Zugspitze

Alpen

Bergsturz – Beispiel Zugspitze

In den Alpen hat der Klimawandel massive, täglich beobachtbare Auswirkungen: Denn die Böden und die Felswände werden wärmer – und dadurch instabiler. Die Folge sind Fels- und Bergstürze.

Von Yvonne Maier

In den Alpen tauen die dauerhaft gefrorenen Böden, der sogenannte Permafrost. Der Hauptgrund dafür ist die Erderwärmung.

Aber nicht nur der Boden taut auf, sondern auch die Felswände, die oft vor allem durch Eis im Inneren zusammengehalten werden. Wird dieses Eis zu Wasser, destabilisiert sich unter Umständen der ganze Berg.

Durch das Auftauen der Permafrostböden verschwindet das Eis im Inneren der Berge, das Gestein und Geröll wie Mörtel zusammenhält. In die entstehenden Klüfte dringen Schmelz- und Regenwasser ein und setzen den Berg unter Druck.

Die enorme Sprengkraft der Wassermassen kann ganze Bergflanken absprengen, es kommt zum Bergsturz: Explosionsartig bricht ein Stück Berg auseinander und rast als gewaltige Geröll-Lawine ins Tal, angetrieben von den gespeicherten Wassermassen.

Bergsturzgelände

Bergsturzgelände

Energie wie 100 Atombomben

Die Zugspitze ist mit mehr als 2.900 Metern Deutschlands höchster Berg. Früher war sie noch höher – bis vor etwa 3.700 Jahren rund 300 Millionen Kubikmeter Gestein vom Gipfel stürzten.

Auf 15 Quadratkilometern verteilten sie sich, bis zum heutigen Garmisch-Partenkirchen. Die Felsblöcke pflügten das Tal um, unter der Grasnarbe stapeln sie sich heute bis zu 50 Meter hoch.

"Der Zugspitz-Bergsturz setzte beim Herunterfallen eine riesige Energie frei von Hunderten von Hiroshima-Bomben", sagt der Geologie-Professor Michael Krautblatter, der mit seinem Team von der TU München der Zugspitze seit Jahren auf den Zahn fühlt.

Das Eis taut

Planet Wissen 22.05.2019 04:39 Min. Verfügbar bis 22.05.2024 ARD-alpha

Ein neuer Bergsturz?

Ein solcher Bergsturz könnte bei der Zugspitze wieder vorkommen, denn das Eis im Inneren des Berges, der Permafrost, schmilzt. Ein ehemaliger Versorgungsstollen durch den Gipfel war zum Beispiel zum Ende des 20. Jahrhunderts noch komplett vereist, heute ist der Permafrost fast verschwunden. Doch das Eis hält die Felsmassen zusammen wie Mörtel eine Mauer. Schmilzt das Eis, zerfällt der Fels.

Schmelz- und Regenwasser können in die eisfreien Klüfte eindringen. Wenn sich die Wassermassen im Fels stauen und hohen Druck aufbauen, könnten ganze Bergflanken abgesprengt werden.

Eisfreier Stollen Zugspitze

Zugspitze: Der Stollen war früher komplett vereist

Den Berg wiegen

Mithilfe eines Gravimeters bestimmen die Wissenschaftler der TU München seit einigen Jahren die Masse der Zugspitze. Ihre Untersuchungen zeigen, dass diese schwankt: Bei Schnee- und Eisschmelze wird die Zugspitze leichter, bei Starkniederschlägen nimmt sie Wasser auf und wird schwerer.

Was die Forscher beim Vergleichen der Daten erschreckt: Insgesamt wird die Zugspitze immer schwerer. Irgendwo im Gipfelbereich scheint sich das Wasser zu stauen. Die Forscher gehen davon aus, dass die hohen Drücke den Fels unter Stress setzen.

Arbeit mit dem Gravimeter

Arbeit mit dem Gravimeter

Wasser als Schmiermittel

Die Felslawine an der Zugspitze vor rund 3.700 Jahren verbreitete sich viel weiter, als sich durch einen normalen Steinschlag erklären ließe. Irgendetwas hat einen Teil des herabstürzenden Gesteins so sehr mobilisiert, dass es bis nach Garmisch gelangte.

"Wir denken, ein Grund für diese Mobilisierung könnten Wasser und Schlamm sein", vermutet Michael Krautblatter.

Wasser wirkt als Schmiermittel für Erde, Sand und Gestein. Hänge können deshalb nach starken Regengüssen zu einer hochmobilen und zerstörerischen Masse werden.

Mit Stromimpulsen, die bis zu 70 Meter tief und mehrere Kilometer weit reichen, durchleuchten die Forscher den Boden. Tatsächlich entdeckten sie Hinweise auf Schlamm und Seesedimente im Untergrund, die das Ausmaß des Bergsturzes von einst erklären könnten.

Ziel: Frühwarnsystem

Die Forscher werden ihre Untersuchungen ausweiten. Ziel ist es, ein Überwachungs- und Frühwarnsystem zu schaffen, das einen erneuten Bergsturz vorhersagen kann. Falls ein derart großes Ereignis drohen würde, müssten Tausende von Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Bislang haben die Forscher keine Hinweise darauf. Kleinere Felspartien könnten sich in nächster Zeit sehr wohl ablösen. Die Zugspitze bleibt unter Beobachtung.

Quelle: BR | Stand: 10.12.2020, 16:06 Uhr

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