Psychologie

Wie funktionieren Hypnosen?

Hypnose galt lange als fragwürdige Technik, die von Schamanen und Bühnenmagiern eingesetzt wurde. Heute kennen Forscher das Potenzial der Hypnose für Medizin und Psychotherapie. Wie Trance funktioniert – und was dabei im Gehirn passiert.

Von Katrin Ewert

Die Aufmerksamkeit nach innen lenken

Ganz langsam sinkt die Person immer weiter in den Sessel. Ihr Körper fühlt sich warm und angenehm schwer an. Die Augen sind geschlossen und die Geräusche der Umgebung sind wie ausgeblendet. Nun wird auch noch die Atmung ruhiger und der Puls verlangsamt sich. Bis sich schließlich die Gesichtszüge entspannen und die Augenlider anfangen zu flattern.

So sieht es aus, wenn Menschen in Trance fallen. Trance – das ist ein Zustand, in dem Personen tief entspannt und gleichzeitig hochkonzentriert sind. Die Hypnose ist der Prozess, mit dem sie in diesen Zustand der Tiefenentspannung kommen.

"Hypnose ist ein schwieriger Begriff", sagt Arzt und Psychotherapeut Hansjörg Ebell, der Ausbilder und Supervisor der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und der Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose ist. Die meisten Menschen verbinden damit die sogenannte Showhypnose, Zauberei oder schwingende Pendel.

"Die moderne, seriöse Hypnose hat damit nichts zu tun", sagt Ebell. Heute wird die Methode beispielsweise dazu verwendet, Angstpatienten beim Zahnarzt zu beruhigen. In der Therapie kann Hypnose dabei helfen, schlechte Gewohnheiten wie Rauchen abzulegen, chronische Schmerzen zu lindern  oder Stress zu reduzieren.

Das funktioniert durch einen klaren Ablauf: Zuerst wird die Person durch Worte und Gesten in Trance versetzt – sie wird etwa gebeten, die Augen zu schließen, es sich bequem zu machen und immer tiefer in den Sessel zu sinken.

Um zu prüfen, ob die Person bereits in Trance ist, nutzen Therapeuten die Methode der sogenannten "Hand-Levitation" (zu deutsch etwa "Hand-Schweben"): Sie sagen ihr, dass sich ihr rechter Arm extrem leicht anfühlt und sich langsam hebt. "Je höher die Hand steigt, desto tiefer ist der Trancezustand", erklärt Ebell.

Hypnotisierte Frau hält eine Hand in die Luft

Mit der Hand-Levitation überprüft der Therapeut den Trancezustand des Patienten

In der Trance wird die Person nun gedanklich in die Situation geschickt, die ihr Probleme bereitet. Hat eine Person etwa Lampenfieber, stellt sie sich genau vor, wie sie auf der Bühne steht und hunderte Menschen erwartungsvoll zu ihr aufblicken, wie Nervosität und Angst in ihr aufkommen.

An dieser Stelle kann der Therapeut nun Veränderungen anstoßen. Das funktioniert mit sogenannten Suggestionen oder Vorschlägen. In der Trance ist unser Unterbewusstsein dafür besonders offen. Innere Bilder, Erinnerungen und Gefühle nehmen wir intensiver wahr.

Die hypnotisierte Person soll sich zum Beispiel einen persönlichen Wohlfühlort vorstellen. "Das kann die Blumenwiese aus der Kindheit sein oder ganz simpel die Sofaecke zu Hause", sagt Ebell.

Mit Worten wird die hypnotisierte Person dazu angeleitet, die Nervosität auf der Bühne durch den Wohlfühlort zu ersetzen. Immer wieder soll sie sich vorstellen, wie sie auf die Bühne tritt und das wohlige Gefühl der Blumenwiese aufkommt – so soll das Gefühl verankert werden.

Zum Schluss beendet der Therapeut die Hypnose, in dem er den Patienten bittet, seine Aufmerksamkeit nach und nach wieder auf das Hier und Jetzt zu richten und schließlich die Augen zu öffnen.

Bei einigen Menschen bringt bereits die erste Hypnosesitzung Erfolge. Spätestens nach mehreren Sitzungen geht bei den meisten Menschen der Plan auf: Steht die Person das nächste Mal auf der Bühne, hat sie die Blumenwiese vor Augen statt Lampenfieber aufkommen zu lassen.

Wie aber kann das sein? Wie können wir trotz unseres hoch entwickelten Bewusstseins und kritischen Verstands einfach in einen Trancezustand fallen? Was ist das Geheimnis der Hypnose?

Eine Frau sitzt entspannt und mit geschlossenen Augen auf einem Stuhl, während eine andere Frau mit ihr spricht

In Trance können Menschen schlechte Verhaltensweisen ablegen

Das alte Rätsel der Hypnose

Wissenschaftler suchen nach Antworten auf diese Fragen, seitdem es die Hypnose gibt.

Bereits der Arzt Paracelsus benutzte den Trancezustand im 16. Jahrhundert, um Nervenkrankheiten zu heilen. Im 19. Jahrhundert griff Sigmund Freud auf Hypnose zurück, um Persönlichkeitsstörungen zu behandeln. Und im Ersten sowie im Zweiten Weltkrieg setzten Feldärzte die Technik ein, um Verwundete ohne Betäubungsmittel zu behandeln.

"Zu dieser Zeit dachte man noch, dass Menschen in der Trance in einen tiefen Schlaf fallen", sagt Experte Ebell. Daher stammt auch der Begriff Hypnose: Der britische Chirurg James Braid benannte die Technik im Jahr 1843 nach Hypnos, dem griechischen Gott des Schlafes.

Da die Therapeuten damals noch dachten, ihre Patienten seien in der Trance komplett weggetreten, riefen sie ihnen Befehle zu: "Du hast keine Angst mehr vor Spinnen!" oder "Du hörst ab sofort mit dem Rauchen auf!"

Erst in den 1970er-Jahren änderte sich diese autoritäre Methode mit dem Therapeuten Milton Erickson. Statt immer wieder ein starres Programm ablaufen zu lassen, konzentrierte er sich auf die individuellen Erfahrungen und Gefühle der Patienten.

Er erteilte ihnen keine Befehle, sondern sprach mit ihnen und ließ sie selbst auf eine Lösung kommen. "Milton Erickson führte zur Renaissance der Hypnose", sagt Ebell.

Eine historische Zeichnung zeigt eine Frau, die von einem Mann hypnotisiert wird

Befehle statt Vorschläge: Früher war Hypnose noch sehr autoritär

Trance als Alltagsphänomen

Spätestens seit Erickson wissen Experten: In der Trance sind die Hypnotisierten weder im Schlaf, noch sind sie wach – sie befinden sich in einer Art verändertem Bewusstseinszustand dazwischen, in dem sie sich besser konzentrieren und erinnern können. 

Dieser veränderte Bewusstseinszustand sei im Grunde nichts Besonderes, so Psychotherapeut Ebell. Wir würden ständig zwischen verschiedenen Graden von Aufmerksamkeit hin- und herschalten.

Manchmal legen wir die volle Aufmerksamkeit auf eine Sache, manchmal schweifen wir mit den Gedanken ab – und zeitweise befinden wir uns in Trance.

Es passiert, wenn wir bei der Arbeit abschalten und in Tagträume fallen, einen spannenden Krimi lesen oder einen Film sehen, der uns so fasziniert, dass wir das Gefühl für Raum und Zeit verlieren, bei Gebeten oder Meditationen.

Der US-Psychologe Ernest Rossi konnte in Studien nachweisen, dass jeder Mensch täglich für 45 bis 90 Minuten in einen leichten Trancezustand abtaucht.

Trance ist also ein Alltagsphänomen. Da jeder Mensch diesen Zustand kennt, kann auch grundsätzlich jeder hypnotisiert werden. "Groß angelegte Studien konnten zeigen, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Menschen sehr empfänglich für Hypnose sind", sagt Ebell.

Das sind Menschen mit besonders lebhafter Vorstellungskraft und hoher Kreativität. Aber auch Skeptiker sind zu Hypnose fähig – wenn sie sich darauf einlassen.

Seitdem Forscher zeigen konnten, dass es sich bei der Trance um einen ganz natürlichen Zustand und nicht um einen mysteriösen Zauber handelt, akzeptieren mehr Menschen die Hypnose. Mittlerweile belegen knapp 200 Studien ihre Wirksamkeit.

Seit 2006 ist die Methode sogar wissenschaftlich anerkannt, um Schmerzen oder schlechte Verhaltensweisen zu behandeln. Etwa 10.000 Psychologen und Ärzte praktizieren Hypnose in Deutschland.

Eine Frau sitzt einer anderen Frau mit geschlossenen Augen gegenüber

Trance ist etwas Alltägliches – zum Beispiel bei Tagträumen

Was bei Hypnosen im Gehirn passiert

Inzwischen verstehen Forscher immer besser, was beim Trancezustand im Gehirn passiert. Mit bildgebenden Verfahren konnten sie belegen, dass Hypnosen im Gehirn deutlich messbare Veränderungen auslösen.

Untersuchungen im Hirnscanner haben zum Beispiel gezeigt: Besonders aktiv während der Trance sind die Hirnregionen, die für Sehen, Bewegen und Fühlen verantwortlich sind. 

Diese Areale werden so sehr befeuert, als würden wir gerade wirklich etwas erleben. Die Hirnregionen für Vernunft, Entscheidungen und kritisches Denken sind in der Trance hingegen heruntergefahren.

Forscher aus Jena und Trier haben in einem Versuch sogar herausgefunden, dass unser Gehirn unter Hypnose anders auf Schmerz reagiert. Die Wissenschaftler verbanden die Finger von Versuchspersonen mit einem Kabel, das Schmerzimpulse aussendete und fragten sie, wie stark sie den Schmerz empfanden.

Ohne Hypnose gaben die Probanden an, den Schmerz mittelmäßig bis stark zu spüren. Im Folgeexperiment setzten die Forscher sie in Trance. Mit ruhiger Stimme suggerierten sie ihren Probanden, dass ihre Hand angenehm kühl sei. Das Ergebnis: Der Schmerz wurde nur noch als sehr leicht wahrgenommen.

Das Überraschende: Im Hirnscanner konnten die Forscher sehen, dass die Schmerzimpulse während des kompletten Versuchs gleich stark im Gehirn ankamen. Während der Hypnose hatte das Gehirn die Impulse nur nicht mehr als starken Schmerz interpretiert.

In Trance wird aber nicht nur das Gehirn verändert. "Hypnose beeinflusst den ganzen Körper", sagt Mediziner Ebell. Der Stoffwechsel, die Hormonkonzentration und auch die Immunreaktionen können sich positiv verändern. Der Blutdruck sinkt, die Atmung wird ruhiger und der Puls langsamer – und das bereits ab dem Moment, in dem man in Trance versinkt.

Eine Versuchsperson hat eine EEG-Haube auf dem Kopf und schaut auf einen Bildschirm

Während der Hypnose organisiert sich das Gehirn um

(Erstveröffentlichung 2018. Letzte Aktualisierung 10.07.2020)

Mehr bei Planet Wissen

Quelle: WDR

Darstellung: