Zeichnung: Rabe neben Likorkaraffe und -glas

Rabenvögel

Rabenvögel in Kunst und Literatur

Wilhelm Busch, Edgar Allan Poe, Alfred Hitchcock und Vincent van Gogh waren fasziniert von Rabenvögeln und verewigten sie in ihren Kunstwerken.

Von Harald Brenner

Wilhelm Busch: Hans Huckebein

Ihr schlechtes Image verfolgt Rabenvögel auch dann noch, wenn man es eigentlich gut mit ihnen meint. So in Wilhelm Buschs Geschichte vom Unglücksraben Hans Huckebein.

Wilhelm Busch beobachtete den Spieltrieb und die Neugier der Tiere genau und gab ihr Wesen durchaus liebenswert wieder. Und doch endet Hans Huckebein im Gedicht tragisch, nachdem er sich an einem Gläschen von Tante Lottes Likör verlustiert hat, leicht beduselt ausrutscht und sich im Strickzeug der Tante so unglücklich verfängt, dass er sich selbst erhängt:

Er zerrt voll roher Lust und Tücke
Der Tante künstliches Gestricke.
Der Tisch ist glatt – der Böse taumelt –
Das Ende naht – sieh da! er baumelt.
"Die Bosheit war sein Hauptpläsier,
Drum" – spricht die Tante – "hängt er hier!"

Edgar Allen Poe: The Raven

Der amerikanische Schriftsteller Edgar Allan Poe ließ sich vor allem von der magischen Seite der Raben inspirieren. Mit "The Raven" (Der Rabe) schrieb er eines der bekanntesten Gedichte der USA.

"The Raven" handelt von einem tief verzweifelten Mann, der seine Geliebte verloren hat. Während schlafloser Nächte sucht er Trost in okkulter Literatur, als er eines Nachts von einem mysteriösen Raben besucht wird.

"Nevermore" – "Nimmermehr", so stellt sich der Vogel vor. Und der Name ist Programm, denn es ist das einzige Wort, das er beherrscht: "Nimmermehr" werde der Liebende seine Geliebte wiedersehen, auch nicht im Himmel, so prophezeit der schwarze Geselle.

Der immer mehr in Rage geratende Mann versucht die "Höllenbrut" zu verscheuchen, doch das Tier denkt nicht daran zu verschwinden und hält die Seele des Mannes mit seinem Schatten gefangen – so dass sie "nimmermehr" entweichen kann.

Das düstere Werk Poes erschien erstmals 1845 im "New York Evening Mirror". 131 Jahre später nahm sich die britische Rockgruppe "The Alan Parsons Project" des Stoffes an und vertonte mehrere Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe, darunter auch "The Raven" im Stil des Artrocks.

Edgar Allan Poe (1809-1849)

Edgar Allan Poe schrieb die düstere Kurzgeschichte "Der Rabe"

Alfred Hitchcock: Die Vögel

Legendär ist Alfred Hitchcocks Meisterwerk "The Birds" (Die Vögel). Dieses Werk wird bisweilen als Urform des modernen Horrorfilms gefeiert.

Auch der Filmregisseur machte sich den miserablen Ruf der Raben zunutze und verstärkte ihn sogar noch. Im Film gehen erst Möwen, später Raben auf Menschen los und töten sie. Warum, bleibt bis zum Schluss im Dunkeln.

Damit verstärkte Hitchcock das mystische Wesen, aber auch alle Vorurteile gegenüber diesen Vögeln. Er suggerierte, die sich zusammenrottenden Schwärme seien außer Kontrolle geraten und ihre rasante Vermehrung eine ernste Bedrohung für Menschen. Ein Plus für den Spannungseffekt, biologisch aber nicht haltbar.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Rabenschwärme sorgen selbst für die Bevölkerungsbegrenzung, weil sie sich gegenseitig Gelege und Junge wegfressen und damit ihre Bestände kontrollieren. Außerdem bietet der Schwarm Schutz vor Feinden und ist Bühne für die Partnerwahl.

Alfred Hitchcock

Raben als ernste Bedrohung für den Menschen?

Vincent van Gogh: Weizenfeld mit Raben

Natürlich ist der Rabe auch in der bildenden Kunst ein beliebtes Motiv. Vincent van Goghs "Weizenfeld mit Krähen" etwa zeigt einen düsteren, von Rabenkrähen gesäumten Himmel über einem sonnengelben Weizenfeld.

Vielleicht hatte van Gogh schon eine Vorahnung vom herannahenden Ende, als er das Bild im Juli 1890 malte. Nur wenige Tage danach schoss er sich bei einem Spaziergang eine Kugel in die Brust und erlag später seinen Verletzungen.

Gemälde von Vincent van Gogh: "Weizenfeld mit Raben"

Raben steigen über einem Weizenfeld auf

Gioachino Rossini: Die diebische Elster

Selbst die klassische Musik bedient sich althergebrachter Vorurteile gegenüber Rabenvögeln. So griff der italienische Komponist Gioachino Rossini ebenfalls tief in die Klischee-Kiste.

In der Geschichte seiner Oper "Die diebische Elster" (La gazza ladra) von 1817 wird ein Bauernmädchen zum Tode verurteilt, weil es silbernes Besteck gestohlen haben soll. Doch dann stellt sich heraus, dass der wahre Dieb eine Elster ist.

Die Elster war schon im Mittelalter als Galgenvogel verschrien und galt als Hexentier. Hartnäckig hielt sich der Glaube, Elstern klauten silberne Gegenstände, um sie in ihr Nest einzubauen.

In der Tat hat die Elster ein gewisses Interesse an blinkenden Gegenständen. Diese Vorliebe teilt sie aber mit vielen anderen Vogelarten. Ornithologen vermuten, dass das Untersuchen, Wegtragen und Verstecken solcher Gegenstände auf die Neugier und den Spieltrieb der Tiere zurückgeht und letztlich eine Art Training für Nahrungserwerb ist.

Eine Elster sitzt auf einem Stein

Sind Elstern wirklich so diebisch?

Joachim Ringelnatz: Im dunklen Erdteil Afrika

Neben all den Missverständnissen und Negativ-Darstellungen der Rabenvögel finden sich aber immer wieder Beispiele, dass man das Ganze auch von der humoristischen Seite betrachten kann. So schrieb Joachim Ringelnatz 1912 in einem Gedicht:

Im dunklen Erdteil Afrika
Starb eine Ziehharmonika.
Sie wurde mit Musik begraben.
Am Grabe saßen zwanzig Raben.
Der Rabe Num’ro einundzwanzig
Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig
Und gründete dort etwas später
Ein Heim für kinderlose Väter.
Und die Moral von der Geschicht? –
Die weiss ich leider selber nicht.

Quelle: SWR | Stand: 20.09.2019, 10:50 Uhr

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