verschiedene Kleinwaffen mit deutscher Flagge

Wirtschaft

Waffenlieferant Deutschland

Auf den ersten Blick wirkt Deutschland wie ein zutiefst friedliches Land. Doch seit Mitte der 1950er-Jahre verkaufen deutsche Rüstungsfirmen Waffen in alle Welt – genehmigt von den jeweils amtierenden Bundesregierungen.

Von Beate Krol und Cordula Weinzierl

Die deutsche Rüstungsindustrie auf dem Vormarsch

Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten die Alliierten den Deutschen die Rüstungsproduktion. Nie wieder sollte von deutschem Boden ein Krieg ausgehen. Doch das auf der Potsdamer Konferenz beschlossene Verbot währte nur kurz.

Die westlichen Staaten brauchten die Bundesrepublik im Kalten Krieg als wehrhaften Verbündeten. So kam es, dass das eigentlich entmilitarisierte Land bereits im Mai 1955 wieder eine eigene Armee bekam und der Nato beitrat.

Auch die deutsche Rüstungsproduktion und der Waffenexport wurden stillschweigend wieder erlaubt. Zwischenzeitlich besaß die Bundesrepublik sogar ein eigenes Rüstungsunternehmen: die Firma Fritz Werner, die sowohl Munition produzierte als auch Munitionsfabriken in anderen Ländern baute.

Sturmgewehr G36

Deutscher Exportschlager Sturmgewehr G36

Der Aufstieg zu einem der größten Waffenlieferanten

Heute sind sämtliche deutschen Waffenfirmen in privater Hand, wobei manche Firmen großen Konzernen angehören, während andere im Familienbesitz sind. Gemeinsam ist allen, dass sie international gut im Geschäft sind.

Im Ranking der größten Waffenexportnationen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI belegt Deutschland seit 2004 kontinuierlich einen der vorderen Plätze. Auch im Zeitraum 2014 bis 2018 war das wieder so: Sechs Prozent der weltweit exportierten Waffen und Waffenbestandteile stammten aus deutscher Produktion. Nur die USA, Russland und Frankreich verkauften mehr Waffen.

Nach SIPRI setzten die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt im Jahr 2020 Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von 531 Milliarden US-Dollar um. Darunter Waffenexporte von vier deutschen Rüstungsunternehmen im Wert von 8,9 Milliarden US-Dollar. Die Greenpeace-Webseite "waffenexporte.org" errechnete, dass die Rüstungsexportgenehmigungen 2021 in Deutschland auf den Rekordwert von 9,04 Milliarden Euro stiegen.

Gingen die Waffen früher überwiegend an Nato-Staaten und Länder, die als Nato-ähnlich eingestuft werden, wie beispielsweise Japan oder die Schweiz, waren in den vergangenen Jahren deutlich mehr Drittländer unter den Abnehmern deutscher Rüstungsgüter. 2020 gehörten zu den Top-10-Beziehern deutscher Waffen insgesamt sechs Drittländer: Ägypten, Israel, Katar, Singapur, Südkorea und Brasilien.

Menschen demonstrieren gegen Waffenhandel

Laut einer EMNID-Umfrage lehnen 83 Prozent der Deutschen Waffenexporte ab

Die Empfänger deutscher Waffen

Die überwiegende Mehrheit der Deutschen – laut einer Emnid-Umfrage von 2016 sind es 83 Prozent – lehnt die Waffenexporte allerdings ab.

Obwohl es im März 2018 im Koalitionsvertrag hieß: "Wir schränken die Rüstungsexporte für Drittländer weiter ein, die weder NATO- noch EU-Mitgliedsländer sind. (...) Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind", lieferte Deutschland weiterhin Waffen an die Kriegsallianz-Länder im Jemen-Krieg – beispielsweise an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Zwar stoppte die Bundesregierung im November 2018 die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, nachdem der regierungskritische Journalist Kashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul ermordet worden war, doch die Rüstungsexporte an andere Drittländer, die in die Konflikte im Jemen und in Libyen verwickelt sind, wurden von der Bundesregierung 2020 in der Höhe von mehr als einer Milliarde Euro genehmigt.  

deutsches Spähfahrzeug Fennek

eutschland lieferte bis zum Exportstopp Panzerfahrzeuge an Saudi-Arabien

Exportgenehmigungen am Fließband

Was sich die Rüstungsfirmen dabei denken, wenn sie um Erlaubnis bitten, Waffen in Diktaturen und bettelarme Länder zu liefern, kann nur vermutet werden. Die Branche ist verschwiegen und nimmt keine Stellung zu der von vielen Seiten geäußerten Kritik.

Von Seiten des Staates werden strittige Anträge meist mit dem Verweis auf außen- und sicherheitspolitische Interessen genehmigt. Oft ist der Waffenhandel auch Teil der Beziehungspflege, ganz besonders gilt das für die ölreichen Golfstaaten.

Keine Regeln ohne Ausnahmen

Maßgeblich für die Entscheidungen der staatlichen Prüfstellen sind das Kriegswaffenkontrollgesetz, die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" und das Außenwirtschaftsgesetz in Übereinstimmung mit den Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgüter der EU und des Vertrags über den Waffenhandel. Wobei das Außenwirtschaftsgesetz bei Waffengeschäften keine große Hürde ist.

Aber auch die deutlich strenger formulierten "Politischen Grundsätze" und das Kriegswaffenkontrollgesetz verkommen immer mehr zu einer Bestimmung, an die man sich halten kann, aber nicht muss.

So werden beispielsweise in den "Politischen Grundsätzen" Waffenlieferungen an Staaten, die die Menschenrechte verletzen und den Terrorismus fördern, explizit ausgeschlossen. Trotzdem segnet der Bundessicherheitsrat auch solche Geschäfte immer wieder ab.

Sanktionsmöglichkeiten gibt es in solchen Fällen so gut wie keine. Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Er besteht aus dem Bundeskanzler oder der Bundeskanzlerin sowie den Chefs oder Chefinnen des Bundeskanzleramts sowie des Außenministeriums, Innenministeriums, Justizministeriums, Finanzministeriums, Wirtschaftsministeriums, Verteidigungsministeriums und des Entwicklungsministeriums.

Blick in den Plenarsaal des deutschen Bundestages.

Das Parlament hat kein Vetorecht bei Rüstungsexporten

Kein Vetorecht des Parlaments bei Rüstungsexporten

2013 wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbart, die Transparenz bei Rüstungsexporten deutlich zu erhöhen. So wurde die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats (BSR) um den Zusatz ergänzt:

"Der Bundessicherheitsrat wird den Deutschen Bundestag künftig nach der Genehmigung (von Rüstungsexporten Red.) unverzüglich unterrichten. Dabei wird er ihn über Art und Umfang des Exportgutes sowie das Empfängerland informieren."

Darüber hinaus soll die Transparenz dadurch erhöht werden, dass der jährliche Rüstungsexportbericht noch vor der Sommerpause des Folgejahres vorgelegt wird. Zusätzlich soll es einen Zwischenbericht geben.

Doch in den Rüstungsexportberichten des BSR werden zwar seitdem die Anzahl der erteilten Exportgenehmigungen, die Art des Rüstungsgutes, der finanzielle Umfang und das Empfängerland aufgeführt, aber detaillierte Angaben dazu, für wen im Empfängerland die Waffen sind, ob beispielsweise für Militär, Polizei oder Privatpersonen, müssen nicht gemacht werden.

Auch um was für Waffen es sich handelt und wie die Bundesregierung die Rüstungsexporte politisch begründet, gibt es keine Auskunftspflicht in den Berichten.

Das Parlament hat (weiterhin) kein Vetorecht für einzelne Rüstungsexportentscheidungen der Exekutive. Dies bestätigt ein Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Oktober 2014:

"Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Bundesregierung ist daher nur verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten."

Quelle: SWR | Stand: 19.01.2022, 12:00 Uhr

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