Szene aus dem Zeichentrickfilm Dschungelbuch: Mogli und Balu der Bär mit dem Rücken auf dem Wasser

Tier und Mensch

Bär und Mensch

Seit Jahrtausenden wird der Bär von den Menschen gleichermaßen verehrt und gefürchtet. Dieses zwiespältige Verhältnis führte dazu, dass Bären bis heute verfolgt und gejagt werden.

Von Susanne Wagner

Meister Petz und seine magischen Kräfte

Bären galten einst als starke und nahezu unbesiegbare Raubtiere – doch sie wurden im Lauf der vergangenen Jahrhunderte in vielen Teilen der Erde fast völlig ausgerottet. Die Bejagung und die Zerstörung ihrer Lebensräume bedrohen inzwischen viele Arten. Der Mensch ist zum gefährlichsten Feind des Bären geworden.

In der Kulturgeschichte des Menschen ist der Bär allgegenwärtig. Bärenmotive zählen zu den ältesten Felsgravuren und Höhlenmalereien. Bei vielen Völkern galt das kräftige Tier als heilig: Ein erlegter Bär versorgte viele Menschen mit Nahrung und warmer Kleidung.

Höhlenmalerei eines Höhlenbärs

Der Bär – beliebtes Motiv in der Höhlenmalerei

Auf der japanischen Insel Hokkaido zogen die Ureinwohner der Ainu bis weit in das 20. Jahrhundert Bären auf, um sie jährlich zum "Bärenfest" in einer rituellen Zeremonie zu töten. Wer anschließend von dem Bärenfleisch aß, so glaubte man, nehme den Geist des Bären in sich auf und werde ein großer Krieger.

Während der Bär in freier Wildbahn seltener wird, ist er in Märchen und Mythen lebendig geblieben. Nur gelegentlich schlüpft er dabei in die Rolle der wilden Bestie. Meistens ist er der liebenswerte Freund, mal fürsorglich, mal tollpatschig, mal schlau.

Zu den berühmtesten Bären des 20. Jahrhunderts zählen die Zeichentrickfiguren Winnie Puuh und Paddington, der etwas ungeschickte Riesenbär Samson aus der Kinderfernsehsendung "Sesamstraße" und natürlich Balu, der Bär aus dem "Dschungelbuch", der in der Walt-Disney-Verfilmung für "Ruhe und Gemütlichkeit" plädiert und sich mit dem Menschenjungen Mogli anfreundet.

Auch in vielen Kinderzimmern wird es erst dann behaglich, wenn ein kuscheliger Plüschbär im Arm liegt: Seit mehr als hundert Jahren sind Teddys geduldige Tröster und Zuhörer.

Der Mensch drängt die Bären zurück

In der freien Wildbahn dagegen sieht es anders aus. Viele Bärenarten leben heute nur noch in sehr kleinen, weit verstreuten Arealen. Bei den meisten Großbärenarten sind die Bestandszahlen stark gesunken.

Die meisten Tiere sind in Reservaten und Nationalparks zu Hause und durch Gesetze wie Jagdverbote geschützt. Ihre ursprünglichen Lebensräume, wie zum Beispiel die Wälder Mitteleuropas, sind durch die Expansion des Menschen gefährdet beziehungsweise schon ganz zerstört. Die Zersiedelung der Landschaft verdrängt den Bären.

In Europa waren Braunbären bis vor etwa 1000 Jahren fast überall zu finden. Bis ins Mittelalter konnten sie sich in den großen Waldgebieten ungestört ausbreiten. Erst durch den Anstieg der Bevölkerung und die großflächige Vernichtung von Wald für die Gewinnung von Brennholz, Acker- und Siedlungsfläche wurde der Lebensraum für die gewichtigen Tiere immer kleiner, bis sie mehr und mehr verschwanden.

In Deutschland soll der letzte Braunbär 1835 in Oberbayern erschossen worden sein. Ein kurzer Ausflug in die bayerischen Alpen endete für Braunbär "Bruno" im Jahr 2006 tödlich, weil er sich zu oft menschlichen Siedlungen näherte.

Ausgestopfter Bär Brun

"Problembär" Bruno steht mittlerweile ausgestopft in einem Münchner Museum

In Europa findet man Braunbären vor allem noch in Skandinavien und in osteuropäischen Ländern wie Slowenien, Bulgarien, Kroatien und Rumänien. Kleinere Gruppen leben auch in Österreich, der Schweiz, Italien, den Pyrenäen und in Nordspanien.

Bäriges Objekt der Begierde

In Asien wird Bärenfleisch bis heute gegessen. Frisches oder in Dosen konserviertes Bärenfleisch (insbesondere Bärentatzen) gilt als exquisite Delikatesse, die angeblich Erkältungen vorbeugt und vitalisierend wirken soll.

Da Bären die einzigen Säugetiere sind, die große Mengen an Gallensäure produzieren, gründete man in den 1980er-Jahren in China Hunderte von Bärenfarmen. Dort werden in engen schmutzigen Käfigen tausende Tiere gefangen gehalten, die man in der freien Wildbahn meist brutal mit dem Fangeisen gestellt hat.

Durch die Bauchdecke hindurch wird ihnen an der Leber vorbei bis zur Gallenblase ein etwa 15 Zentimeter langes Metallrohr getrieben. Zweimal am Tag wird aus dem Metallrohr der Propfen herausgezogen, um etwa 100 Milliliter Gallensaft abzuzapfen, der zu Bärengallenpulver verarbeitet wird.

Dieses Mittel wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin eingesetzt und soll unter anderem bei Erkrankungen der Leber, des Herzens und des Verdauungstraktes helfen. Die Wunden der Bären sind vereitert, die Tiere müssen unvorstellbares Leid ertragen.

Auch in Vietnam gibt es Bärenfarmen. Dort werden die Bären alle drei Monate einer Operation unterzogen, um den Gallensaft direkt zu entnehmen. Die meisten Bären stehen maximal vier der unter schmerzhaften und unhygienischen Umständen stattfindenden Eingriffe durch, bevor sie daran qualvoll zugrunde gehen.

Kragenbär in einem viel zu kleinen Käfig

Bärenfarm in Vietnam

Laut Washingtoner Artenschutzabkommen ist der Export von Bärengallenpulver verboten, aber dennoch blüht der Handel weiter.

Tragisch und verrückt: Seit den 1950er-Jahren lässt sich Gallensaft auf synthetischem Weg wesentlich billiger und schneller herstellen. Allein die USA produzieren jährlich viele Tonnen. Und auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin gibt es genügend Kräuter, die die Säure ersetzen können.

(Erstveröffentlichung 2003, letzte Aktualisierung 03.09.2018)

Quelle: SWR

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