Ein Zollmitarbeiter hält ein Auto zur Zollkontrolle an

Globaler Handel

Was sind Zölle und warum gibt es sie?

Wer Waren aus einem Land außerhalb der Europäischen Union kauft, muss dafür ab einem bestimmten Warenwert einen Preisaufschlag oder Zoll bezahlen. Warum eigentlich? Zölle gibt es schon seit der Antike, und sie dienen seitdem unterschiedlichen Zwecken.

Von Carsten Günther

Zölle – Abgaben an die Staatskasse

Der Begriff "Zoll" leitet sich aus dem spätgriechischen "telos" (Ziel, Grenze, Zahlung) und dem spätlateinischen Wort "teloneum" (Abgabe) ab. Heute sind damit Gebühren gemeint, die erhoben werden, wenn man Waren von einem Land in ein anderes einführt.

Zölle gelten meist als Handelsbarrieren oder Handelshemmnisse. Das heißt, sie stehen dem freien Austausch von Waren im Wege. Doch für Staaten sind Zölle auch eine wichtige Geldquelle.

Die deutsche Zollverwaltung nimmt jährlich mehr als 100 Milliarden Euro ein. Der größte Teil davon entfällt aber auf Steuern wie die Kraftfahrzeug-, Energie-, Tabak- oder Alkoholsteuer. Denn auch dafür ist die Zollverwaltung zuständig.

Nur rund fünf Milliarden Euro kommen direkt durch die erhobenen Handelszölle. Diese klassischen Zolleinnahmen werden an die Europäische Union weitergeleitet, denn Deutschland ist Teil des EU-Binnenmarktes, in dem ein einheitliches Zollrecht gilt.

Im Laufe der Geschichte gab es verschiedene Formen von Zöllen: Wege- oder Passierzölle, Geleitzölle, Schutzzölle, Einfuhrzölle oder ähnliche Formen von Abgaben.

Wegezoll – Straßenbenutzung gegen Gebühr

Im Altertum hatten Zölle eine andere Funktion als heute. Damals ging es noch nicht darum, die Einfuhr von Waren zu kontrollieren. Die vermutlich älteste Form von Zöllen sind "Passierzölle" oder "Wegezölle". Im Römischen Reich bezahlten Reisende eine Gebühr, um ausgebaute Straßen oder Brücken benutzen zu dürfen. Dafür wurden die Wege in gutem Zustand gehalten. Zollstationen gab es an wichtigen Pässen, Straßenkreuzungen, Flussübergängen und in den Häfen.

Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands wurden im ersten Jahrhundert nach Christus zum ersten Mal Zölle erhoben. Damals hatten die Römer das Untermaingebiet und die Regionen zwischen Rhein und Donau erobert. Um das Gebiet zu schützen, errichteten sie eine befestigte Grenze, wie sie zuvor schon entlang des Rheins bestand: den Limes. An seinen Übergangsstellen richteten sie Zollstationen ein, an denen der Personen- und Warenverkehr kontrolliert wurde.

Im Mittelalter wurden neue Formen von Zöllen erfunden. Städte, Fürsten und Staaten erhoben Gebühren für den Zutritt zu ihrem Hoheitsgebiet oder zu bestimmten Märkten.

Neben den Passierzöllen führten sie zum Schutz des Warentransports "Geleitzölle" ein. Damit erhielten die Kaufleute sicheres Geleit durch die Zöllner, wurden vor Überfällen geschützt und die Landes- und Stadtherren konnten sich zusätzliche Einnahmen sichern.

Historisches Gemälde, das eine mittelalterliche Zollstation bei Hannover zeigt

Mittelalterliche Zollstation am Döhrener Turm bei Hannover

Einfuhrzoll – eine Geldquelle für Fürsten und Könige

Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich eine weitere Form des Zolls durch: der "Schutzzoll" oder auch "Einfuhrzoll".

In vielen europäischen Ländern regierten damals absolutistische Herrscher, die uneingeschränkte Macht über ihr Land hatten und in großem Luxus lebten. Ihr verschwenderischer Lebensstil und das Militär verschlangen Unmengen an Geld. Daher brauchten sie ein Mittel, um ihre Einnahmen zu sichern und die heimische Wirtschaft gegen fremde Konkurrenz zu schützen. Durch die Schutzzölle wurden auswärtige Waren teurer, so dass die heimischen Waren leichter verkauft werden konnten.

Dies wird das Zeitalter des "Merkantilismus" genannt – vom lateinischen "mercator" (der Kaufmann) und dem französischen "mercantile" (kaufmännisch).

Auf deutschem Gebiet war die Situation komplizierter. Ein einheitliches Deutsches Reich gab es bis weit ins 19. Jahrhundert nicht, sondern einen Flickenteppich von mehr als 300 Klein- und Mittelstaaten, in denen Stadt- und Landesfürsten herrschten.

Diese Kleinstaaterei führte dazu, dass die Waren durch die vielen Zölle immer teurer wurden, was auf Dauer allen Seiten schadete. Zeitweise gab es auf deutschem Gebiet etwa 1800 verschiedene Zollstellen. Wer Anfang des 19. Jahrhunderts beispielsweise von Köln nach Königsberg reiste, musste 80 Mal seine Waren kontrollieren lassen.

Um das Problem zu lösen, schlossen sich 1834 die meisten deutschen Kleinstaaten zum Deutschen Zollverein zusammen. Sie beschlossen, die Zölle untereinander abzuschaffen. Somit konnten Waren frei von einem Staat zum anderen transportiert werden – eine frühe Form eines einheitlichen, zollfreien Binnenmarktes. Nur nach außen erhob der Deutsche Zollverein weiterhin Schutzzölle.

Karte des Deutschen Zollvereins von 1834

Der Deutsche Zollverein schuf 1834 zum ersten Mal einen zollfreien deutschen Wirtschaftsraum

Freihandel – zollfreier Handel ohne Schranken

Das Prinzip des Merkantilismus besteht darin, möglichst viele Waren in andere Länder zu verkaufen und gleichzeitig Importe zu verbieten oder mit hohen Zöllen zu belegen. Doch das bringt auch Probleme mit sich. Wenn alle Staaten nur exportieren und niemand importiert, besteht die Gefahr, dass der Handel insgesamt zusammenbricht.

Zwei britische Ökonomen suchten im ausgehenden 18. Jahrhundert einen Ausweg: Adam Smith und David Ricardo. Sie sahen im Merkantilismus eine Gängelung der Wirtschaft durch den Staat und entwickelten die Theorie des "Freihandels".

Der Schotte Adam Smith schrieb im Jahr 1776 das Buch "Der Wohlstand der Nationen". Darin stellte er die Theorie auf, dass es am besten wäre, wenn jedes Land sich auf diejenigen Produkte spezialisiert, die es günstiger und schneller als andere herstellen kann.

Porträt des schottischen Ökonomen Adam Smith

Vordenker des Freihandels: der schottische Ökonom Adam Smith

Damit der Wohlstand aller Länder steigt, sollten alle Handelshemmnisse, wie zum Beispiel Zölle, wegfallen – daher der Begriff Freihandel. Als Beispiel nannte Smith den französischen Wein, der in England sehr teuer war, da er mit hohen Importzöllen belegt wurde.

Adam Smith, schottischer Nationalökonom (Todestag 17.7.1790)

WDR ZeitZeichen 17.07.2015 Verfügbar bis 14.07.2025 WDR 5


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Der Londoner Wirtschaftswissenschaftler David Ricardo vertrat eine ähnliche Ansicht: Wenn etwa Portugal kostengünstiger Portwein herstellen könne als Großbritannien, und umgekehrt die Briten bei der Tuchproduktion produktiver seien, dann sollten beide Länder nur diese Waren herstellen, bei denen ihr Vorteil am größten ist. Nach dieser Idee würden alle Staaten vom Freihandel profitieren. Heute würde man von einer "Win-Win-Situation" sprechen.

In Großbritannien wurde "Free Trade" zu einem allgemein anerkannten wirtschaftlichen Grundsatz. 1860 beschlossen die Briten, alle Zölle im Handel mit anderen Ländern abzuschaffen. Nur einige wenige Luxusgüter wie Tabak, Tee, Bier oder Wein blieben davon ausgenommen.

Sie fanden aber einen anderen Weg, um ihre eigenen Waren vor der Konkurrenz zu schützen: Da vor allem deutsche Unternehmer hochwertige britische Produkte in schlechter Qualität kopierten, beschloss die britische Regierung 1887, dass deutsche Produkte von nun an mit dem Schriftzug "Made in Germany" versehen sein mussten. Dies war aber alles andere als ein Qualitätssiegel, sondern eher eine Warnung an die britischen Kunden, dass sie es hier mit minderwertigen ausländischen Waren zu tun hatten.

Protektionismus – der Schutz der eigenen Wirtschaft

Die Idee des Freihandels blieb außerhalb Großbritanniens lange Zeit nur blanke Theorie. In der Praxis setzten die meisten Europäer und die Amerikaner bis ins 20. Jahrhundert weiterhin auf Schutzzölle. Im Zeitalter der Industrialisierung schien es ihnen zunächst wichtiger, die eigene Wirtschaft zu entwickeln, als das Experiment des Freihandels auszuprobieren. Es begann die Epoche des "Protektionismus", vom lateinischen "protectio" (Schutz).

