Historischer Stich: Barocke Badeszene.

Barock

Barocke Hygiene – zwischen Pest, Parfum und Puderperücken

Im Barock scheute man das Baden wie der Teufel das Weihwasser. Zu deutlich war die Erinnerung an die großen Pestepidemien des Mittelalters – und den Irrtum, dass die Krankheit in den Badehäusern übertragen werden konnte.

Von Gaby Böhne

Ein ganzes Schloss ohne Toilette

Die Menschen im Barock glaubten, dass die Pest ihren Ursprung in den Badehäusern genommen hatte. Dass die Pest durch Flöhe übertragen wurde, war unbekannt. In Verdacht stand das Badewasser – und damit war im Barock endgültig Schluss!

Wenn der König ein Wannenbad nötig hatte, dann tauchte er nur Teile seines Körpers unter, und selbstverständlich ertrug er die Prozedur nicht nackt, sondern in einer Badebekleidung, die den Körper verhüllte.

Der barocke Genussmensch griff viel lieber zum Parfum. Sich von Kopf bis Fuß mit feiner Seife und einem Tuch (französisch: "toile") abzuwaschen, galt als völlig ausreichend. Auf diese allmorgendliche Prozedur geht unser heutiges Wort Toilette zurück, nicht zu verwechseln mit dem, was wir darunter verstehen.

Denn das sogenannte "stille Örtchen", ein eigener Toilettenraum, kam erst viel später auf. Im Barock erledigte man das, was getan werden musste, kurzerhand auf der Gasse, hinter Büschen oder sogar in Hausflure – vor allen Dingen geschah es in aller Öffentlichkeit.

Barocke Schlösser – von Versailles bis Karlsruhe – hatten keine Badezimmer oder Toiletten mit fließendem Wasser.

Der Adel bediente sich eines speziellen Stuhles, in dessen Sitzfläche ein Nachttopf eingearbeitet worden war. Damit begann auch der König seinen Start in den Tag, beobachtet und betreut von einer ganzen Schar von Höflingen.

Für die Herzöge, Grafen oder Barone war es eine Ehre, dabei sein zu dürfen. Diese "lever" (Aufwachen) und "coucher" (Zubettgehen) genannten Riten gehörten zum Beispiel zum festen Hofzeremoniell von Ludwig XIV.

Parkanlagen von Versailles

Eine Toilette suchte man auf Schloss Versailles im Barock vergeblich

Das mobile Urinal

Die Hygienepraxis der Damen war ähnlich, lässt uns heute aber noch staunen. Angefangen hatte alles mit einem Prediger – dem Jesuiten Louis Bourdaloue. Dieser Mann muss ein genialer Redner gewesen sein. Die Frauen hingen quasi an seinen Lippen wie heute ein Groupie beim Showstar.

Kein Wort wollten die Frauen damals missen, keine Sekunde seiner Rede versäumen. Eine mobile Toilette musste her; und was einige Museumsbesucher schnell als Porzellan-Sauciere abtun, ist in Wirklichkeit so ein barocker Nachttopf, ein "pot de chambre". Genauer: ein weibliches Urinal.

Schmal in der Form, mit gerundetem Rand, praktischem Henkel und schnell zur Hand – natürlich der Hand der Zofe. Diese hob bei Bedarf schnell die zahlreichen Unterröcke ihrer Herrschaft und wartete, bis die Dame sich ihrer Notdurft entledigt hatte.

Das kostbare Nass wurde schnell abtransportiert, im besten Fall gesammelt und an Gerbereien weiterverkauft, die Urin in großen Mengen für ihre Lederbearbeitung benötigten.

Schamhaft prüde wie zu Zeiten der britischen Königin Viktoria im 19. Jahrhundert war man im Barock absolut nicht. Allerdings auch nicht sonderlich gepflegt.

Zwischen Mäusedreck und Flohfallen

Selbst in den Perücken, die zu einem halben Meter hohen Frisuren mit eingearbeiteten Accessoires gestylt wurden, nisteten oft Läuse – und ein Chronist berichtet sogar von einer Maus, die an einer Perücke herumgeknabbert haben soll.

Auch die Flöhe waren eine arge Plage. Ihrer Vorliebe für frisches Blut kam man mit einer speziellen Flohfalle entgegen. Die sah aus wie ein heutiges "Tee-Ei", wahlweise aus geschnitztem Holz, Knochen oder Silber.

Allen gemeinsam war, dass ihre Hülle stets fein durchbohrt war wie ein Gitter und dass man sie in der Mitte aufschrauben konnte. Ins Innere kam ein Stück blutgetränktes Leinen, in der Hoffnung, dass die Flöhe vom Geruch angelockt wurden, durch das Gitter krochen und in der Flohfalle blieben, bis sie entsorgt wurden. Getragen wurden die Flohfallen oft in den Unterröcken oder am Mieder.

Parfum überdeckte unangenehme Gerüche, dicke Schichten von Talkum-Puder ließen die Gesichter beiderlei Geschlechtes weißlich-blass aussehen. Rouge auf den Wangen sollte dem Adel wieder etwas Leben einhauchen. Die vornehme Blässe war nicht nur schick, sondern auch das Statuszeichen für jene, die nicht auf den Feldern arbeiten mussten.

Daher konnte man bei der nicht sonnengebräunten hellen Haut des Adels auch die Adern durchscheinen sehen – was ihnen den Namen blaublütig einbrachte. Blau war die Farbe der Royalisten – der Anhänger der Monarchie.

Nachgestellt: Zwei Fraeun und ein Mann in barocken Kostümen

Versteckt unter Perücken und dicken Puderschichten

Der Schönheitsfleck zum Aufkleben

Das I-Tüpfelchen der Körperpflege war allerdings das Schönheitspflaster: ein künstliches dunkles Muttermal, das nicht etwa wie bei uns im Karneval aufgemalt, sondern aufgeklebt wurde. Das hatte den unschlagbaren Vorteil, dass sich dieser Klebepunkt schnell entfernen und an anderer Stelle anbringen ließ.

Schönheitspflästerchen dienten genauso wie die bei Männern und Frauen üblichen Fächer einer geheimen Kommunikation. Der Code war allen bekannt und galt der Kontaktaufnahme, der Verabredung, dem Tanz oder auch einer Liebesnacht.

Überbleibsel dieses Codes finden wir noch bei unseren Oktoberfest-Trachten: Wird der Knoten der Schürze hinten, links, mittig oder rechts am Körper getragen, weiß das Gegenüber sofort: Die Frau ist verwitwet, verheiratet, jungfräulich oder noch zu haben.

Quelle: SWR | Stand: 20.04.2020, 16:30 Uhr

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