Die Katastrophe von Fukushima

Planet Wissen 01:52 Min. Verfügbar bis 12.06.2029 WDR Von ZDF/TerraX/Zeitsprung Pictures/Carl-Ludwig Paeschke/Studio Paeper/Michael Mueller/ https://terraxplaincommons.zdf.de

Atomenergie

Die Katastrophe von Fukushima 2011

Am 11. März 2011 erschütterten Nachrichten aus Japan die Welt: Zunächst bebte die Erde, dann brach ein Tsunami über die Ostküste Japans her. Die Folge war eine Atomkatastrophe im Kraftwerk Fukushima, 250 Kilometer von der Hauptstadt Tokio entfernt.

Von Katalin Vales und Mathias Tertilt

11. März 2011

Das stärkste je in Japan gemessene Erdbeben erschüttert das Land. Es zerstört auch die externe Stromzufuhr des Kernkraftwerks Fukushima. Die Kühlwasserpumpen müssen deswegen mit der Notstromversorgung betrieben werden.

Wenig später löst das Beben einen Tsunami aus. Seine riesigen Wellen zerstören auch noch die Notstromversorgung im Kernkraftwerk Fukushima. Nur für wenige Stunden können zusätzliche Notbatterien die Pumpen betreiben.

Eilig herbeigeschaffte mobile Notstromaggregate lassen sich nicht anschließen. Die Folge: Die Reaktorkühlung fällt gänzlich aus. Dadurch überhitzen die Reaktoren und unkontrollierbare Kernschmelzen drohen. Rund 2000 Bewohner im Umkreis von drei Kilometern werden in Sicherheit gebracht.

Ein Mann in Schutzkleidung überprüft mit einem Gerät die Strahlung von einer Mutter und ihrem Baby

Medizinisches Personal überprüft die Strahlenbelastung in einem Dorf nahe Fukushima

12. bis 18. März 2011

In drei Reaktoren des Kernkraftwerks Fukushima hat die Kernschmelze eingesetzt, was die Kraftwerksbetreiberfirma Tepco jedoch monatelang leugnen wird. Am 12. März werden alle Menschen im Umkreis von 20 Kilometern um das Kraftwerk aus der Zone herausgebracht.

Die Strahlung im Atomkraftwerk steigt auf das Tausendfache des Normalwerts. Mehrere Wasserstoffexplosionen beschädigen und zerstören in den nächsten Tagen die äußere Schutzhülle von insgesamt vier Reaktorblöcken. Radioaktive Partikel gelangen daraufhin in die Umwelt.

Weil manche Blöcke kaum noch gekühlt werden können, sollen am 17. März Hubschrauber Wasser in die beschädigten Blöcke leiten. Der Einsatz wird wegen der hohen Strahlenbelastung abgebrochen.

Erfolgreicher ist die äußere Kühlung mit Wasser aus Wasserwerfern und Löschfahrzeugen. Außerdem gelingt es, eine Notstromversorgung für die Kühlwasserpumpen in zwei Blöcken aufzubauen. Die Betreiberfirma Tepco spricht davon, die Lage bald unter Kontrolle bringen zu können. Kritiker bezweifeln das. Die Arbeiter kämpfen mit extremer Strahlung und Hitze.

Ein Stoppschild, im Hintergrund das Kernkraftwerk Biblis in Hessen

Die deutsche Regierung nimmt acht Atomkraftwerke vom Netz

Bis zum 25. März 2011

Lebensmittel aus dem Amtsbereich Fukushima überschreiten die zulässigen Höchstwerte für Radioaktivität. Die japanische Regierung verhängt ein Verkaufsverbot.

Im Kernkraftwerk stabilisiert sich die Lage etwas: Die Notstromversorgung kann ausgebaut werden. Durch die behelfsmäßigen Kühlmaßnahmen sinken die Temperaturen in den Abklingbecken auf unter 100 Grad. Die regulären Kühlanlagen funktionieren jedoch immer noch nicht.

Ein japanischer Milchbauer im Amtsbezirk Fukushima kippt am 23. März radioaktiv kontaminierte Milch weg

Ein Milchbauer aus dem Amtsbezirk Fukushima muss belastete Milch wegschütten

Bis Ende März 2011

Die japanische Regierung räumt eine partielle Kernschmelze in einem der Reaktoren ein. In ganz Japan dürfen Wasseraufbereitungsanlagen kein Regenwasser mehr verwenden, aus Flüssen darf kein Trinkwasser mehr entnommen werden und offene Wasserbecken müssen mit Planen abgedeckt werden.

