Betende Menschen an der Klagemauer in Jerusalem.

Pilgern

Pilgern in anderen Weltreligionen

Pilger gibt es nicht nur bei den Christen: Die Muslime pilgern nach Mekka, die Juden zum Tempel in Jerusalem und die Buddhisten und Hinduisten haben Zehntausende heilige Orte.

Von Daniel Schneider

Pilger oder Wallfahrer?

In allen Weltreligionen gibt es die Begriffe Wallfahrt und Pilgerreise geprägt. Während bei einer Wallfahrt das Ziel im Fokus des spirituellen Erlebnisses steht, geht es bei einer Pilgerreise auch um die Erfahrungen auf dem Weg dorthin.

Fein säuberlich getrennt werden können die Begriffe allerdings nicht. Denn wer als Wallfahrer startet, kann genauso gut zum Pilger werden und umgekehrt.

Judentum

Im jüdischen Glauben ist das Pilgern von Anfang an fest verankert. Schon die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob sind ständig unterwegs. Fast alle tragenden Figuren des Alten Testaments sind in Bewegung. Ob Propheten, Könige oder einfache Leute: Selten wissen sie, wo genau ihr Weg hingeht, und sie erleben unterwegs Gottes Gegenwart.

Der Tempel in Jerusalem, die symbolhafte Wohnung Gottes, ist das große Pilgerziel der Juden in der Antike. Jeder Einwohner Israels soll mindestens einmal im Jahr dorthin pilgern, die in der Diaspora lebenden Juden einmal in ihrem Leben.

Die Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahre 70 stürzt nicht nur das gesamte Judentum in eine Krise, sondern sie bedeutet neben dem Ende der Kulthandlungen auch das Ende der traditionellen Wallfahrt des Judentums nach Jerusalem.

Von da an werden Gräber von Propheten, Patriarchen oder Märtyrern angesteuert. Diese Handlungen bleiben über das Mittelalter bis in die Neuzeit erhalten, wenn sie auch in der Gegenwart nicht mehr so gebräuchlich sind wie in den anderen Religionen.

Die frühere West- und jetzige Klagemauer ist durch die israelische Eroberung von Jerusalem im Jahr 1967 auch für jüdische Besucher wieder zugänglich und heute einer der meistbesuchten Orte in ganz Israel.

Für die Juden stellt dieses 18 Meter hohe und 48 Meter lange Bauwerk weiterhin ein Symbol für den Bund Gottes mit dem Volk Israel dar. Nicht nur Menschen jüdischen Glaubens pilgern dorthin, beten laut oder stecken ihre aufgeschriebenen Gebete mit dem Wunsch nach Erhörung in die Ritzen der Mauer.

Islam

Auch wenn sie im Koran namentlich nicht erwähnt wird, gehört die Stadt Jerusalem auch für den Islam zu den wichtigsten Wallfahrtszielen neben Mekka und Medina.

Vor der Zeit des Propheten Mohammed gingen die Gebete der Muslime in Richtung Jerusalem; die al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt ist die drittwichtigste Moschee des Islam. Jerusalem wird auch als die "ferne Kultstätte" betrachtet, von der aus Mohammeds Himmelfahrt stattgefunden hat.

Die Pilgerstrecken im Islam orientieren sich zum Großteil an seinem Religionsstifter Mohammed und können in drei Kategorien unterschieden werden:

  1. Die Große Pilgerfahrt ("Haddsch") zum Geburtsort Mohammeds, nach Mekka. Diese Wallfahrt ist für jede Muslima und jeden Muslim Pflicht, sofern es gesundheitlich und finanziell möglich ist. Jedes Jahr pilgern rund 2,5 Millionen Gläubige während der dafür festgelegten Tage zur Haddsch in die Stadt Saudi-Arabiens. Diese Pilgerreise ist von verschiedenen Riten geprägt, die so komplex sind, dass Pilgergruppen in der Regel einen Führer benötigen.
  2. Die Kleine Pilgerfahrt. Sie führt ebenfalls nach Mekka, umfasst allerdings weniger Riten und ist an kein festes Datum gebunden.
  3. Die dritte Form der Wallfahrten im Islam sind die Besuche von Heiligenschreinen an verschiedenen Orten der islamischen Welt. Diese Besuche von Grabstätten oder Orten, an denen sich Heilige aufgehalten haben sollen, werden von einigen Gruppen des Islam abgelehnt, denn dadurch werde die Allmacht Allahs angezweifelt.

Die "Moschee des Propheten" in Medina ist dagegen unumstritten der zweitheiligste Ort der Muslime. Sie ist ebenfalls Wallfahrtsziel während der "Haddsch" und beherbergt das Grab von Mohammed. Genau wie in Mekka gibt es auch in Medina heilige Bezirke, die nur Muslime betreten dürfen.

Blick von oben auf den Hof der Hauptmoschee in Mekka.

Hof der Hauptmoschee in Mekka

Buddhismus

Die vier bedeutendsten Pilgerstätten des Buddhismus sind eng mit dem Leben und Wirken von Siddharta Gautama verknüpft, dem ersten Buddha und Begründer der Religion: Sein Geburtsort Lumbini in Nepal ist die einzige Kultstätte außerhalb Indiens. Bodh Gaya wird als der Ort seiner Erleuchtung verehrt, in Sarath lehrte Gautama das erste Mal und in Kushinagar starb er.

Der indische Herrscher Osaka soll einer Legende nach im dritten Jahrhundert vor Christus nicht nur alle diese Orte auf einer Wallfahrt besucht haben, sondern auch die Überreste von Siddharta Gautama in 84.000 Orten auf der ganzen Erde verteilt haben. Das ist eine Erklärung für die vielen traditionellen Pilgerorte und Kultstätten des Buddhismus.

Heilige Stätte am Geburtstort Buddhas in Lumbini, Nepal.

Die ewige Flamme des Friedens in Lumbini

Hinduismus

Mit "tirtha" ist im Hinduismus ein heiliger Ort gemeint. Es bedeutet übersetzt "Furt" und wird immer mit Wasser in Verbindung gebracht. Solche Pilgerorte gibt es massenhaft, sodass alte Texte fast humoristisch überliefern, Indien sei so voll von Wallfahrtsorten, dass es dort nicht einmal ein sesamgroßes Stück Erde ohne tirtha gebe.

Typisch für die drittgrößte Religion nach dem Christentum und dem Islam ist das Kastensystem, in das man hineingeboren wird. Die Kaste bestimmt den Beruf und das Ansehen des Menschen.

Unterschiedliche Kasten haben normalerweise keinen Kontakt. Doch bei den "tirthas" wurde und wird dieses Kastensystem in der Regel aufgehoben. An heiligen Tempeln und Badeseen herrscht gleiches Recht für alle.

Asketen sind in den indischen Religionen eine Besonderheit. Die Strenggläubigen leben ohne festen Wohnsitz in Wald und Wildnis, werden oft selbst zu Heiligen, bilden also eine eigene "tirtha", und werden von Pilgern besucht.

Asketen und Pilger ziehen auch zusammen los. Dabei übernehmen die Pilger die körperlichen Strapazen der Asketen. Sie laufen, zumindest zeitweise, barfuß und fasten während der Wallfahrt. Dadurch wollen sie ihrem jeweiligen Gott näher kommen, hoffen auf Heilung von einer Krankheit oder einfach nur auf eine gute Bewertung in einer Prüfung.

Gläubige Hindus springen in den Ganges.

Heilige Stätten befinden sich oft am Wasser

(Erstveröffentlichung 2013. Letzte Aktualisierung 17.12.2019)

Quelle: WDR

Darstellung: