Blick auf die Residenz.

München

Die Münchener Residenz

Unter Ludwig II. wurde München 1255 zur Hauptstadt des Teilherzogtums Oberbayern. München war nun eine Residenzstadt, also Amtssitz eines Landesherren.

Von Nina von der Bey

Ein Gemäuer erzählt Geschichte

Der Aufstieg Münchens als Residenz geht noch weiter: Als der Herzog Ludwig IV. zum römisch-deutschen Kaiser gewählt wird, wird München 1328 erstmals zur kaiserlichen Residenz. Herrschersitz ist bis zum 15. Jahrhundert der "Alte Hof". Er wird mit der Zeit zu klein und zu unsicher.

Klar, dass da ein neues, repräsentativeres Gebäude her muss. Als Fundament bietet sich die schon 1385 errichtete gotische "Neuveste", eine Burg, an. Im Apothekenhof der Residenz befinden sich noch heute die Kellergewölbe und Grundmauern der einstigen Burg.

Herzog Albrecht beginnt ab 1550 damit, die gotische Burg für seine Zwecke zu erweitern und umzubauen. Seine Nachfolger führen sein Werk über sechs Jahrhunderte nach ihren Vorstellungen weiter. Die Münchener Residenz ist wie ein Bilderbuch, in dem sich jedes Kapitel der Stadtgeschichte wiederfindet.

Raum für Kunst: das Antiquarium

Die Renaissance verewigt sich unter Herzog Albrecht V. im Residenzbau. Der Herrscher braucht Platz für seine umfangreiche antike Skulpturensammlung. Da die alte "Neuveste" nicht genügend Raum bietet, entschließt er sich, einen Saal anbauen zu lassen.

Da es sich um einen Ausstellungsraum für antike Skulpturen handelt, bietet sich der Name Antiquarium an. Was im 16. Jahrhundert unter seiner Hand entsteht, ist nicht irgendein Kunstraum. Vielmehr handelt es sich um den größten Renaissancesaal nördlich der Alpen.

Das Antiquarium ist 66 Meter lang, durch seine vielen Fenster lichtdurchflutet und hat eine rundliche Gewölbedecke. Engagierte Künstler wie Alessandro Scalzi und Antonio Maria Viviani gestalten mit künstlerischer Hand Wände und Fensterumrahmungen des Saals. Sie schaffen 102 Ansichten von Städten, Burgen und Schlössern des Herzogtums, die ganz Bayern in den Saal einkehren lassen. Die Gemäldelandschaft wird erst um 1600 fertig.

Herzog Wilhelm V. und sein Sohn Maximilian I. wollen in dem kunstvollen Saal nicht nur Kunst bestaunen, sondern auch glanzvolle Feste feiern. Sie wandeln den Raum in einen Fest- und Speisesaal um. Um das feine Ambiente weiter zu verschönern, lassen sie ihren Hofmaler Peter Candid 16 Gemälde an die Decke des Renaissancesaals malen. Sie zeigen insgesamt 16 sitzende Frauen als Repräsentantinnen von Ruhm und Tugend.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist von dem prächtigen Saal nicht mehr viel übrig. Viele der Kunstgegenstände konnten zum Glück rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Nach einer groß angelegten Renovierung kann man in dem heutigen Museum noch antike Stücke aus der einstigen Sammlung Albrechts bestaunen.

Das Foto zeigt eine Luftaufnahme der Innenstadt Münchens von 1917. Auch die Residenz ist deutlich zu erkennen. In ihrer Mitte liegt der Brunnenhof. Er ist umgeben von weiteren Höfen und Gebäuden.

Luftbild der Residenz

Für den Kaiser nur das Feinste

Wenn der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation mit seiner Gemahlin in München Station macht, braucht man der kaiserlichen Würde angemessene Gemächer. Für Kaiser Joseph II. glänzen der Vierschimmelsaal und die Steinzimmer.

In dem 1614 gebauten Vierschimmelsaal nimmt er erlesene Speisen zu sich. Um ihn herum sind die Wände mit kostbaren Wandteppichen geschmückt. Das Gemälde an der Decke über ihm zeigt Apoll, den griechischen Gott des Lichts, wie er in seinem Sonnenwagen von vier Schimmeln gezogen wird.

Wenn er sich nach dem Dinner mit seiner Frau in die privaten Gemächer zurückziehen will, durchquert der Kaiser den Speisesaal und betritt die Steinzimmer. Sie sind reich mit Marmor und Stuckmarmor ausgestattet. Ihr Name liegt geradezu auf der Hand.

Kaiser Joseph II. in seiner kaiserlichen Tracht. Die Haare hat er der Mode nach zum Zopf gebunden. Er steht an seinem Schreibtisch, den ein Globus und eine Landkarte zieren.

Auch Kaiser Joseph II. residierte in den vornehmen Zimmern

1726 bezieht Kurfürst Albrecht I. den Herrschaftssitz. Seinen Anspruch auf die Kaiserwürde, die ihm 1742 zuteil wird, will er mit der Ausstattung der sogenannten reichen Zimmer dokumentieren. Er lässt die prächtigen Raumfluchten vom Baumeister François Cuvilliés einrichten. Ergänzt werden die prunkvollen Zimmer mit Pariser Luxusmöbeln und kostbaren Textilien.

Zu den reichen Zimmern gehört auch die Grüne Galerie. Die Wände sind mit zart schimmerndem, grünem Seidendamast bespannt. Der Saal ist Schauplatz glanzvoller Feste. Der Kurfürst lädt zwei Mal in der Woche ausgewählte Gäste ein. An diesen Abenden spiegelt sich das Licht hunderter Kerzen in Spiegelflächen und Gold.

Jede Menge Theater

Kurfürst Max Joseph III. lässt ein Residenztheater bauen. Ab 1751 entsteht unter Leitung von François de Cuvilliés am östlichen Rand der Residenz ein Theatersaal im Rokokostil. Selbstverständlich ist das "Neue Opera Hauß", wie man das neue Theater stolz nennt, nur Mitgliedern der Hofgesellschaft vorbehalten. Das Theater ist Schauplatz vieler Barockopern, unter anderem findet dort die Uraufführung von Mozarts "Idomeneo" statt.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird das Residenztheater unter Ludwig I. geschlossen. Schuld an der Schließung sind die Kosten und die laut werdende Kritik am Rokoko. Mit dem populär werdenden Klassizismus kehren sich sämtliche Kunstrichtungen vom Barock und dem damit verbundenen Rokoko, der auch als Spätbarock bezeichnet wird, ab.

Genau das geschieht auch mit der Rokoko-Ausstattung des Theaters. Sie wird 1850 abgebaut und nummeriert eingelagert. Der leere Zuschauerraum dient von nun an nur noch als Aufbewahrungsraum für die Requisiten des Nationaltheaters.

Das ist aber nicht das Ende für die Bühne des Residenztheaters: Der nächste Herrscher, König Maximilian II., lässt den Zuschauerraum rekonstruieren. Zum Geburtstag des Königs, am 28. November 1857, wird das Schauspielhaus wieder eröffnet.

Im Zweiten Weltkrieg wird die kostbare Ausstattung ein zweites Mal abgebaut. In Kisten verpackt übersteht allerdings nur die eingelagerte Möbelpracht den Krieg. Bei einem Angriff wird 1944 die architektonische Hülle des Theaters komplett zerstört.

Auf den Grundmauern des alten Residenztheaters wird nach dem Krieg das Bayerische Staatsschauspiel errichtet. Die Rokoko-Ausstattung des alten Residenztheaters wird 1958 wieder hervorgeholt: An den Apothekertrakt der Residenz wird das heutige Cuvilliés-Theater angebaut.

Zur 800-Jahr-Feier Münchens 1958 wird es mit Mozarts "Hochzeit des Figaro" eröffnet. Das Alte Residenztheater in seinen neuen Mauern ist vom Brunnenhof der Residenz aus zugänglich. Von ihm aus kann man auch das Neue Residenztheater, das Staatsschauspiel, erreichen.

Der Rokoko-Saal des Cuvilliés-Theaters. Emporen über vier Stockwerke ermöglichen Besuchern eine gute Sicht. Sie sind mit Schnörkeln verziert und goldweiß lackiert. Eine edle Tapete ziert die Wände. Kronleuchter hängen von der hohen Decke und schaffen eine festliche Stimmung.

Das Cuvilliés-Theater ist wohl Münchens prachtvollster Theatersaal

Unverschonte Schönheit

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution von 1918 endet die 600-jährige Tradition der Residenz als Sitz von Adeligen. Wo einst der Kaiser dinierte, öffnen sich nun die Pforten für Museumsbesucher. Die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg verschonen neben dem Antiquarium auch nicht den Rest der Residenz.

Die Räume im Obergeschoss sind zum großen Teil abgebrannt. Im Erdgeschoss haben Sprengbomben und Luftminen gewütet. Zahlreiche Räume, wie das Antiquarium, werden durch die Schäden zum Einsturz gebracht. Von 23.000 Quadratmetern Gebäudefläche bleiben gerade einmal 50 übrig.

Um zu retten, was noch zu retten ist, wird schon 1944 ein Büro gegründet. Die erhaltene Bausubstanz und die übrig gebliebenen Räume werden so gut wie möglich gesichert. Wertvolle Fundstücke werden aufgesammelt und gelagert. Glücklicherweise konnte ein großer Teil der Kunstschätze schon vor den Angriffen ausgelagert werden.

Mit Hilfe von alten Plänen und Sachverständigen wird die Residenz als Gesamtkunstwerk wieder aufgebaut. Ziel bei dem Wiederaufbau ist es, um die alten Kunstschätze herum ein kulturelles Zentrum entstehen zu lassen. Zum Beispiel baut man nach dem Krieg an die Stelle eines zerstörten Thronsaals den Herkulessaal, der heute zu Münchens wichtigsten Konzertsälen für klassische Musik zählt.

Restaurierter Saal des Antiquariums

Das Antiquarium erstrahlt im alten Glanz

(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 26.08.2020)

Quelle: WDR

Darstellung: