Stadtansicht von Moskau: im Vordergrund eine Kirche mit goldenen Zwiebeltürmen, im Hintergrund Hochhäuser.

Osteuropa

Moskau

Höher und höher scheinen die Wolkenkratzer in Moskau zu wachsen. Die russische Hauptstadt und ihre Superreichen streben nach Superlativen. Aber zu Moskau gehört auch ein Leben im Plattenbau. Denn Wohnraum ist hier knapp und teuer.

Von Martina Schuch

Spuren einer wechselvollen Geschichte

Mit seinen etwa 15 Millionen Einwohnern im Großraum ist Moskau die größte Stadt Russlands, etwa 150.000 Neubürger kommen jährlich dazu. 1147 wurde Moskau erstmals in einer Chronik erwähnt. Im 15. Jahrhundert mauserte es sich zur Hauptstadt des Russischen Reiches.

Zwar wurde 1712 St. Petersburg zur Hauptstadt, 1918 ging der Titel aber wieder an Moskau zurück. Im Zentrum der Metropole steht der Kreml. Hier saßen und sitzen die Herrscher Russlands: Zaren, Kommunisten, Präsidenten. Die verschiedenen Epochen haben ihre Spuren hinterlassen.

1812 fiel der französische Kaiser Napoleon Bonaparte in Moskau ein. Im Zuge der Besetzung zerstörte ein großer Brand weite Teile der Stadt. Moskau wurde im russischen Empire-Stil wieder aufgebaut, der sich durch geradlinige Formen mit dekorativem Charakter auszeichnet. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts drückten reiche Kaufleute mit ihren Villen der Stadt ihren Stempel auf, später entstanden viele Jugendstilbauten.

Historische Postkarte von Moskau um das Jahr 1900 mit drei Kirchen im Bild.

Moskau um 1900: Nur wenige Bauten ragen in den Himmel

Zu Sowjetzeiten zog mit Diktator Josef Stalin das Terrorregime in Moskau ein. Es war die Zeit der Verhaftungen und Hinrichtungen. Stalin wollte die Metropole in den 1930er-Jahren mit seinem "Generalplan der Rekonstruktion der Stadt Moskau" auch architektonisch prägen und so auf das rasante Wachstum reagieren.

Das Metro-System wurde aufgebaut und Straßen vergrößert, imposante Repräsentationsgebäude entstanden, Neubauten wuchsen in den Himmel. Kirchen wurden niedergerissen, ebenso andere Bauwerke des alten Moskaus. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und den entbehrungsreichen 1990er-Jahren hat sich Moskau heute zu einer Metropole von Weltrang entwickelt.

Stadt der Superlative

Moskau gehört zu den teuersten Städten der Welt. Die Stadt erlebt einen gigantischen Bauboom. Sogar das höchste Gebäude Europas mit dem patriotischen Namen "Rossija" (Russland) sollte hier entstehen. Die Grundsteinlegung des 648 Meter hohen Gebäudes war für 2012 geplant. Doch wegen finanzieller Schwierigkeiten wird das eine Milliarde Euro teure Projekt nicht mehr fertiggestellt.

Moderner Wolkenkratzer mit Glasfront am Fluss Moskva. Im Hintergrund weitere moderne Hochhäuser.

Moskau erlebt einen Bauboom

Nur wenige Kilometer vom Kreml entfernt wird eine ganze Stadt in der Stadt aus dem Boden gestampft: Moscow City. Auf insgesamt 2,5 Millionen Quadratmetern wird an immer neuen Büros, Hotels und Luxusappartements gebaut. Standards oder Vorschriften gibt es kaum, ebenso wenig ein Konzept für das gesamte Moskau. Die Schattenseiten des Booms: der drohende Verkehrsinfarkt und eine hohe Umweltverschmutzung.

