Schutz. Zum Brüten suchen sich die Hennen eine Mulde im Heidekraut, in die sie ihre sechs bis zehn Eier legen. Nach rund 30 Tagen schlüpfen die Küken, die bald schon flügge sind.

Balzende Birkhähne

Birkhähne bei der Balz

Ein Naturerlebnis der besonderen Art ist die Birkhahnbalz, die man ab März in der Heide beobachten kann. Jedes Jahr kommen die Hähne an ihre angestammten Balzplätze zurück, wo sie den Balztanz aufführen. Aufgeplustert tragen sie mit ihren Konkurrenten spektakuläre Kämpfe aus, bei denen sie eigenartig kullernde Laute von sich geben und seltsame Luftsprünge vollführen.

Kulturlandschaft seit mehr als 5000 Jahren

Bei so viel Natur sollte man vielleicht meinen, dass die Lüneburger Heide eine Naturlandschaft ist. Tatsächlich wäre diese Landschaft aber – so wie sie heute ist – nicht ohne den permanenten Eingriff des Menschen denkbar.

Die menschliche Besiedlung der Lüneburger Heide begann schon in der Jungsteinzeit. Noch heute findet man in Form von Hügelgräbern Zeugen dieser frühen Besiedlung.

Hünengrab in der Lüneburger Heide

Zeugnis einer frühen Besiedelung: Hünengrab bei Suderburg

Die historische Heidebauernwirtschaft hat ihren Anfang erst im Mittelalter. Ihre größte Ausdehnung erreichte die Lüneburger Heide um 1800. Das war die Blütezeit der Heidebauernwirtschaft.

Doch schon ein Jahrhundert später war der lilafarbene Teppich enorm geschrumpft. Die Ursache war der rasante Niedergang der traditionellen Heidewirtschaft.

Die Bewohner der Heide (Heidjer) bei Lüneburg lebten vor allem von dem Verkauf ihrer Produkte wie Wolle, Honig und Wachs. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erwuchs diesen Produkten durch den verstärkten Welthandel und die Verbreitung von Zucker, Paraffin oder die sehr viel weichere Merinowolle starke Konkurrenz.

Die Produkte der Heidjer waren nicht mehr gefragt. Es kam zu einer großen Hungersnot. Viele verkauften ihr Land an den preußischen Staat, der ein gewaltiges Wiederaufforstungsprogramm startete.

Ohne die ständige Pflege der Heidebauern hatten die großen Heideflächen keine Überlebenschance. Dem "Verein Naturschutzpark" ist es zu verdanken, dass es heute noch einen Bruchteil dieser Flächen gibt.

(Erstveröffentlichung: 2009. Letzte Aktualisierung: 25.07.2018)

Quelle: WDR

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