Baby liegt auf dem Bauch und lächelt in die Kamera.

Egoismus

Wie wir andere manipulieren

Hinter den meisten Verhaltensweisen stecken universelle psychologische Muster. Diese Erkenntnisse zeigen: Selbst auf den ersten Blick unsympathische oder extreme Verhaltenweisen sind einfach nur menschlich – wie etwa die Manipulation.

Von Melanie Kuss

Was mit einem unschuldigen Lächeln beginnt

Unser Verhalten, Denken und Fühlen unterliegt gewissen Mechanismen und ist somit auch von außen beeinflussbar – sei es unbeabsichtigt oder unter Vorsatz. Hinter einem freundlichen Lächeln beispielsweise steht meist kein absichtlicher Manipulationswillen.

Allerdings haben wir von klein auf gelernt, damit beim Gegenüber Sympathie zu erlangen. Insofern ist selbst ein einfaches Lächeln eine Art psychologisches Mittel, denn es spricht die Emotionen des Gegenübers positiv an. Wir nutzen es also instinktiv, um beim anderen etwas zu erreichen.

Derartige Mittel gibt es viele und die Spannweite reicht von Anlächeln bis hin zur vorsätzlichen Manipulation. Tagtäglich sind wir unzähligen Manipulationsstrategien ausgesetzt: Die Politik, die Werbung, die Medien, unsere Vorgesetzten, unsere Partner – jeder will irgendwann etwas von uns und jeder setzt dabei psychologische Mittel ein.

Jeder will etwas vom Anderen

Welche Arten von psychologischer Manipulation gibt es im Alltag? Wie bekommt etwa der Chef vom Mitarbeiter, was er will? Wie die Frau von ihrem Mann oder umgekehrt? Und das alles, ohne dass wir es als Manipulation wahrnehmen?

Wenn ihr Chef etwa sagt: "Sie sind der Einzige, dem ich das Projekt anvertrauen kann", steckt in dem Lob wahrscheinlich auch ein manipulatives Moment. Ihr Vorgesetzter will unbedingt, dass sie mit Ja antworten.

Wenn man soviel Wertschätzung entgegengebracht bekommt, kann man schlecht Nein sagen, auch wenn man eigentlich gar nicht will. Man läuft also Gefahr, einen Auftrag ungewollt anzunehmen. Dies ist eine der gängigen, bewusst oder unbewusst eingesetzten Manipulationen in unserer Arbeitswelt.

Beeinflussung läuft ständig ab, nicht nur bei der Arbeit, sondern auch privat. Jeder versucht, den anderen mehr oder weniger zu beeinflussen. Ein Beispiel aus dem Ehealltag: Die Frau versucht ihren Mann für ihr Wunsch-Urlaubziel zu begeistern, er hat aber keine Lust. Die Frau will ihren Mann umstimmen und kann dabei unterschiedliche psychologische Mittel anwenden.

Sie kann etwa argumentieren – damit liegt ihre Manipulationsabsicht offen, sie will ja den Mann überzeugen. Sie kann aber auch Druck auf den Mann ausüben, indem sie schmollt oder scheinbar einlenkend von ihrem Wunsch zurücktritt. Derartige emotionale Manipulationsmechanismen laufen nicht immer bewusst ab.

Ein Paar sitzt nach einem Streit auf dem Sofa.

Schmollen ist auch eine Manipulationsstrategie

Natürlich wollen wir alle irgendwas von anderen, vom Partner oder vom Chef. In zwischenmenschlichen Beziehungen herrscht meist ein verdeckter Kampf, seine Überzeugungen durchzusetzen – also alles ganz menschlich.

Die Frage ist, zu welchen Mitteln man greift: Ob man nur seine eigenen Bedürfnisse durchsetzen will oder ob man erkennt, dass der andere auch Bedürfnisse hat; ob man für die Argumente des anderen offen ist und sich eingesteht, dass er manchmal auch Recht hat.

Offenheit in der Kommunikation ist eine Voraussetzung für eine positive Einflussnahme auf den anderen sowie für ein gutes Zusammenleben. Denn Manipulation ist ja per se nichts Schlechtes. Wenn etwa der Chef aus dem Mitarbeiter das Beste herausholen will und kann, wird dieser am Ende auch zufrieden mit seiner Leistung sein. Die Frage ist nur, wie manipuliert wird – ob mit Druck oder mit Motivation.

Eine Frage der Autorität – heute genauso wie früher

Die Gräueltaten der Nationalsozialisten im Dritten Reich sind ebenso unbegreiflich wie die Tatsache, dass sich so viele Deutsche tatenlos dem Naziregime ergeben haben.

Das beschäftigte auch den Psychologen Stanley Milgram. Anfang der 1960er-Jahre wies er nach, wie einfach Menschen zu Aggressionen angestiftet werden können, wenn sie von einer Autorität dazu aufgefordert werden.

In seinem psychologischen Experiment sollten die Versuchspersonen die Rolle eines Lehrers einnehmen. Sie wurden von dem Versuchsleiter (einem Schauspieler) dazu aufgefordert, einen Schüler mit Stromschlägen zu bestrafen, wenn dieser seine Aufgabe, das Zusammensetzen von Wortpaaren, nicht richtig löste. Die Intensität des Stromschlages sollte nach jedem Fehler erhöht werden. Der "Schüler" war für die Versuchsperson nicht zu sehen, seine angeblichen Schmerzensschreie jedoch waren deutlich zu hören.

Als Psychologen an einer US-Universität das Milgram-Experiment 2008 wiederholten, gingen sie davon aus, dass sich heute wesentlich weniger Menschen von einer Autorität zu einem unmoralischen Verhalten verleiten lassen. Seither sind wir ja scheinbar liberaler geworden und auch kritikfähiger gegenüber Autoritäten.

Doch weit gefehlt: Genau wie damals blieb nur ein Drittel der Versuchspersonen moralisch standfest. Die Mehrheit gehorchte und verabreichte der angeblichen Testperson schmerzliche Stromschläge, weil es die angebliche Autoritätsperson forderte.

2010 wollten französische Filmemacher auf die Macht der Medien hinweisen und brachten das Gehorsam-Experiment aus dem psychologischen Versuchslabor ins Fernsehen. In einer inszenierten TV-Show wurden Kandidaten aufgefordert, einem Mann schmerzhafte Stromstöße zuzufügen. Auch hier waren mehr als zwei Drittel der Testpersonen ohne Zögern dazu bereit.

Der Mensch ist und bleibt also manipulierbar, denn als soziales Wesen liegt ihm viel daran, von anderen anerkannt, bemerkt und geachtet zu werden. Auch wenn wir heute vermehrt Autoritäten hinterfragen als früher – es gibt nach wie vor Einflussgrößen, die uns manipulieren, wie etwa die Werbung, die Medien oder die Politik.

Mächtige Medien und mächtige Werbung

Medien werden immer wieder erwähnt, wenn es um die Manipulation der Gesellschaft geht. Sie greifen Stimmungen und Gefühle auf und wollen diese bedienen, denn davon hängen ja auch ihre Auflagen oder die Einschaltquoten ab.

Medien geht es nicht nur um die hehre Absicht, das Volk zu informieren, sie müssen auch Geld verdienen. Also ist es wichtig zu wissen, womit man die Menschen am besten erreicht, was sich am besten verkauft.

Werbewirksam: Eisbärbaby Flocke

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Die Marktforschung untersucht zu diesem Zweck psychologisch, was Menschen gerne haben, was sie gerne kaufen, was sie genießen wollen, welche Prestigeeffekte bestimmte Medien und Waren haben. Je genauer man die Wünsche und Motive der Menschen kennt, desto gezielter können sie bedient werden und desto leichter kann der Mensch beeinflusst werden.

Die Werbung arbeitet mittlerweile auch mit Erkenntnissen aus der Hirnforschung, die Hinweise darauf geben, auf welche Reize wir ansprechen.

Menschen reagieren besonders auf Tiere, Kinder und Sex. Das sind die großen Reize, die immer wieder in der Werbung eingesetzt werden. Mittlerweile ist jedoch auch Humor sehr wichtig geworden. Die intelligentere Werbung weiß, dass wir gerne lachen und geistig herausgefordert werden wollen.

Der Appell der Politik

Wenn es um Manipulation geht, kommt man an der Politik nicht vorbei. Welche psychologischen Kniffe wenden unsere Politiker an, um uns von ihrer Meinung zu überzeugen? Wir beurteilen heute Politiker stark nach ihrer Persönlichkeit und weniger nach ihrem Programm, das heißt, die Selbstinszenierung ist wichtiger denn je.

Der Appell an unsere Gefühle ist neben rhetorischen und körpersprachlichen Aspekten ein in der Politik übliches manipulatives Mittel.

In einer Demokratie sollten eigentlich Argumente den Ausschlag zur Meinungsbildung geben, aber Gefühle, Neigungen und Meinungen, die nicht unbedingt auf Tatsachen gründen, spielen eine enorm große Rolle. Politiker wissen, wie sie Gefühle beeinflussen können, was sie mehr oder weniger geschickt in ihren Ansprachen ausnutzen.

Und selbst?

Jeder Mensch hat eigene Interessen und Wünsche, die er durchsetzen möchte. Diese stoßen jedoch bei anderen nicht immer auf Zustimmung, was dazu führt, dass jeder von uns versucht, andere zu beeinflussen – zu manipulieren. Manipulation ist also etwas ganz Menschliches, was per se nicht gut oder schlecht ist.

Zudem läuft die Absicht, andere beeinflussen zu wollen, nicht immer bewusst ab. Wenn einem klar ist, dass Manipulation immer um uns herum ist, sie einfach dazu gehört, kann man sich auch besser davor schützen. Denn grenzenlos manipulierbar sind wir zum Glück nicht.

(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 31.03.2020)

Quelle: WDR

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