Die Pyramiden von Gizeh.

Antike

Pyramidenbau

Ägyptische Pyramiden sind noch immer ein Mythos. Weltweit rätseln Wissenschaftler und Ingenieure, wie die monumentalen Bauten vor rund 4500 Jahren entstanden sind.

Von Götz Bolten

Verschlüsseltes Wissen

In den 1970er-Jahren behauptete der Buchautor Erich von Däniken, Außerirdische hätten die Pyramiden gebaut. Solche pseudowissenschaftlichen Theorien hat die Forschung längst widerlegt.

Trotzdem beherbergen der Wüstensand und die meterdicken Mauern der Pyramiden noch genug Geheimnisse, um Generationen von Wissenschaftlern zu beschäftigen.

Würde ein reicher Mensch heute den Bau einer Pyramide in Auftrag geben, würden selbst die größten Bauunternehmer erst einmal schlucken: 2,6 Millionen Steinblöcke mit einem Mindestgewicht von 2,5 Tonnen pro Block. Aus den Steinbrüchen ganz Europas müssten die Brocken herangeschafft werden. Über ein halbes Jahrzehnt wäre der Unternehmer mit dem Bau beschäftigt.

Zeichnung der Pyramiden von Gizeh mit der Sphinx

Wie wurden die Pyramiden gebaut?

Das nicht ganz ernst gemeinte Beispiel lässt erahnen, welch eine Herausforderung der Bau einer solchen Pyramide für Ingenieure und Arbeiter um 2550 vor Christus gewesen sein muss. 106 Pyramiden ziehen sich wie eine Kette durch Ägypten, doch ihre Königin ist die Cheops-Pyramide in Gizeh.

Bevor ihre Außenverkleidung und Teile der Spitze geklaut wurden, war sie 146 Meter hoch und hatte eine Grundfläche von 53.000 Quadratmetern. In ihr liegt der Schlüssel zur gesamten ägyptischen Baukunst versteckt. Wenn die Forscher es schaffen, der Cheops-Pyramide ihre Geheimnisse zu entlocken, werden sich viele Lücken in der altägyptischen Geschichtsschreibung schließen lassen.

Eigentlich unmöglich

Der Bau der großen Cheops-Pyramide zu einer Zeit, als die Menschen im Vergleich zu heute nur einfache Hilfsmittel kannten, gleicht auch nach jahrzehntelanger Forschung noch immer einem Wunder.

Das Magazin "Der Spiegel" fand dazu einen passenden Vergleich: "Das ist so, als würde auf die Nutzbarmachung des Feuers sogleich der Bau der Atombombe folgen."

Vieles ist erstaunlich: Die Steinblöcke der Pyramide sind auf 0,2 Millimeter genau geschlagen. Gerade mal eine Rasierklinge würde zwischen die Steinreihen passen. Die Fundamente der Pyramide weichen nur maximal 16 Millimeter von der Horizontalen ab und das bei einer unteren Kantenlänge von rund 230 Metern.

Auch die rechten Winkel der Ecken lassen Ingenieure heutiger Zeit vor Neid erblassen: Die Winkel sind so genau geschnitten, dass man selbst mit lasergestützten Messapparaten nicht genauer arbeiten könnte. Und all diese bautechnischen Meisterleistungen sollen von einem Volk stammen, das zum Zeitpunkt der Grundsteinlegung nach Meinung einiger Forscher nicht einmal die Vorzüge des Rades kannte?

Blick auf die Pyramiden im Gizeh-Tal mit einem Reiter auf einem Kamel davor

Rund 2,6 Millionen Steinblöcke pro Pyramide

Die Wahrheit steckt im Detail

Der Grund für diesen Widerspruch liegt im mangelnden Wissen über den Stand der Forschung in der Antike. Denn Alexander der Große ließ fast das ganze gesammelte Wissen der Ägypter im 4. Jahrhundert vor Christus zerstören.