April 2011

Für die Kühlung der Reaktoren wird ständig kaltes Meerwasser in die zerstörten Reaktoren geleitet. Dadurch sammeln sich in vier Blöcken ungefähr 60 Millionen Liter radioaktives Wasser an, das auch in die Umgebung abfließt und ins Grundwasser gelangt.

Eine Karte von Japan mit Standort Fukushima und dem Strahlungsradius

Von Fukushima geht radioaktive Strahlung aus

Mai 2011

Nach verschiedenen Abdichtungs- und Eindämmungsmaßnahmen scheint kein kontaminiertes Wasser mehr ins Meer abzulaufen. Die Chefs des Kraftwerkbetreibers Tepco treten zurück. Das Reaktorgebäude 1 soll ummantelt werden, um zu verhindern, dass weitere Radioaktivität in die Umgebung entweicht. Aus diesem Grund werden auch vier Reaktorblöcke mit Kunstharz besprüht.

Dezember 2011

Die japanische Regierung erklärt das havarierte Kernkraftwerk Fukushima für sicher. In den Reaktoren bleibe die Temperatur unter 100 Grad und aus dem Atomkraftwerk trete nur noch wenig Radioaktivität aus. Umweltschützer kritisieren das als Irreführung der Bevölkerung.

2012

Im Januar beschließt die japanische Regierung die Laufzeitbegrenzung der japanischen Kernkraftwerke auf 40 Jahre. Im Mai wird vorübergehend für zwei Monate das letzte Kernkraftwerk in Japan abgeschaltet und durch fossile Kraftwerke ersetzt. Im Juli kommt eine japanische Expertenkommission zu dem Ergebnis, dass das Reaktorunglück hauptsächlich auf menschliches Versagen zurückzuführen ist.

Demonstranten protestieren mit Transparenten gegen Atomkraftwerke in Japan

Demonstrationen gegen Atomenergie in Tokio

2013

Die meisten der 54 japanischen Atomreaktoren werden gewartet oder einem Stresstest unterzogen. Zum zweiten Mal seit dem Fukushima-Atomunglück stehen in Japan sämtliche Kernkraftwerke still. Infolgedessen steigen die Energiepreise.

2014

Wieder läuft verstrahltes Wasser ins Meer und regelmäßig fallen im havarierten Atomkraftwerk die Kühlsysteme aus. Die größte Herausforderung ist es, den bereits geborgenen Atommüll sicher zu lagern. Die Strahlenbelastung in der Region ist sehr hoch. Ob und inwiefern sich dies auf die Menschen vor Ort auswirkt, ist unklar.

2015

Knapp 120.000 Menschen können wegen der Strahlung noch immer nicht zurück in ihre Heimat. Trotz massiver Anti-Atomkraft-Proteste der Bevölkerung fährt Japan im August 2015 seinen ersten Atomreaktor wieder hoch, um zur Kernkraft zurückzukehren.

Im Oktober bestätigt Japans Regierung erstmals offiziell, dass ein ehemaliger Kraftwerksangestellter sehr wahrscheinlich aufgrund der radioaktiven Strahlung nach der Kernschmelze an Leukämie erkrankt ist.

Ein Fahrer im Schutzanzug fährt durch das verwüstete Kernkraftwerk Fukushima

Auch Jahre nach dem Unglück müssen sich die Arbeiter vor den Strahlen schützen

Offen ist weiterhin die Frage, ob das Atomunglück für Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen im Amtsbezirk Fukushima verantwortlich ist. Die Regierung hatte flächendeckend mehr als 300.000 Kinder und Jugendliche untersucht. Das Ergebnis: 116 Fälle von bestätigten oder verdächtigten Krebsfällen. Die Rate bei den Fukushima-Kindern war im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das 20- bis 50-fache höher.

Allerdings ist unklar und selbst unter Wissenschaftlern strittig, ob diese Ergebnisse auf die flächendeckenden Untersuchungen zurückzuführen sind oder ob es tatsächlich einen Zusammenhang mit dem Kraftwerksunfall gibt. Die japanische Regierung bestreitet den Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und dem Reaktorunglück.

Noch immer laufen die Aufräumarbeiten in Kernkraftwerk Fukushima. Experten zufolge könnten sie noch Jahrzehnte andauern.

(Erstveröffentlichung 2016. Letzte Aktualisierung 13.12.2021)

Quelle: WDR

Darstellung: