Der wilde Tabak Planet Wissen 25.01.2023 02:36 Min. UT Verfügbar bis 07.04.2027 SWR

Sinne der Pflanzen

Wie Pflanzen sich wehren

Pflanzen rangieren in der Nahrungskette ganz unten. Trotzdem sind sie nicht hilflos. Im Gegenteil: Ihre Fressfeinde müssen sich auf viele pfiffige Strategien gefasst machen.

Von Andrea Lützenkirchen und Rita Gudermann

Mechanische Abwehrtechniken

Im Laufe der Evolution haben Pflanzen viele Abwehrmechanismen entwickelt, die Fressfeinden den Appetit verderben sollen. Der Weißdorn zum Beispiel schützt sich mit Dornen vor hungrigen Weidetieren.

Unscheinbare Gräser fügen auch uns Menschen scharfe Schnitte in die Finger zu, wenn wir achtlos hineingreifen. Diese Wunden entstehen durch die im Grashalm eingelagerte Kieselsäure. Die winzigen Körnchen haben einen ähnlichen Effekt wie Schmirgelpapier.

Auch mit den Brennhaaren der Brennnessel haben die meisten schon einmal Bekanntschaft gemacht. Bei der leichtesten Berührung brechen die Köpfchen dieser Haare ab und es entsteht eine Spitze, die sich in die Haut bohrt. Gleichzeitig fließt schmerzender Nesselsaft in die Wunde.

Der Wilde Tabak kann sich "unsichtbar" machen, um sich davor zu schützen, dass der Tabakschwärmer seine Eier auf ihm ablegt. Dazu ändert er seinen Duft und hält die weißen Blüten nachts geschlossen. Derart verwandelt erkennt der Nachtfalter die Pflanze nicht und fliegt vorbei.

Schutz durch Bitterstoffe und Gifte

Neben diesen mechanischen Taktiken zur Feindesabwehr schützen sich viele schmackhafte Gewächse mit Chemie. Kürbisse zum Beispiel enthalten in ihrer Urform Bitterstoffe. Auch Enzian, Wermut, der große Ampfer und viele andere Kräuter und Sträucher legen es darauf an, schlecht zu schmecken.

Ein weiterer Schutz vor dem Gefressenwerden ist die Einlagerung von Gift. Als die spanischen Eroberer Amerikas im 16. Jahrhundert die Kartoffel in Europa einführten, wurden viele Menschen schwer krank. Der Grund: Statt der Knolle hatten sie die giftigen Blätter und Stängel der Kartoffelpflanze gegessen.

Die Blüten der Kartoffel sollte man nicht essen | Bildquelle: WDR/Zentralbild/Jens Wolf

Ebenfalls mit Gift verteidigt sich der in unseren Wäldern häufig vorkommende Adlerfarn. Um Insekten abzuschrecken, sind seine weichen, jungen Wedel mit Blausäure gefüllt.

Ausgewachsen ist der Adlerfarn auch für größere Tiere attraktiv, ist aber auch gefährlicher: Die Wedel der alten Pflanze enthalten eine gefährliche Mischung von Giften, die zur Erblindung führen können.

Tomate und Tabak setzen auf Angriff

Einige wichtige Kulturpflanzen wie Tabak und Tomate verlassen sich nicht darauf, Insekten lediglich zu vertreiben. Sie töten ihre Angreifer – wenn auch indirekt.

Wie die wilde Kartoffel und der Tabak hat die Tomatenpflanze Drüsenhaare auf den Oberseiten ihrer Blätter entwickelt. Wenn zum Beispiel eine Blattlaus ein Blatt annagt, sondern die Drüsenhaare ein hellgrünes, klebriges Sekret ab.

Die Blattlaus verfängt sich darin und muss verhungern. Das Drüsensekret der Tomatenblätter ist auch verantwortlich für den typischen Geruch der Pflanze.