Die geretteten Bücher mit dem "Wissen der Alten" standen lange in der antiken Bibliothek von Alexandria, bevor auch sie verloren gingen. Ob sie durch einen Brand um 50 vor Christus vernichtet wurden oder einige Jahrhunderte später, dazu gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen.

Untersuchungen der ägyptischen Pyramiden jüngeren Datums lassen jedenfalls auf einen gigantischen Wissensvorsprung der Ägypter vor anderen Völkern schließen. Englische Forscher entdeckten, dass die doppelte Höhe der Cheops-Pyramide zu ihrem Umfang an der Basis im gleichen Verhältnis steht, wie der Kreisdurchmesser zum Kreisumfang.

Das bedeutet, dass die Ägypter schon mit der Kreiszahl Pi (Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser) arbeiteten, lange bevor sie in anderen Kulturkreisen entdeckt wurde.

Gemälde von Vincenzo Camuccini (1813): Alexandrinische Bibliothek.

Die Bibliothek von Alexandria war ein Hort des antiken Wissens

Extravaganz oder grandiose Verrücktheit?

Aber warum ließen die Pharaonen überhaupt Pyramiden bauen? Wie es scheint, waren die Ägypter ein geistig weit entwickeltes Volk. Sie waren kultiviert und hatten Gesetze. Es ist nicht anzunehmen, dass ein diktatorischer Pharao einen großen Teil seines Volkes gezwungen haben kann, an dem Mammut-Projekt mitzuarbeiten.

Hinter den Pyramiden, so wird vermutet, standen sowohl der Pharao als auch sein Volk. Der Grund, warum die Pyramiden gebaut wurden, muss für die Ägypter von besonderer Bedeutung gewesen sein. Warum sonst sollten Tausende von Arbeitern die Strapazen einer Arbeitswoche mit zehn Tagen à zehn Stunden auf sich genommen haben? Insbesondere in der Gewissheit, dass sie nicht älter als 30 bis 35 Jahre werden? Über diese Fragen streiten die Experten.

Eine Theorie besagt, dass die Pyramiden aus Furcht vor dem Kataklysmus gebaut wurden, also aus Furcht vor einer plötzlichen sintflutartigen Vernichtung der gesamten Kultur.

Laut dieser Theorie brachten die Ägypter ihr gesamtes naturwissenschaftliches, astronomisches und mathematisches Wissen durch den Bau der Pyramiden auf den Punkt, sozusagen als gesamtgesellschaftliches Gesellenstück für die Ewigkeit.

Vorderansicht der Sphinx, einer großen Skulptur, die einen Löwen mit Frauenkopf darstellt.

Die Sphinx steht vor der Chephren-Pyramide

Andere Theorien sprechen von der Geltungssucht der gottgleichen Pharaonen. Das Volk glaubte demnach, dass die Pharaonen nur dann auch nach ihrem Tod weiter über ihr Volk wachen können, wenn sie mittels Reichtümern für das Totenreich und einer geeigneten "Treppe" den Aufstieg in den Himmel schaffen.

Weniger metaphysisch veranlagte Forscher glauben schlicht, dass der Bau der Pyramiden eine Beschäftigungstherapie für das Volk war, das in Überschwemmungszeiten des Nils arbeitslos war.

Ging man früher davon aus, dass Sklaven für die Pyramiden unter schrecklichen Bedingungen schuften mussten, so fand man später Hinweise darauf, dass die Arbeiter durchaus gut bezahlt wurden.

Eine etwas andere Baustelle

Für eine der einfachsten Fragen haben die Forscher bislang keine Lösung gefunden: Wie konnten die Ägypter die gigantischen Steine überhaupt transportieren und aufeinander schichten?

Noch immer gibt es verschiedene Erklärungsansätze, die aber alle ihre Schwachstellen haben. Transportiert wurden die Steinblöcke wahrscheinlich auf hölzernen Schlitten.

Das größte Problem für die Architekten der Cheops-Pyramide waren wahrscheinlich die Granitsteine für die Königskammer. Jeder einzelne wiegt 50 Tonnen – zuviel, um ihn einfach mit Arbeitern nach oben zu ziehen, und seien es auch noch so viele Arbeiter.

Die erste Theorie geht davon aus, dass die Ägypter eine Rampe bauten, die mit dem Anwachsen der Pyramide immer weiter vergrößert wurde. Über diese Rampe sollen die Arbeiter die Steine auf das jeweils fertiggestellte Plateau der Pyramide gezogen haben.

Das Problem dieser Theorie: Wenn man bei der Rampe von einer Steigung von fünf Prozent ausgeht, dann müsste sie, um die letzten Steine an die Spitze auf über 145 Metern zu platzieren, eine Länge von drei Kilometern haben. Vor den meisten der großen ägyptischen Pyramiden war dafür kein Platz. Eine solch gigantische Rampe hätte ein Volumen von 20 Millionen Kubikmetern – fast zehnmal mehr als die Pyramide selbst.

Die Cheops-Pyramide besteht aus 2,6 Millionen Steinen. Wenn man davon ausgeht, dass 20 Jahre lang an ihr gearbeitet wurde, dann müssten bei einem Arbeitstag von zehn Stunden knapp alle zwei Minuten ein Block angeliefert worden sein. Selbst bei noch so viel Arbeitern ist dies über eine drei Kilometer lange Rampe kaum vorstellbar.

Abbildung "Ägypten: Bau der Pyramiden" aus dem 19. Jahrhundert.

So stellte man sich im 19. Jahrhundert die Bauarbeiten vor

Eine äußere Rampe

Ein anderer Erklärungsversuch beschreibt eine äußere Rampe, die sich um die Pyramide herumschlängelt, ähnlich einer Wendeltreppe an der Außenwand der Pyramide.

Auch gegen diese Theorie spricht der Faktor Zeit, denn auch diese Rampe wäre schon nach einigen Umrundungen der Pyramide mehrere Kilometer lang.

Der Bau einer solchen Rampe würde Unmengen an Holz verschlingen und das war zu jener Zeit in Ägypten Mangelware und außerdem sehr teuer. Versuche mit einer Nachbildung der Rampe haben außerdem gezeigt, dass die schwereren Blöcke nicht hätten transportiert werden können.

Sollte die Theorie trotz aller Widersprüche stimmen, könnte sie nicht bewiesen werden. Die Verkleidung der Pyramide wurde im Laufe der Jahrtausende gestohlen und damit auch die möglichen Spuren einer solchen Rampe.

Eine Erklärung muss her

Eine andere Theorie besagt, dass die Ägypter ihre Pyramiden mit Hilfe von Maschinen (Aufzüge, Seilwinden, Kräne) gebaut haben. Schon der griechische Historiker Herodot sprach im 5. Jahrhundert vor Christus von Maschinen.

In der modernen Forschung wurde diese Möglichkeit jedoch lange abgelehnt, da bei den Ausgrabungen im Umkreis der Pyramiden zwar Werkstätten und Arbeitslager gefunden wurden, jedoch keine Indizien für Maschinen, die für das Heben und Ziehen solcher Lasten getaugt hätten.

Da alle anderen diskutierten Möglichkeiten ihre Erklärungsschwächen haben, glauben mittlerweile viele Archäologen und Ingenieure an die Maschinen-Theorie, auch wenn sie sich bislang nicht beweisen lässt.

Auch eine Theorie, die am Institut für Ägyptologie an der Universität Münster entwickelt wurde, lehnt Rampen als Erklärung ab: Die großen Pyramiden wie die des Cheops hätten, so die Theorie, genau wie kleinere Pyramiden ursprünglich eine stufige Struktur gehabt. In diese Stufen seien kleinere Treppen gemauert worden und über diese seien die Blöcke nach oben gehebelt worden.

Um eine glatte Pyramiden-Oberfläche zu erhalten, sei dann eine Zwischenschicht auf die Stufenstruktur aufgetragen worden. Doch auch für die Theorie fehlt bislang der Beweis.

(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 10.05.2021)

Quelle: WDR

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