Utensilien zum Heroin-Konsum.

Drogen

Heroin

"Eine warme Decke, die sich auf die Seele legt": So beschreiben Heroinnutzer das Gefühl nach der Einnahme. Doch der Stoff macht sehr schnell süchtig.

Von Laura Hennemann

Kurzer Kick und "Goldener Schuss"

Heroin wurde im 19. Jahrhundert als Medikament entwickelt, erst Mitte des 20. Jahrhunderts verboten und begann dann seine Karriere als Droge – immer wieder genutzt von Musikern und Stars.

Der Stoff dockt im Hirn an die Rezeptoren, die eigentlich den körpereigenen Endorphinen vorbehalten sind. Er mindert damit das Schmerzempfinden und wirkt euphorisierend.

Es beginnt mit einem kurzen, intensiven "Kick", der in ein länger andauerndes Gefühl gänzlicher Zufriedenheit übergeht. Die geistige Aktivität ist gedämpft, vor allem negative Empfindungen, Sorgen und Ängste werden unterdrückt.

Bei zu hoher Dosierung allerdings kann die Atemsteuerung im Hirnstamm zum Erliegen kommen – der "Goldene Schuss" führt dann zum Tod durch Ersticken. Janis Joplin erwischte er am 4. Oktober 1970 und Jim Morrison am 3. Juli 1971.

Doch die Geschichte des Heroins reicht um einiges weiter zurück. 1874 wurde der Stoff erstmals hergestellt. Er wurde als Schmerz- und Hustenmittel auf den Markt gebracht und zudem als Alternative und Entzugsdroge zum Opium angepriesen. Erst später stellte sich heraus, dass Heroin tatsächlich noch stärker süchtig macht als dieses.

Dennoch vertrieb das Pharmaunternehmen Bayer bis 1931 Heroin in großem Stil, als Mittel gegen so ziemlich jedes Übel von Asthma bis Depressionen. Und selbst danach konnte man Heroin noch teilweise in der Apotheke kaufen, erst 1971 wurde es in Deutschland verboten – und wurde damit zur illegalen Droge.

Vom Schlafmohn zur Synthese

Heroin zählt zu den halbsynthetischen Drogen, es entsteht durch Weiterverarbeitung natürlich gewonnenen Opiums. An seinem Anfang stehen Schlafmohnfelder, die meisten davon in Afghanistan.

Der weiße Saft des Schlafmohns ist der Ursprungsstoff. Er tritt aus, wenn die unreifen Samenkapseln angeritzt werden. Diesen Milchsaft lassen die Bauern noch an der Kapsel trocknen, um dann eine dunkel verfärbte Masse zu ernten: das Rohopium. Morphin, Codein und Thebain sind seine Wirkstoffe.

Angeritzte Samenkapsel des Schlafmohns.

Milchsaft des Schlafmohns

Aus dem extrahierten Morphin wird durch chemische Weiterverarbeitung Heroin gewonnen: An die Morphium-Moleküle wird eine Acetylgruppe angehängt. So entsteht ein Molekül mit der Summenformel C21H23NO5 und dem chemischen Namen Diacetylmorphin: Heroin.

In seiner Reinform ist es ein weißes, kristallines Pulver. Seine Wirkung ist noch einmal um ein Vielfaches stärker als die des Morphiums.

Die weltweite Opiumernte betrug 2014 knapp 7.400 Tonnen, schätzt der World Drug Report der Vereinten Nationen (UNO). Etwa die Hälfte davon wird zu Heroin weiterverarbeitet, mehrere hundert Tonnen des weißen Pulvers sind das jährliche Ergebnis.

In Europa erzielt dieser veredelte Stoff in seiner Reinform zwischen 150 und 200 Euro pro Gramm. Davon verbleiben nur Centbeträge bei den Bauern.

Doch für die Endabnehmer wird das Pulver gestreckt, die Reinheit liegt bei nur etwa 30 Prozent und schwankt. Gerade der variierende Reinheitsgehalt macht es Süchtigen schwer, die richtige Menge abzuschätzen – auch dadurch kommt es zur Überdosierung.

Weißes und dunkleres Heroin-Pulver.

Reinweiß oder gestreckt?

Einatmen, sniefen, fixen

Gleichzeitig entwickeln Abhängige bald eine Toleranz gegenüber der Droge: Während anfangs wenige Milligramm reichen, benötigen Junkies später ein Vielfaches davon, um die gleiche Wirkung zu erzielen.

Der Stoff wird entweder verdampft und eingeatmet, alternativ als feines Pulver ähnlich wie Kokain durch die Nase geschnupft oder drittens als Lösung in Säure und Wasser intravenös gespritzt. Diese letzte Form wird auch als "fixen" bezeichnet.

Das gemeinsame Nutzen derselben Spritzen birgt dabei das Risiko, sich mit Krankheiten anzustecken, beispielsweise mit HIV und Hepatitis. Zudem können die Strecksubstanzen Vergiftungen hervorrufen. Das "Sniefen" durch die Nase dagegen greift die Schleimhäute an und kann bis zur Durchlöcherung der Nasenscheidewand führen.

Drogenbesteck für den Herion-Konsum bestehend aus einem Löffel, Feuerzeug, einer Spritze, Alluminiumfolie und einem Stück Papier.

Geteilte Spritzen können Krankheiten übertragen

Deutschlands bekannteste Drogensüchtige

Einen ersten Höhepunkt der Heroinsucht gab es in Deutschland Anfang der 1970er-Jahre, weiß man beim Institut für Therapieforschung. Auch Christiane Felscherinow, besser bekannt als Christiane F., war eine der Abhängigen, und zwar schon im Alter von 14 Jahren.

1978 erschien in der Zeitschrift "Stern" ihre Geschichte, kurze Zeit darauf ihr autobiografisches Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Danach war sie wohl Deutschlands bekannteste Drogensüchtige. Das Buch und seine Verfilmung im Jahr 1981 konfrontierten erstmals eine breite Öffentlichkeit mit der Drogenszene deutscher Großstädte.

Filmplakat "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo".

Sucht und Straßenstrich: Das Leben der Christiane F. im Film

Eine zweite Welle starker Heroinnutzung folgte Anfang der 1990er-Jahre. Seither jedoch gehen die Zahlen deutlich zurück, auch wenn niemand sagen kann, wie viele Süchtige es genau gibt.

Rund 1650 erstauffällige Konsumenten wurden im Jahr 2014 laut Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung registriert. Die Zahl ist schon seit Jahren stark rückläufig, dafür steigen die Zahlen von erstauffälligen Konsumenten anderer illegaler Drogen stetig an.

Die schwerste Sucht

"Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" spart auch nicht die Entzugserscheinungen aus: von der ersten Unruhe über Schweißausbrüche, Zittern, Schwäche bis hin zu Gliederschmerzen, Kreislaufstörungen und Zusammenbrüchen. Und dies ist nur die körperliche Seite, dazu kommen noch die nur vage definierbaren psychischen Entzugsgefühle.

Christiane Felscherinow hat immer wieder dem Heroin entsagt – und wurde doch immer wieder rückfällig. Es scheint, als sei sie ein lebendes Beispiel für die Lehrbuchweisheit: Heroinabhängigkeit ist die schwerste Sucht.

Heroin auf Rezept

Planet Wissen 08.05.2020 04:28 Min. UT Verfügbar bis 17.06.2024 WDR Von Jens Hahne

(Erstveröffentlichung: 2012. Letzte Aktualisierung: 07.05.2020)

Quelle: WDR

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