Grafik mit technischen Geräten (Computer, Tablet, Smartphone), die miteinander verknüpft sind.

Stadtentwicklung

Müssen große Städte zu "Smart Cities" werden, um lebenswert zu bleiben?

Fortschrittlicher, grüner, ökologischer, effizienter: Nur wenn Städte so werden, bleiben sie auch bei wachsender Bevölkerung lebenswert, so die Theorie. Doch in der Praxis ist der Weg dorthin weit – und nicht frei von Nebenwirkungen.

Von Frank Drescher

Smarte Technologien sollen den Alltag erleichtern

Wer mit der App seines örtlichen Verkehrsverbundes den schnellsten Weg von A nach B sucht und vielleicht auch gleich ein elektronisches Ticket bezahlt, kann schon jetzt einen Teil von dem erleben, was eine Smart City ausmachen kann. Bus- und Bahnbenutzer ersparen sich so lange Wartezeiten und leisten einen Beitrag zur Umweltentlastung.

Zugleich hinterlassen sie eine Datenspur. Im besten Fall hilft die dem Verkehrsverbund bei der Verbesserung seines Angebots. Im schlimmsten Fall entstehen Bewegungsprofile, die in unbefugte Hände geraten können.

Mit dem Begriff "Smart City" sind eine ganze Reihe von Stadtentwicklungsstrategien versehen, bei denen vernetzte Technologien dazu dienen sollen, knappe Ressourcen effizienter einzusetzen. Beispiele für "Smart City"-Anwendungen gibt es in Verwaltung und Politik, wenn etwa die Bürger Behördengänge oder Petitionen online abwickeln können.

Es gibt sie auch in der Wirtschaft: Car- und Bikesharing-Anwendungen etwa, bei denen die Nutzer mit dem Smartphone das nächste freie Auto oder Elektrofahrrad finden und nur für die Dauer der Nutzung bezahlen, sind ein Beispiel für "Smart City"-Anwendungen aus der Wirtschaft.

In Südkorea etwa ist mit der Musterstadt "Songdo City" eine vollvernetzte Smart City entstanden, bei der Unmengen von Sensoren das Leben der Bewohner genauestens erfassen.

Smart City Songdo City

Planet Wissen 18.03.2020 01:59 Min. Verfügbar bis 18.03.2025 SWR

"Masdar City" – energieeffiziente Stadt

Auch die Vereinigten Arabischen Emirate haben mit der völlig neu entstehenden "Masdar City" ein Projekt geplant. Sie befindet sich seit 2008 im Bau und soll einmal mit 25 Prozent des in den Emiraten üblichen Energiebedarfs auskommen.

Ursprünglich gab es auch die Idee, dass Masdar City frei von CO₂-Emissionen werden soll. Doch davon hat der zuständige Planungs-Chef schon 2016 öffentlich Abstand genommen. Und dem Vernehmen nach verzögert sich auch die Fertigstellung um mindestens fünf Jahre, bis 2030. Immerhin ist bei allen Gebäuden die derzeit maximal mögliche Energie-Effizienz geglückt.

Damit versinnbildlicht Masdar City auch anschaulich, was passiert, wenn hochtrabende "Smart City"-Visionen auf die Realität treffen. Und auch wenn maximal energieeffiziente Gebäude in neu geschaffenen Städte entstehen, stellt sich die Frage, was mit den vorhandenen in den bestehenden Städten passieren soll.

Der vielerorts in Europa beschrittene Weg der Wärmedämmung zur Energieeinsparung etwa hat sich oft als umweltschädlicher, unwirtschaftlicher und zudem feuergefährlicher Irrweg erwiesen.

Bei der Planung des Städtebaus Masdar City

Masdar City soll frei von CO₂-Emissionen werden

Smarte Vernetzung – ein Aspekt auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

Auch Anwendungen aus der "Sharing Economy" sind in die Kritik geraten, wie beispielsweise das "Flatsharing": Anbieter wie AirBnB sehen sich vielerorts dem Vorwurf ausgesetzt, zur Verknappung von Wohnraum beizutragen, weil Immobilieneigentümer mit der kurzzeitigen Vermietung an Touristen mehr verdienen können als mit einheimischen Stadtbewohnern.

Auch der demographische Wandel gehört zu den Fragen, für den es smarte Ansätze in der Stadtentwicklung gibt. In Friedrichshafen hat die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit einem großen Telekommunikationskonzern ab 2007 für flächendeckende Breitband-Datenverbindungen per Leitung und per Mobilfunk gesorgt, sodass auch telemedizinische Anwendungen möglich wurden. Ältere Menschen können so etwa ihren Blutdruck zu Hause messen, und ihr Apparat überträgt die Werte online zur Arztpraxis.

"Solche Dinge funktionieren ganz gut", sagt Stadtplanerin Dita Leyh. Für sie ist die flächendeckende Vernetzung der Städte nur ein Teil der Lösung, unsere Städte im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz smart zu machen.

Und auch sie sieht unerwünschte Nebeneffekte, etwa bei Verkehrsleitsystemen. Denn bei ihnen könne es passieren, dass sie den Verkehr von der verstopften Umgehungsstraße ins Wohngebiet leiten, wo er wieder die Anwohner stört, die sich für die Umgehungsstraße stark gemacht haben.

Auch bei den Müllsensoren, die in der koreanischen Smart City Songdo für eine effizientere Routenplanung der städtischen Müllabfuhr sorgen sollen, sieht Dita Leyh eine Kehrseite: "Oft wird der soziale und der menschliche Aspekt vergessen. Man möchte ja vielleicht auch nicht überall kontrollierbar sein, und das entsteht natürlich noch viel mehr durch diese Smart Cities, wenn alles vernetzt ist, wenn überall Sensoren sind und Kameras".

Dabei könnten Stadtplaner auch mit viel einfacheren Maßnahmen die Städte umweltfreundlicher und lebenswerter machen, etwa über den Aufbau der Baustruktur: "Wenn ich die Gebäudetypologien so anordne, dass ich gerne zu Fuß gehe und öffentliche Räume schaffe, die einladend sind, muss ich vielleicht nicht das Auto nehmen, sondern laufe gerne durch die Stadt", sagt sie. Solche Lösungen haben gegenüber komplexer Informationstechnologie auch noch einen schlagenden Vorteil: Sie sind weitgehend immun gegen Hackerangriffe.

Quelle: SWR | Stand: 10.11.2021, 11:00 Uhr

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