Zeichnung eines Chassepotgewehrs

Reichsgründung

Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871

Für die Deutschen war der Deutsch-Französische Krieg die Grundlage für den Nationalstaat. Für die Franzosen war die Niederlage eine Demütigung, die sie tief traf.

Von Martina Frietsch

Kriege verhelfen zu Machtzuwachs

Vor Beginn des Deutsch-Französischen Krieges standen sich mit Frankreich und Preußen zwei rivalisierende europäische Mächte gegenüber. Frankreich unter Napoleon III. fürchtete um seine Vormachtstellung in Europa und setzte außenpolitisch auf Prestigeprojekte: Das Zweite Kaiserreich vergrößerte sein Kolonialreich in Afrika und Hinterindien, führte Kriege auf der Krim und in Mexiko sowie in Italien.

Preußen strebte unterdessen die Gründung des Nationalstaats an, wobei zwei Konflikte halfen: Es siegte im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 – Schleswig und Holstein wurden preußisch und österreichisch. Doch schon zwei Jahre später endete der Streit um die schleswig-holsteinische Frage zwischen den Preußen und Österreich im Deutschen Krieg.

Preußen ging aus dem Krieg siegreich und gestärkt hervor und hatte damit seinen Rivalen Österreich auf dem Weg zur preußischen Hegemonie ausgebootet. Der Deutsche Bund, in dem die souveränen Fürstentümer und freien Städte und eben auch Österreich seit 1815 zusammengeschlossen waren, wurde aufgelöst.

Stattdessen entstand der Norddeutsche Bund unter Preußens Führung. Ihm gehörten alle deutschen Staaten nördlich der Mainlinie an – eine Machtballung, die Frankreich mit Sorge beobachtete.

Der spanische Thron und die Emser Depesche

In dieser angespannten Situation wurde die Wahl des spanischen Königs zum Auslöser für den Krieg zwischen den beiden Mächten. Erbprinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen sollte den spanischen Thron besteigen, wodurch Frankreich sich an seiner südlichen Grenze bedroht sah, da auch der preußische Monarch Wilhelm I. ein Hohenzollern war.

Prinz Leopold zog daraufhin seine Kandidatur zurück, was Frankreich jedoch nicht genügte: Nun forderte es von König Wilhelm eine Entschuldigung sowie die Garantie gegen eine erneute Hohenzollern-Kandidatur. König Wilhelm lehnte ab und sandte von Bad Ems aus eine Depesche an Ministerpräsident Otto von Bismarck. In diesem als "Emser Depesche" berühmt gewordenen Telegramm berichtete der König über das Ansinnen.

Ein handgeschriebenes Schriftstück mit durchgestrichenen Textteilen, datiert auf den 19. Juli 1870: die sogenannte Emser Depesche

Die "Emser Depesche" – dieses Telegramm löste den Krieg 1870/1871 aus

Bismarck kürzte die eigentlich harmlose Depesche, die nun Frankreich in schlechtem Licht erscheinen ließ und veröffentlichte sie. Damit, so verbreitete es auch Bismarck selbst, habe er Frankreich so sehr provoziert, dass es Preußen den Krieg erklärte.

Tatsächlich ging es Bismarck um etwas anderes: Er wollte sicherstellen, dass die süddeutschen Staaten auf Seiten Preußens in den Krieg eintraten.

Frankreich erklärt den Krieg

Am 19. Juli 1870 erklärte Napoleon III. Preußen den Krieg. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, die zwar nicht dem Norddeutschen Bund angehörten, aber sogenannte "Schutz- und Trutzbündnisse" mit Preußen abgeschlossen hatten, unterstellten ihre Armeen dem preußischen Oberbefehl.

Napoleon III., französischer Kaiser (Geburtstag 20.04.1808)

WDR ZeitZeichen 20.04.2013 14:29 Min. Verfügbar bis 18.04.2053 WDR 5


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Ganz im Sinne von Bismarck war damit ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zum deutschen Nationalstaat erreicht. Damit hatte Preußen in kürzester Zeit mehr als eine halbe Million Soldaten, die es einsetzen konnte – ein für Frankreich unerwarteter Schritt.

Das französische Heer war dagegen nur rund 300.000 Mann stark; beide Heere wuchsen im Verlauf des Krieges auf Millionenstärke. Die anderen europäischen Staaten wie England, Österreich und Italien blieben den Krieg über neutral.

Der deutsche Feldmarschall Helmuth Graf von Moltke

Helmuth Graf von Moltke führte die deutschen Truppen gegen Frankreich

Eisenbahn, Telegrafen und moderne Waffentechnik

Im Deutsch-Französischen Krieg änderte sich aufgrund technischer Erfindungen die Kriegsführung im Vergleich zu früher erheblich: Preußen setzte erfolgreich die Eisenbahn ein, um die Soldaten schnell nach Westen Richtung Frankreich zu transportieren. Auch die Telegrafennetze wurden zu Kriegszwecken genutzt.

Neue Geschütze mit großer Reichweite veränderten die Taktik auf dem Schlachtfeld, wo bisher die Infanterie noch Mann gegen Mann, teils mit Säbeln bewaffnet gekämpft hatte. Insbesondere Stahlkanonen der deutschen Firma Krupp erwiesen sich für die preußische Armee als entscheidender Vorteil: Sie schossen doppelt so weit wie die französischen Pendants aus Bronze.

Auch die Organisation und Kriegsführung des Chefs des preußischen Generalstabs, Helmuth Graf von Moltke, erwiesen sich als Erfolg für Preußen. Die französischen Truppen hingegen litten daran, dass die Planung chaotisch, die Truppenbewegung zu langsam war.

Das Ende der französischen Monarchie

Nach der deutschen Offensive ab August 1870 kam es bereits am 2. September zur entscheidenden Niederlage der französischen Armee bei Sedan. Napoleon III., der zu seinen Truppen an die Front gereist war, geriet in preußische Gefangenschaft und wurde nach Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel gebracht.

Zwei Tage später wurde in Frankreich die Monarchie gestürzt und die Dritte Republik ausgerufen. Napoleon III. ging ins Exil nach London.

Gemälde des Napoleon III. in deutscher Gefangenschaft mit Otto von Bismarck

Napoleon III. (links) in deutscher Gefangenschaft mit Otto von Bismarck

Der Krieg war damit jedoch nicht beendet. Die "Regierung der nationalen Verteidigung" setzte den Kampf fort – vor allem im belagerten Paris. Die Stadt kapitulierte am 28. Januar 1871. Die neu aufgestellten Ersatzheere wurden am  1. Februar über die Schweizer Grenze gedrängt und dort entwaffnet. Damit endete auch ihr Widerstand.

Ein bitterer Friede

Der Friedensschluss vom 10. Mai 1871 bedeutete für Frankreich herbe Verluste und eine Demütigung: Das Elsass und Teile Lothringens gingen an Deutschland, Frankreich musste fünf Milliarden Francs Kriegsentschädigung zahlen – eine für die damalige Zeit sehr hohe Summe.

Besonders bitter war für die Franzosen jedoch die Kaiserproklamation Wilhelms I. am 18. Januar 1871: Er hatte sich dafür ausgerechnet den prunkvollen Spiegelsaal im Schloss von Versailles ausgesucht – den ganzen Stolz des einstigen Sonnenkönigs Ludwig XIV. 

Kaiserproklamation von Wilhelm I. in Versailles (am 18.01.1871)

WDR ZeitZeichen 18.01.2021 14:47 Min. Verfügbar bis 19.01.2099 WDR 5


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Quelle: SWR | Stand: 02.01.2021, 14:00 Uhr

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