Das Atomium in Brüssel mit einer Parkanlage im Vordergrund.

Metropolen

Brüssel

Brüssel ist die Hauptstadt Europas – mit dem Charme eines Dorfes und dem kulturellen Angebot einer Großstadt. Brüssel hat so viele Gesichter, dass man etwas Zeit mitbringen sollte, um die Stadt wirklich kennenzulernen.

Von Christine Buth

Eine Hauptstadt aus vielen

Brüssel ist ständig in den Medien. Allerdings geht es dabei fast nie um die Stadt selbst, sondern um die Politik, die dort gemacht wird. Denn Brüssel ist die Hauptstadt der Europäischen Union (EU) – und gleichzeitig auch die Hauptstadt von Belgien und von Flandern.

Dabei ist Brüssel nicht einfach eine Stadt. Nein, 19 selbstständige Städte sind Brüssel: Schaerbeek, Etterbeek, Ixelles und so weiter.

Jede Stadt hat einen eigenen Bürgermeister, ein eigenes Rathaus, eigene Märkte, Ausgehviertel und Shoppingmeilen. 19 Städte in einer, und jede Stadt hat ihren ganz eigenen Charakter. So ist Brüssel: abwechslungsreich und manchmal ziemlich verwirrend.

Brüssel aus der Vogelperspektive: In der Bildmitte der Jubelpark mit Triumphbogen, zu den Seiten breiten sich die Häuser aus.

Kein Viertel ist wie das andere

Belgisch – europäisch – international

Brüssel hat etwa 1,2 Millionen Einwohner. Jeder zehnte Einwohner Belgiens lebt hier. Aber mehr als 30 Prozent der Brüsseler sind keine Belgier. Die Stadt wurde schon von den Franzosen, den Niederländern, den Österreichern und den Deutschen regiert. Und die Belgier selbst herrschten als Kolonialmacht in Zentralafrika.

Brüssel wird also schon lange von vielen unterschiedlichen Kulturen geprägt. Heute sind es die EU und die NATO (North Atlantic Treaty Organization), die dafür sorgen, dass sich hier Menschen aus aller Welt begegnen.

In der Stadt hört man so viele verschiedene Sprachen, dass man manchmal nicht sicher ist, in welcher man sich selbst versuchen soll. Im Europaviertel ist Englisch die Sprache, die immer verstanden wird. Die offiziellen Amtssprachen sind Französisch und Flämisch. Das Flämische ist allerdings nur für wenige Bewohner Muttersprache.

Brüssel ist eine französische Sprachinsel mitten im flämischen Teil von Belgien. Damit alle zu ihrem Recht kommen, sind die Beschilderungen in Brüssel seit 1932 zweisprachig: alle Stadtteile, U-Bahn-Stationen und Bahnhöfe tragen jeweils einen französischen und einen flämischen Namen.

Zweisprachiges Straßenschild: Rue de la Querelle oder Krakeel Straat.

Sogar die Schilder sprechen zwei Sprachen

Von allem etwas und das überall

Alt, neu, arm, reich – in Brüssel liegt alles eng beisammen. Anders als in den meisten Großstädten gibt es kaum Hochhaussiedlungen am Stadtrand, in die alle Armut verbannt wird. Das bedeutet aber auch: Die sozialen Brennpunkte liegen mitten in der Stadt und sind für alle sichtbar. Eine Brüsseler Besonderheit, die Touristen immer wieder irritiert.

In den vergangenen Jahren hat jedoch auch in Brüssel der Verdrängungsprozess begonnen. Weil die Neubrüsseler aus ganz Europa gerne mitten in der Stadt wohnen, steigen die Mieten im Zentrum. So werden manche Viertel für ihre ursprünglichen Bewohner nach und nach unerschwinglich.

Wie kontrastreich Brüssel ist, kann man bei einem Stadtrundgang erleben oder ganz einfach von oben sehen. Brüssel liegt auf sieben Hügeln und bietet deshalb besonders viele Aussichtspunkte. Von oben sieht man auch, was Brüssel fehlt – ein Fluss. Alle großen europäischen Städte haben einen Fluss. Nur Brüssel nicht.

Wirklich nicht? Doch, auch Brüssel hat einen Fluss, die Senne. Die ist allerdings unsichtbar. 1863 wurde der Fluss nämlich begradigt, unter die Erde verlegt und anschließend zubetoniert, weil er sich durch das rasante Wachstum der Stadt in eine Kloake verwandelt hatte. Eine Kloake ist die Senne auch geblieben, sie dient heute als Abwasserkanal.

Passage in der Altstadt von Brüssel.

Passage in der Altstadt von Brüssel

Brüsselisierung

Brüssel war sowohl im Ersten Weltkrieg als auch im Zweiten Weltkrieg deutsch besetzt. Anders als viele andere belgische Städte, wie Ypern und Wervick, wurde es jedoch kaum zerstört. Trotzdem hat Brüssel heute viele graue Ecken dort, wo einmal prächtige Häuser aus der Gründerzeit standen.

In den 1960er-Jahren wurden viele Architekturdenkmäler zerstört und durch platzsparende effiziente Hochhausbauten ersetzt. Appartementblocks entstanden, übergroße Verwaltungsgebäude, auch die modernen Hochhäuser, die heute EU-Institutionen beherbergen.

Modernitätseuphorie und der Wunsch nach einer "autogerechten Stadt" haben Brüssel an manchen Ecken ein Gesicht gegeben, das man "großstädtisch" nennen kann, aber eher nicht "schön". Abrisswut auf Kosten des Stadtbildes – im Vokabular von Städteplanern heißt das heute manchmal kurz und wenig schmeichelhaft "Brüsselisierung". Doch viele Jugendstil-Gebäude sind bis heute erhalten.

Hochhäuser stehen am Bahnhof Gare du Nord dicht an dicht.

Zweckbauten aus Glas und Beton

Brüssel – eine Wohlfühlstadt

Ob Brüssel wirklich das Herz Europas ist, wie die Tourismusindustrie behauptet, oder ob hier nur die Verwaltung sitzt, darüber kann man streiten. Fest steht: Die Stadt an der unsichtbaren Senne ist nicht die schönste der Welt. Aber sie ist sehr lebendig und macht es Bewohnern und Besuchern leicht, sich wohlzufühlen.

Brüssel hat Charakter – und der ist an jeder Straßenecke anders. Auch die Häuserschluchten im Europaviertel enden irgendwann in einem Park, denn Brüssel hat mehr als 8000 Hektar Grünfläche. Außerdem gibt es weit mehr als 2000 Restaurants, die beim Wohlfühlen helfen. Vor allem bei Regen, denn auch davon gibt es in Brüssel recht viel.

Das Foto zeigt eine enge mittelalterliche Gasse, in der sich ein Restaurant an das andere reiht.

Der "Bauch von Brüssel" in der Altstadt

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 25.03.2019)

Quelle: WDR

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