Die Tomate weiß sich zu wehren | Bildquelle: Mauritius

Mit dem aggressiven Nervengift Nikotin setzt sich die Tabakpflanze gegen ihre Feinde zur Wehr. Wird eine Tabakpflanze angeknabbert, können die verletzten Pflanzenzellen verschiedene Substanzen aus dem Speichel der Tiere herausschmecken.

Die Tabakpflanze bildet dann zunächst Jasmonsäure aus. Dieser Alarmstoff regt die Produktion von Nikotin an, das die Pflanze überall verteilt. Die Folge: Die Feinde hören auf zu fressen, um sich nicht zu vergiften, und ziehen zur nächsten Pflanze. Dort beginnt das Spiel erneut.

Auftragsmorde

Eine andere Strategie besteht darin, mit speziellen Duftstoffen die Feinde der Fressfeinde anzulocken. Der Wilde Tabak wird aktiv, wenn die Raupen des Tabakschwärmers an ihm fressen. Sie sind immun gegen das Nikotin, können aber von Raubwanzen vertilgt werden.

Auch die Kartoffelpflanze ruft Raubwanzen herbei, wenn sie von den Larven des Kartoffelkäfers angefallen wird. Die Ulme wiederum lockt Erzwespen gegen den Nachwuchs des Ulmenblattkäfers an.

Der Wilde Tabak kann die Raupen des Tabakschwärmers sogar auf Diät setzen, damit sie klein genug bleiben, falls die Raubwanzen auf sich warten lassen. Dazu produziert er Verdauungshemmer, die er in den Blättern anreichert. Gleichzeitig zieht der Wilde Tabak die Nährstoffe aus den Blättern zurück und lagert sie in den Stängeln ein.

Wenn Pflanzen unausstehlich werden

Pflanzen setzen ihre Waffen jedoch nicht nur gegen ihre Fressfeinde ein. Viele Arten sind auch auf das "Mobbing" anderer Pflanzen programmiert.

So sorgt etwa der Walnussbaum dafür, dass in seinem Schatten nichts anderes wächst.

Walnussbäume dulden keine Pflanzen neben sich | Bildquelle: WDR/Mauritius/Ottfried Schreiter

In seinen Blättern befindet sich Hydrojuglon, eine zunächst einmal ungiftige Substanz. Fallen die Blätter jedoch auf den Boden, wird sie mit Hilfe von Mikroorganismen in das Gift Juglon umgewandelt, das sich im Boden anreichert. Ähnliche Strategien sind auch bei Eukalyptusbäumen bekannt.

Zwar heißt es, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Doch den meisten Apfelkernen nutzt dies nicht viel, da die Mutterpflanze Stoffe in den Boden abgibt, die sogar das Keimen des eigenen Nachwuchses verhindern.

Solche chemischen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen (meist werden Pflanzen anderer Arten an der Keimung oder Entwicklung gehindert) werden Allelopathie genannt. Durch sie wird die Konkurrenz um Licht und Nährstoffe vermieden.

Eine Pflanzenimperialistin: die Brombeere

Pflanzen geht es aber nicht nur darum, die Konkurrenz kleinzuhalten. Wie alle Lebewesen haben sie das Bestreben, sich fortzupflanzen und auszudehnen. Ein gutes Beispiel für den floralen Eroberungstrieb ist die Brombeere.

Um ihr Territorium zu erweitern, bildet sie lange Triebe aus, die im Wind bewegt werden. Jeder Trieb besitzt scharfe, nach hinten gerichtete Stacheln, die sich hervorragend an Nachbarpflanzen festhaken können.

Die Brombeere beansprucht viel Platz | Bildquelle: WDR/Klaus Görgen

So werden benachbarte Sträucher schnell von der Brombeere überwuchert, denn sie wächst bis zu fünf Zentimeter am Tag. Gelangen die Triebe zum Boden, schlagen sie dort sofort kleine Wurzeln. Damit ist ein neuer Nährstoffzugang erobert.

(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 13.02.2020)