Luftaufnahme zahlreicher Schiffscontainer gleicher Größe

Wirtschaft

Normen

Normen begleiten uns auf Schritt und Tritt. Sie sorgen dafür, dass der Kaffeepappbecher in den Getränkehalter im Auto passt und das Abwasserrohr an die Kloschüssel. Sie garantieren den Verbrauchern und Entwicklern, dass alles so funktioniert wie geplant, und kurbeln die Wirtschaft an.

Von Michael Ringelsiep

Was ist eine Norm?

Normen tragen mit etwa 17 Milliarden Euro zum deutschen Bruttosozialprodukt bei, da sie Handelsbeschränkungen aufheben. Denn wer würde schon ein in Deutschland gefertigtes Maschinenteil kaufen, wenn er es im eigenen Land nicht verschrauben könnte?

Normen sind keine Gesetze. Sie sind Empfehlungen. Es ist jedem Unternehmen freigestellt, sich an eine Norm zu halten. Die Normen helfen Unternehmen und Organisationen, ihre Produktion und Arbeitsabläufe aufeinander abzustimmen. Sie dienen auch dazu, internationale Handelsbarrieren abzubauen.

Ein Beispiel: Der USB-Anschluss am Computer ist überall auf der Welt gleich. Wer ein Smartphone oder eine Digitalkamera benutzt, kann diese an jeden Rechner anschließen, ob in Deutschland oder in Japan. Die Schnittstelle ist normiert.

Normen sind eine Art Sprache der Wirtschaft. Es gibt sogar eine Norm für den Begriff Norm: die DIN EN 45020. Sie ist wie folgt definiert: "Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt".

Die Industrienormen in Deutschland werden erstellt und verwaltet vom Deutschen Institut für Normung in Berlin, kurz DIN genannt. Das DIN ist keine Behörde, sondern ein eingetragener Verein, der von Firmen, Ministerien, Handels-, Handwerks- und Wissenschaftsverbänden finanziert wird. Privatpersonen können kein Mitglied sein.

Hauptaufgabe des DIN ist es, im Auftrag der Wirtschaft verlässliche Standards zu formulieren, die alle Beteiligten akzeptieren. Die Standards müssen zeitgemäß und sicher sein und sich wirtschaftlich umsetzen lassen. Das DIN kann keine Normen diktieren, sondern nur Entscheidungen veröffentlichen, die im Konsens gefasst worden sind.

Eine Fahne mit der Aufschrift "DIN" auf dem Dach des Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) in Berlin

Logo des Deutschen Instituts für Normung

Normen: Einheitliche Standards für die Wirtschaft

Das DIN vertritt im Auftrag der Bundesregierung die Wirtschaftsinteressen Deutschlands, wenn es darum geht, Normen auf europäischer oder internationaler Ebene zu finden.

Für einheitliche Standards in Europa ist das Europäische Komitee für Normung (CEN) mit Sitz in Brüssel zuständig. Um weltweit einheitliche Normen kümmert sich die Internationale Organisation für Normung (ISO) in Genf. Der ISO gehören 163 Länder an.

Das DIN in Berlin überträgt die europäischen Normen (EN) und die internationalen Standards (ISO) in den deutschen Normenkatalog. Es sorgt auch dafür, dass die deutschen Normen im Ausland Beachtung finden. Will eine Firma in Deutschland das EN- oder das ISO-Siegel beziehen, muss sie sich an das Deutsche Institut für Normung wenden.

Notdienst-Abzocke Sanitär

Die Rohre passen dank Norm aneinander

Normen ändern sich ständig

Pro Jahr werden etwa 2500 neue und überarbeitete Normen veröffentlicht. Etwa 32.500 DIN-Normen gibt es zurzeit. Jede von ihnen wird alle fünf Jahre überprüft und gegebenenfalls angepasst, wenn sich die Technik geändert hat. Internationale und europäische Normen, die das DIN übernimmt, fließen ins deutsche Normenwerk mit ein – viele der DIN-Normen sind daher im Ausland anerkannt.

Wenn eine Norm sowohl in Deutschland als auch in Europa gültig ist, erhält sie den Zusatz DIN EN. Wenn ein Standard sowohl in Deutschland als auch international anerkannt ist, dann lautet der Zusatz DIN ISO. Und wenn sowohl das DIN als auch das CEN und die ISO eine Norm anerkennen, erhält diese den Zusatz: DIN EN ISO. Nur etwa ein Sechstel aller DIN-Normen sind heute nur in Deutschland gültig.

Das Deutsche Institut für Normung sitzt seit seiner Gründung 1917 in Berlin. Damals hieß es noch Normenausschuss der deutschen Industrie (NADI). 1918 erschien die erste DIN-Norm, die "DIN 1 Kegelstifte". Zwei Jahre später wurde das DIN-Siegel als Warenzeichen patentiert. 1922 wurde das berühmte Papierformat DIN EN ISO 216, ehemals DIN 476, zum Standard. Es ist besser bekannt als DIN A4, DIN A5 und so weiter.

Weitere vier Jahre später gründete das DIN-Institut zusammen mit dem Verein Deutscher Ingenieure den Beuth-Verlag. Er druckt, vertreibt und verkauft bis heute die Normenbroschüren für die Industrie und finanziert dadurch zu einem Großteil die Arbeit des Instituts.

Der Jahresetat liegt bei knapp einhundert Millionen Euro. Die Kosten für die rund 28.000 Experten aus Industrie und Wissenschaft sind darin nicht enthalten. Diese beziehen ihre Gehälter von ihren Auftraggebern und arbeiten auf deren Rechnung in den Normungsgremien mit. Summiert man die externen Ausgaben und den Jahresetat, so liegt der Etat bei fast einer Milliarde Euro.

Handyfoto mit Stecker

Eine EU-Norm beendete das Chaos unter den Ladekabeln von Smartphones

Normen dienen dem Verbraucherschutz

DIN-Normen prägen maßgeblich die Funktion, Sicherheit und Qualität von Produkten. Sie beeinflussen somit auch indirekt unseren Alltag. Die Verbraucher können und sollen deshalb die Normungsprozesse mitbestimmen. Sie werden beim DIN durch den Verbraucherrat vertreten.

Diesem gehören Mitarbeiter der Verbraucherzentralen, der Stiftung Warentest, der Hausfrauenverbände, Hochschulen, Prüfinstitute und anderer verbrauchernaher Organisationen an. Sie alle arbeiten ehrenamtlich und werden vom Verbraucherrat je nach ihrem Spezialgebiet in die nationalen, europäischen und internationalen Normungsgremien entsandt.

Normen können die Rechtsprechung beeinflussen, auch wenn sie keine Gesetze sind. Sobald sie in Verträgen, Gesetzen oder Verordnungen zitiert werden, gelten sie als verbindlich. Das trifft auch dann noch zu, wenn die zitierte Norm längst vom DIN geändert oder sogar aus dem Verkehr gezogen wurde. Man kann deshalb auch nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass Normen immer dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.

Um Missverständnisse bei Rechtsstreitigkeiten zu verhindern, weist der deutsche Anwaltsverein seine Mitglieder immer wieder darauf hin, dass Normen per se keine rechtsverbindlichen Vorschriften sind, sondern nur rein technische Empfehlungen. Erst wenn sich eine DIN-Norm über lange Zeit im Alltag bewährt hat und von Fachleuten anerkannt wird, kann man sich bei einem Rechtsstreit auf sie berufen.

(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 15.01.2019)

Quelle: WDR

Darstellung: