Kanadischer Ureinwohner mit Federschmuck

Kanada

Die kanadische Bevölkerung

Kanada ist ein Mosaik der Kulturen. Hier leben rund 35 Millionen Menschen. Jährlich kommen mehrere hunderttausend Einwanderer ins Land, das ist weltweit eine der höchsten Einwanderungsraten.

Von Katrin Lankers

Die ersten Völker

Fast die Hälfte der Kanadier ist nicht französischer oder britischer Abstammung. Und auch die Franzosen und die Briten sind vor rund 500 Jahren als Einwanderer ins Land gekommen.

Multikulturalismus ist in Kanada ein politisches Programm, ist Chance und Herausforderung zugleich. Das Ziel ist kein Melting pot, kein Schmelztiegel, wie es das US-amerikanische Idealbild darstellt, sondern ein bunter Flickenteppich der kulturellen Vielfalt.

Sie waren die Ersten: Über die Beringstraße kamen die Ureinwohner Kanadas aus Sibirien ins Land. Wann genau das war – vor 50.000 oder erst vor 10.000 Jahren – dazu gibt es unterschiedliche Theorien.

Sicher ist: Sie kamen in mehreren Schüben im Verlauf Tausender von Jahren. Einige von ihnen waren sesshaft, andere Nomaden.

Für die ersten französischen und britischen Siedler waren die Ureinwohner zunächst Handelspartner. Die europäischen Einwanderer brauchten die Hilfe der Indianer, wie sie sie nannten, für den Pelzhandel.

Allerdings wüteten aus Europa eingeschleppte Krankheiten unter den Stämmen und viele Ureinwohner starben daran. Auch wurden einige Stämme von den Europäern unbarmherzig bekämpft, die Beothuk auf Neufundland wurden gar vernichtet.

Ab 1830 begann die kanadische Regierung, die Indianer in Reservate umzusiedeln – und startete ein paar Jahrzehnte später den Versuch, sie zwangsweise einzugliedern, etwa durch sogenannte Indianerinternate. Erst in den 1960er Jahren verstärkte sich der Widerstand.

In den 1970ern entschied man sich in Kanada für die politisch korrektere Bezeichnung "First Nations" ("Erste Völker", Ureinwohner). 1982 bildete sich eine gemeinsame Vertretung der indianischen Völker Kanadas, die Versammlung der First Nations, um an einer neuen kanadischen Verfassung mitzuwirken.

Etwa 700.000 Angehörige der First Nations leben in Kanada. Sie gehören mehr als 600 verschiedenen Gruppen an, die zehn verschiedene Sprachen und davon nochmal 50 unterschiedliche Dialekte sprechen.

Auch wenn einige sich inzwischen selbst verwalten und Landansprüche eingeklagt werden konnten, leiden gerade die First Nations unter starken sozialen Problemen von Armut bis Alkohol- und Drogenabhängigkeit.

Die zweite Gruppe der Urbevölkerung wird Métis genannt. Sie sind die Nachfahren der ersten Siedler und Pelzhändler, die eine Verbindung mit indianischen Frauen eingegangen sind. Heute leben knapp 400.000 Métis in Kanada.

Ein schwarzer Mann und eine indigene Frau stehen nebeneinander und haben sich Decken über die Schultern gehängt

Einmal im Jahr wird in Kanada der indigenen Soldatinnen und Soldaten der Weltkriege gedacht

Die Menschen im Eis

Die dritte Gruppe der indigenen (eingeborenen) Völker bilden die Inuit. Ihr Name bedeutet "Menschen" in ihrer Sprache, dem Inuktitut. Von den Indianern wurden sie "Eskimo" genannt, "Rohfleischfresser".

Ihr traditioneller Lebensraum ist die Arktis – im Westen vom US-amerikanischen Staat Alaska und im Osten von der Küste Labradors begrenzt.

Die Inuit sind deutlich später als die Indianer nach Kanada gelangt, vermutlich etwa um 3000 vor Christus. Ursprünglich lebten sie als Nomaden, hauptsächlich von der Jagd.

Zuerst kamen die Walfänger und Pelzhändler in die Gebiete der Inuit, dann folgten die Missionare. Die Inuit hat das wenig beeindruckt. Erst mit dem Zweiten Weltkrieg kam die kanadische Regierung in ihr Gebiet, um Flugplätze und Radaranlagen zu bauen.

Die Inuit zogen in feste Häuser, bekamen medizinische Versorgung, Schulen – und wurden nicht selten abhängig von staatlicher Fürsorge, denn von der Jagd allein konnten sie nicht mehr leben.

Die Inuit-Kunst wurde zu einer Haupteinnahmequelle. 1999 konnten die Inuit einen großen Erfolg im Streben nach Unabhängigkeit verbuchen: die Gründung ihres eigenen Territoriums "Nunavut".

Ein Inuit-Kind lacht den Betrachter an. Sein Gesicht ist von einem dicken Pelz umrahmt.

Gut eingepackt gegen die Kälte

Ein zweigeteiltes Land

Der Grundstein für den Konflikt zwischen der franko- und anglokanadischen Bevölkerung wurde bereits mit der europäischen Besiedlung im 16. und 17. Jahrhundert gelegt. Damals setzten sich die Engländer und Franzosen als bedeutendste Kolonialmächte in Nordamerika durch.

1663 übernahm die französische Krone die Herrschaft über die Kolonie Neufrankreich – also die französischen Siedlungsgebiete in Nordamerika. Das war der Beginn der Erkundung und Besiedlung des Hinterlandes vom St. Lorenz-Strom aus.

Den Briten in Neuengland wurde der Weg ins Hinterland abgeschnitten und damit der Pelzhandel erschwert. Heftige Kämpfe waren die Folge. Aus der entscheidenden Schlacht auf der Abraham-Ebene 1759 gingen die Briten siegreich hervor. Im Pariser Frieden von 1763 trat Frankreich seine Gebiete in Nordamerika an Großbritannien ab.

Nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg siedelten rund 50.000 "Loyalisten" – Getreue der britischen Krone – auf das Gebiet des heutigen Kanadas über. In der Verfassung von 1791 wurden eine französische und eine britische Provinz mit eigener Selbstverwaltung eingerichtet, 50 Jahre später wurden sie zur Provinz Kanada vereinigt, Amtssprache: Englisch.

1867 wurde der Bundesstaat gegründet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Kanada ein souveräner Staat mit dem britischen König oder der Königin an der Spitze.

Ein alter Stich: Drei Häuser entstehen U-förmig um einen Platz.

Die ersten Häuser in Québec

Von Bi zu Multi

Die französisch geprägte Provinz Québec hat in Kanada stets eine Sonderrolle gespielt. Seit der Niederlage gegen die Briten haben sich die Frankokanadier bemüht, ihre Kultur zu erhalten. Wirtschaftlich dominierten aber die Anglokanadier in Québec.

Gegen die wirtschaftliche Abhängigkeit und Bevormundung lehnte sich die Bevölkerung in den 1960er Jahren mit der "Stillen Revolution" auf. Das Ziel: mehr Selbstbestimmung. Viele Frankokanadier fordern gar bis heute einen unabhängigen Staat Québec.

Treibende Kraft war und ist die "Parti Québécois" (PQ), die mehrfach mit Volkabstimmungen versucht hat, die Unabhängigkeit für die Provinz durchzusetzen.

Der Staat reagierte mit zahlreichen Zugeständnissen: 1965 löste etwa das Ahornblatt den Union Jack auf der Nationalflagge ab und 1969 wurde Französisch zweite Amtssprache neben Englisch.

In die Debatte um das Miteinander der beiden Gründerkulturen klinkten sich die europäischen Minderheiten im Land ein. So entstand aus dem Bi-Kulturalismus der Multi-Kulturalismus, sozusagen als unbeabsichtigtes Nebenprodukt der frankokanadischen Separationsbestrebungen. 1985 wurde er als Grundrecht in der Verfassung verankert.

Eine Menschenmenge auf einer Tribüne.

Die Bevölkerung ist bunt gemischt

Mosaik der Kulturen

Kanada ist ein klassisches Einwanderungsland. Seit der Kolonialisierung sind Gruppen von Einwanderern in mehreren Immigrationsphasen ins Land gekommen.

Los ging es im 17. und 18. Jahrhundert mit den französischen Einwanderern. Die britischen Siedlungsgebiete der "Loyalisten" lockten im 19. Jahrhundert zahlreiche britische Einwanderer an. Zu dieser Zeit kamen aber auch bereits Einwanderer aus anderen europäischen Ländern, vor allem Deutsche – rund 2,8 Millionen Kanadier haben deutsche Wurzeln.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte Kanada eine explosionsartige Einwanderung. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden vor allem aus China Arbeiter ins Land geholt.

Allerdings waren diese rassistischen Übergriffen ausgesetzt. Mit Slogans wie "We don't want Chinamen in Canada" ("Wir wollen keine 'Chinamen' in Kanada") wurde das Gespenst einer "gelben Gefahr" an die Wand gemalt.

Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, weil auch die Einwanderer im Krieg ihren Blutzoll entrichtet hatten und weil in einer Zeit des Wirtschaftsbooms neue Arbeitskräfte gebraucht wurden.

Bis in die 1970er Jahre kamen vor allem Italiener, Portugiesen und Griechen, dann verstärkte sich der Zuzug aus der Karibik und Lateinamerika und auch aus dem pazifischen Raum.

Heute ist es schwer, die Anteile der einzelnen Gruppen genau zu berechnen. Zunehmend definieren sich die Menschen selbst als "Kanadier", in der Volkszählung von 1996 gaben 29 Prozent der Befragten als ethnische Herkunft "kanadisch" an, weitere 34 Prozent bezeichneten sich als "teilweise kanadisch".

Eine Ladenzeile mit chinesischen Geschäften, Markisen mit chinesischen Schriftzeichen.

China-Town in Vancouver

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 19.06.2019)

Stand: 19.06.2019, 15:08 Uhr

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