Das Ergebnis war ein internationaler Zoll-Wettlauf, der 1930 einen Höhepunkt erreichte und den Welthandel fast zum Erliegen brachte. Damals erhöhten die USA mit dem "Smoot-Hawley Tariff Act" die Zölle für mehr als 20.000 Produkte aus der ganzen Welt dramatisch. In der Weltwirtschaftskrise, die ab 1929 die Welt bedrohte, wollten sie so die amerikanische Wirtschaft retten. Als Reaktion darauf erhöhten auch andere Staaten ihre Einfuhrzölle.

Auch in jüngerer Zeit, während der Amtszeit des US-Präsidenten Donald Trump (2017-2021), kam der Begriff des Protektionismus wieder vermehrt ins Gespräch. Um die US-amerikanische Wirtschaft zu schützen, verhängte Trump Zölle auf mehr als 1300 Importwaren aus China, aber auch aus EU-Staaten: neben Stahl und Aluminium beispielsweise auf Schuhe, Hosen, Fernseher, Windeln und vieles mehr.

Neben einem Schild mit dem durchgestrichenen Wort Freihandel steht ein Schild mit dem Wort Protektionismus

US-Präsident Donald Trump bevorzugte den Protektionismus

Die Europäische Union – von der Zollunion zum gemeinsamen Binnenmarkt

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die Idee des Freihandels weiter durch. In Europa erkannte man bald die Notwendigkeit, dass die Staaten politisch und wirtschaftlich zusammenarbeiten, um weitere Kriege in Zukunft zu verhindern.

Mit der Gründung der Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im März 1957, dem Vorläufer der heutigen Europäischen Union (EU), stellten die Staatschefs von Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland die Weichen für einen Wirtschaftsraum ohne Grenzen, in dem Waren ungehindert ausgetauscht werden können.

1968 gingen sie einen Schritt weiter und gründeten die Europäische Zollunion. Damit erklärten sich die Mitgliedstaaten bereit, ihre nationalen Zölle und Handelsbeschränkungen abzuschaffen und einen gemeinsamen Zolltarif für Waren aus anderen Ländern festzusetzen, die nicht der EWG angehörten.

Mit der Einführung des "Europäischen Binnenmarktes" fielen 1993 die letzten Hindernisse im einheitlichen Wirtschaftsgebiet der Europäischen Union. Der Warenverkehr innerhalb der EU ist seitdem frei von sämtlichen Beschränkungen.

Das bedeutet, Zölle werden auf Waren von Ländern außerhalb der EU entrichtet, wenn diese erstmals in die EU eingeführt werden. Ab dann ist nichts mehr zu zahlen und es gibt keine Kontrollen mehr. Damit ist die Europäische Union der größte zollfreie Wirtschafts- und Handelsraum der Welt.

Konrad Adenauer und andere europäische Staatschefs unterschreiben 1957 die Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)

1957 wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet

Freier Welthandel – ein Gewinn für alle?

Auch weltweit setzte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Forderung nach einer Liberalisierung durch, also nach einer Befreiung des Handels. Die Befürworter dieser Idee vertreten die Ansicht, damit werde der Wohlstand aller Länder steigen.

Das "General Agreement on Tariffs and Trade" (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen, GATT) von 1947 war der erste internationale Freihandelsvertrag. Er hatte das Ziel, den weltweiten Warenverkehr ohne Zölle und sonstige Handelsschranken auszuweiten. Nach einer seiner Regeln darf ein Land zwar Zölle erheben, diese aber nicht mehr erhöhen, sondern nur noch senken. Mit der Gründung der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) 1995 fand die Idee des Freihandels ihren bisherigen Höhepunkt.

Kritiker weisen aber darauf hin, dass meist nur die großen Industrieländer vom Freihandel profitieren. Sie sagen, der freie globale Handel habe in manchen Fällen die Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern sogar noch verstärkt. Multinationale Firmen breiteten sich immer weiter aus, wodurch die wirtschaftliche Entwicklung in den ärmeren Ländern gebremst werde.

Tatsächlich werden viele Entwicklungsländer mit industriell hergestellten Billigprodukten überflutet. In der Folge gehen viele ihrer eigenen Industriezweige zugrunde. In manchen afrikanischen Ländern ist zum Beispiel die Geflügelproduktion in den vergangenen 20 Jahren komplett zusammengebrochen, da seit Jahren in großen Mengen Hähnchen zu Niedrigpreisen aus den USA und der Europäischen Union importiert werden.

Aus diesen Gründen standen auch die großen internationalen Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA in den vergangenen Jahren häufig in der Kritik. Manche Menschen befürchten, dass die großen Konzerne solche Abkommen nutzen wollen, um ihren wirtschaftlichen Einfluss zu vergrößern.

Ein Marktstand mit verschiedenen Hähnchenteilen

Auf afrikanischen Märkten werden auch Hähnchenteile aus der EU verkauft

(Erstveröffentlichung 2021. Letzte Aktualisierung 09.11.2021)

Quelle: WDR

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