Die Expansion verschlingt Milliarden. Und die schlummern bei den Superreichen der Stadt. Während viele Russen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in ein soziales und finanzielles Loch fielen, haben einige wenige im Zuge der Privatisierung sehr viel Geld gemacht. Moskau besitzt eine enorme Wirtschaftskraft. Vetternwirtschaft und Korruption gelten jedoch als Dauerproblem.

Das Machtzentrum Moskau lockt die Reichen. Hier können sie zum Beispiel auch im "Turandot" speisen. Der historisch anmutende Gourmettempel mit Kristalllüstern, rotem Marmor und Wandgemälden gilt als das Restaurant mit dem weltweit kostspieligsten Interieur. Hier kann ein Fläschchen Wein auch schon mal umgerechnet 2000 Euro kosten.

Jenseits des Luxus'

Die meisten Moskauer können vom großen Luxus allerdings nur träumen. Ein Großteil wohnt in Hochhäusern. Gerade einmal zwölf Quadratmeter hat jeder Moskauer im Durchschnitt zur Verfügung. Die Quadratmeterpreise liegen so hoch, dass viele Moskauer sehr beengt mit mehreren Generationen zusammenleben.

Fensterfront eines Plattenbaus.

Der Großteil der Bevölkerung lebt nicht in luxuriösen Villen

Nicht nur der Wohnraum, auch die freie, kritische Meinungsäußerung ist in der russischen Hauptstadt eingeschränkt. Kritische Medien fristen ein Nischendasein. Mehrfach gab es Kritik vom Westen wegen Einschränkungen der Pressefreiheit und der Demokratie.

Noch immer, so die langjährige ARD-Korrespondentin Karla Engelhard, müsse man gehörig Mut haben, wenn man auf Moskaus Straßen demonstrieren oder Kritik äußern wolle.

Enthüllungsjournalisten gehen ein großes Risiko ein. Zum Beispiel die Moskauer Journalistin Anna Politkowskaja: Sie schrieb über Korruption, unterdrückte Meinungsfreiheit und Menschenrechtsverletzungen. Im Oktober 2006 wurde sie vor ihrer Moskauer Wohnung förmlich hingerichtet. Der Mord löste weltweit Bestürzung aus; Menschenrechtler, Kollegen und Politiker gingen von einem politisch motivierten Mord aus.

Kunstschätze und weltberühmte Bühnen

Moskau ist nicht nur politisches, sondern auch kulturelles Zentrum Russlands. Herausragende Kunstschätze finden sich hier. Zu den wohl bekanntesten Museen gehören das Puschkin-Museum mit westeuropäischen Werken und die Tretjakow-Galerie, die russische Kunst beheimatet.

Unter den etwa 30 Theatern der Stadt ist auch das Bolschoj-Theater mit seiner berühmten Opern- und Ballettbühne. Aber auch abseits der Weltkultur hat Moskau Schätze zu bieten: im Schachmuseum zum Beispiel oder im Metro-, Wodka- oder KGB-Museum.

Außenansicht der Tretjakow-Galerie.

In der Tretjakow-Galerie wird russische Kunst gezeigt

Allerdings bleibt auch die Kunstszene nicht unbehelligt von der Politik. Allzu hemmungslosen Kreativen droht in Moskau eine Anzeige, Entlassung oder Haft. Wer provokante Kunst ausstellen möchte, muss schon einigen Mut aufbringen. Zu den Mutigen gehört Igor Markin, einer von Moskaus Multi-Millionären. In seinem privaten Museum zeigt er zeitgenössische, auch umstrittene Kunst.

Eines seiner Bilder stammt von der Künstlergruppe "Blaue Nasen". Es zeigt zwei Polizisten im Birkenwald, versunken im Zungenkuss. Der ehemalige Kultusminister bezeichnete das Bild als "eine Schande für Russland".

Kein Grund für Markin, von seinem Vorhaben abzulassen. 2007 eröffnete er das erste Privatmuseum in Russland. In den 600 Quadratmeter großen Ausstellungsräumen werden vorwiegend Werke der russischen Avantgarde gezeigt.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 18.03.2020)

Quelle: WDR

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