Die Geschichte der Intensivmedizin

Planet Wissen 03.02.2022 02:28 Min. Verfügbar bis 03.02.2027 WDR Von Michael Hänel

Krankenhaus

Intensivmedizin

Auf eine Intensivstation kommen Patienten zum Beispiel nach einem Herzinfarkt oder einem schweren Unfall. Teams aus spezialisierten Ärzten und Pflegekräften arbeiten hier zusammen, um Leben zu retten. Doch Intensivmedizin hat auch ihre Grenzen.

Von Katrin Ewert

Intensivmedizin rettet Leben

Deutschland, Beginn der 1960er-Jahre: Die Nachkriegszeit ist zu Ende, die Wirtschaft blüht auf und immer mehr Menschen werden wohlhabend. Doch durch den neuen Lebensstil essen viele auch ungesunde, fettreiche Mahlzeiten und rauchen mehr Zigaretten als zu Kriegszeiten.

In der Folge erleiden mehr Menschen Herzinfarkte und müssen ins Krankenhaus. Dort sind die Ärzte und Pflegekräfte mit dem Anstieg der Patienten überfordert. In vielen Kliniken baut das Personal eine neue Station auf, um die Schwerkranken zu überwachen und zu pflegen – der Vorläufer der heutigen Intensivstation.

Im Laufe der Zeit werden diese Einrichtungen weiter modernisiert. In den 1970er- und 1980er-Jahren werden in Deutschland elektronische Überwachungsanlagen eingeführt, mit denen Mediziner Puls, Herzsignale und Atmung gleichzeitig überwachen können. Zum Ende der 1980er-Jahre hat sich daraus eine High-Tech-Gerätemedizin mit speziell ausgebildeten Ärzten und Pflegekräften entwickelt.

Heute sind Intensivstationen aus dem Klinikalltag nicht mehr wegzudenken. Ärzte nehmen hier jene Patienten auf, deren Zustand lebensbedrohlich ist oder lebensbedrohlich werden könnte.

Dazu gehören zum Beispiel Betroffene mit Herzinfarkten, Lungenembolien, Blutvergiftungen oder Lungen- und Nierenversagen. Auch nach schweren Unfällen müssen Menschen häufig auf der Intensivstation behandelt werden. Ebenso werden Patienten nach langen und komplizierten Operationen zur Kontrolle auf die Intensivstation verlegt.

Das Personal behandelt, pflegt und überwacht die Betroffenen auf der Station rund um die Uhr. Wie lange die Betroffenen auf der Intensivstation bleiben müssen, ist sehr unterschiedlich. Die Dauer hängt davon ab, an welcher Krankheit der Patient leidet und wie kritisch sein Zustand ist.

Im Durchschnitt verbringen Menschen knapp vier Tage auf der Intensivstation. Erst wenn der Patient stabil und nicht mehr in Lebensgefahr ist, verlegen die Mediziner ihn auf eine normale Krankenstation.

Die Hand eines Patienten liegt auf einem Bett, am Finger befindet sich ein Sauerstoffmessgerät

Auf eine Intensivstation kommen Patienten, die sich in Lebensgefahr befinden

Wie eine Intensivstation ausgestattet ist

Viele Krankenhäuser haben eine interdisziplinäre, also fachübergreifende Intensivstation. Das bedeutet, dass das Personal dort Patienten mit verschiedenen Beschwerden zusammen behandelt. Größere Kliniken haben oftmals mehrere, fachspezifische Intensivstationen. Folgende Arten lassen sich unterscheiden:

  • Kardiologische Intensivstation: Hier werden vor allem Patienten nach oder bei einem drohenden Herzinfarkt betreut. Auf einer herzchirurgischen Intensivstation beobachten Mediziner Betroffene nach einer Herz-OP.
  • Neurologische Intensivstation: Ärzte behandeln hier Patienten mit schweren Erkrankungen des Gehirns und des zentralen Nervensystems. Auf einer neurochirurgischen Intensivstation überwachen Mediziner Patienten nach einer Operation am Gehirn.
  • Beatmungsstation: Auf dieser Station werden Patienten mit Atemproblemen behandelt – zum Beispiel bei Störungen der Atemmuskulatur oder Lungenhochdruck.
  • Intensiv-Kreißsaal: Mediziner überwachen in dieser Abteilung die Entbindungen von Risikoschwangerschaften. Sie können die Herz-Kreislauf-Funktionen der Mutter und des Babys permanent kontrollieren und bei Bedarf eingreifen.
  • Pädiatrische Intensivstation: Hier werden Kinder und Neugeborene behandelt, die sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden.
  • Verbrennungseinheit: Auf diese Station kommen Patienten mit schweren Verbrennungen.
  • Transplantationseinheit: Nach einer Transplantation, zum Beispiel einer Herztransplantation, sind Patienten anfällig für Infekte. Auf dieser Station werden sie nach dem Eingriff überwacht.
  • Dialyseeinheit: Hier behandeln Mediziner Betroffene mit schweren Nierenerkrankungen.

Je nach Fachrichtung sind die Stationen unterschiedlich ausgestattet. Auf der Beatmungsstation stehen etwa mehrere, verschiedene Beatmungsgeräte zur Verfügung. In der Regel hat jedes Intensivbett die folgende Ausrüstung, die Ärzte je nach Bedarf einsetzen können:

  • Elektrokardiogramm (EKG), das die Funktion des Herzens misst und überwacht
  • Pulsoximeter, das den Sauerstoffgehalt im Blut misst
  • Zentraler Venenkatheter, über den die Ärzte Blut entnehmen und Medikamente oder Nahrung per Infusion geben können
  • Blutdruckmanschette, die die Pumpleistung des Herzens misst
  • Blasenkatheter, der die Urinproduktion misst und verhindert, dass sich der Patient einnässt
  • Beatmungsgerät, das mit Sauerstoff angereicherte Luft in die Lungen einströmen lässt
  • Magensonde, durch die der Patient künstlich ernährt werden kann
  • Dialyse, die wie eine künstliche Niere funktioniert und das Blut von Giftstoffen befreit
  • Überwachungsmonitor, der alle wichtigen Werte wie Blutdruck, Körpertemperatur und Sauerstoffgehalt des Blutes anzeigt

Genauso wichtig wie die modernen Geräte ist das Personal. Auf der Intensivstation arbeiten speziell ausgebildete Ärzte und Pfleger. Ärzte müssen eine Facharztanerkennung in der Chirurgie, Inneren Medizin, Anästhesiologie (Narkosemedizin), Pädiatrie (Kinderheilkunde) oder Neurologie (Nervenheilkunde) besitzen und eine zweijährige Zusatz-Ausbildung absolvieren. Auch Pflegekräfte müssen eine zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung abschließen, bevor sie auf einer Intensivstation arbeiten dürfen.

Anders als auf gewöhnlichen Stationen muss das Personal die Patienten rund um die Uhr versorgen. In der Regel sind neben dem Stationsleiter sieben Ärzte je acht bis zwölf Betten im Dienst. Ähnlich hoch ist der Bedarf an Pflegekräften: Eine Pflegekraft kann sich maximal um zwei Patienten gleichzeitig kümmern. In besonderen Situationen wie einer Wiederbelebung wird sogar ein Pflegender pro Patient benötigt.

Zusätzlich sind in der Regel zwei Pflegehilfskräfte pro acht Intensivbetten im Einsatz. Sie übernehmen nichtmedizinische Aufgaben wie die Körperpflege. Darüber hinaus arbeiten weitere Fachkräfte wie Psychologen und Physiotherapeuten auf der Intensivstation. Aus diesen verschiedenen Professionen bilden sich Teams, die jeweils eine Gruppe von Patienten betreuen.

"Feste Teams sind sehr wichtig für die Planung auf der Station", sagt Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und leitender Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim. "Einzelne Mitarbeiter lassen sich nicht ohne weiteres in ein anderes, eingespieltes Team verschieben."

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Grenzen und Probleme der Intensivmedizin

Dank der modernen Ausrüstung und des gut ausgebildeten Personals retten Intensivstationen jährlich das Leben von tausenden Patienten. Von dem Fortschritt profitieren zum Beispiel lungenkranke Patienten.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts mussten Mediziner sie noch aufwändig in der sogenannten Eisernen Lunge behandeln. Das war eine große Metallröhre, die den Betroffenen bis auf den Kopf umschloss und ihn durch einen Unterdruck künstlich beatmete. Heute stehen auf den Intensivstationen verschiedene moderne Beatmungsgeräte zur Verfügung, die Patienten mit schweren Lungenentzündungen, Verletzungen oder Covid-19 retten.

Aber auch die beste Ausstattung und die höchsten medizinischen Standards haben ihre Grenzen. Bei einigen Patienten kommt die professionelle Hilfe zu spät. Sie sterben oder fallen in ein Koma, aus dem sie nicht mehr aufwachen.

Oft stehen Ärzte vor ethischen Problemen: Soll ein Betroffener weiter beatmet oder wiederbelebt werden, obwohl diese Maßnahme keinen Nutzen mehr bringt? Für solche Fragen ist es hilfreich, wenn die betroffene Person eine Patientenverfügung hinterlegt hat.

"Ein Zuviel an Behandlung kann mehr Schaden als Nutzen verursachen und möglicherweise vom Patienten nicht gewollt sein", sagt Uwe Janssens, Generalsekretär der DGIIN und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. "Deshalb ist es wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen."

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Und auch für die genesenen Patienten ist der Weg danach oft holprig. Denn ein Aufenthalt auf der Intensivstation ist für Körper und Psyche sehr belastend. Unter dem Begriff "Post Intensive Care Syndrom" fassen Mediziner die möglichen Folgen zusammen.

Viele Betroffene, die lange auf der Intensivstation gelegen haben, leiden unter Muskelschwund und haben Probleme beim Gehen oder Sprechen. Sie müssen sich anschließend in eine Reha-Klinik begeben, um die verlorenen Fähigkeiten wieder zu erlangen. Andere entwickeln psychische Probleme wie Depressionen oder Angststörungen. In diesem Fall hilft es, eine Psychotherapie zu beginnen.

Auch auf den Intensivstationen selbst gibt es Probleme. Die Arbeit auf der Station ist eine der anstrengendsten im Krankenhaus. Ärzte und Pfleger sind häufig überlastet und erschöpft. Noch dazu besteht in Deutschland bereits seit langer Zeit ein Engpass an Pflegekräften, der sich insbesondere während der Corona-Pandemie bemerkbar gemacht hat.

Während der zweiten und dritten Welle waren in vielen Kliniken zwar noch Intensivbetten frei, aber es gab nicht genügend Pflegekräfte, um diese zu betreuen. Viele Mitarbeiter klagten über Zeitdruck und Überstunden. "Die Arbeitsbelastung war deutlich zu hoch", sagt Karagiannidis.

Laut einer Befragung der DGIIN vom April 2021 spielt ein Drittel der Intensivpflegenden mit dem Gedanken, ihren Job aufzugeben. "Um das zu verhindern, müssen wir es schaffen, die Arbeitslast in Zukunft zu reduzieren", so Karagiannidis.

Eine Pflegerin prüft die Geräte auf einer Intensivstation

Die Arbeit auf Intensivstationen ist für Pflegekräfte sehr belastend

(Erstveröffentlichung: 2021. Letzte Aktualisierung 17.08.2021)

Quelle: WDR

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