Gummi

Autoreifen

Goodyear, Dunlop und Michelin: Wer weiß, wie unsere Straßen heute ohne diese drei Männer aussehen würden? Sie legten die Grundlage für den modernen Reifen, der heute milliardenfach für die Fortbewegung der Menschen sorgt.

Von Ingo Neumayer

Gummi und Luft statt Holz und Metall

Noch bis weit ins 19. Jahrhundert waren die meisten Räder von Kutschen, Anhängern, Fuhrwerken und sonstigen Gefährten aus Holz und mit einem Stahlreif versehen, der als Lauffläche diente.

Einen ersten Schritt zum modernen Reifen machte der Amerikaner Charles Goodyear, als er Mitte des 19. Jahrhunderts Kautschuk und Schwefel vermischte und erhitzte. Das Ergebnis dieser Vulkanisation war trocken, elastisch und bei Kälte wie Wärme gleichermaßen stabil: Das Gummi war erfunden.

Große Erfinder: Goodyear, Dunlop und Michelin

Das neue Material von Goodyear kam zunächst allerdings nur vereinzelt bei Fahrzeugen zum Einsatz. Das änderte sich ab 1887, als der Ire John Dunlop das Dreirad seines Sohnes entscheidend verbesserte: Er ersetzte die Hartgummireifen durch selbstgebastelte Reifen mit Luftfüllung. Das Ergebnis überzeugte: Das Rad fuhr schneller, war griffiger und besser gefedert. Dunlops Verbesserung setzte sich schnell durch.

Den endgültigen Durchbruch hat der Luftreifen dem Franzosen Édouard Michelin zu verdanken. Er konzipierte den auswechselbaren Luftreifen und setzte einen Schlauch ein. Seine Idee verbreitete sich zunächst unter Fahrradfahrern und wenig später auch bei den gerade erfundenen Autos. Schon 1895 nahm das erste Auto auf Luftreifen an einem Autorennen teil.

Historische Werbung für Reifenhersteller Michelin

Das Michelin-Männchen wurde weltbekannt

Ständige Verbesserungen

Das Grundprinzip des Luftreifens hatte sich durchgesetzt, und in den folgenden Jahrzehnten wurde dieser stetig verbessert. Standen die Reifen zunächst unter sehr hohem Druck und platzten entsprechend oft, entwickelte Michelin 1923 einen Niederdruckreifen mit 2,5 Bar. Dieser ermöglichte die beachtliche Laufleistung von 15.000 Kilometern. Zudem wurde die Reifen im Inneren mit Metall verstärkt und der Gummi mit Kohlenstoff gemischt, um weniger Abrieb zu erzeugen.

Mitte des 20. Jahrhunderts kam der Radial- oder Gürtelreifen auf den Markt, dessen stabilisierende Schichten nicht wie früher diagonal, sondern quer zur Fahrtrichtung lagen. Diese Reifen hatten eine höhere Lebensdauer, boten größere Sicherheit und ließen höhere Geschwindigkeiten zu.

1955 wurde der "Tubeless"-Reifen serienreif, bei dem eine robuste Gummischicht im Inneren des Reifens mit Luft gefüllt wurde. Dieses System ersetzte den anfälligen Schlauch. Radialreifen und das "Tubeless"-System setzten sich schnell durch und sind bis heute bei den meisten Autos Standard.

US-Reifenfabrik in den 1950er-Jahren

Reifen-Innovationen der 1950er-Jahre haben bis heute Bestand

Aufbau des Reifens

Moderne Autoreifen sind in der Regel nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. In der Mitte sitzt eine Felge aus Stahl oder Leichtmetall, auf der der Reifen montiert wird. Dieser wird durch ein Gerüst aus ein oder zwei Gewebeschichten zusammengehalten, der Karkasse. Dieses Gewebe besteht aus Kunstfasern oder Stahlseilen.

Eine Drahtwulst sorgt dafür, dass der Reifen fest auf der Felge sitzt, ein Stahlgürtel stabilisiert zusätzlich. Der Innerliner ist eine luftundurchlässige Gummischicht, die innen auf der Karkasse angebracht wird und den Schlauch ersetzt.

Je nach Modell, Jahreszeit sowie Verwendung kommen verschiedene Laufflächen zum Einsatz. Diese unterscheiden sich vor allem beim Profil sowie der Materialmischung.

Grafik: Aufbau eines Autoreifens

Aufbau eines Autoreifens

Runderneuert – Geld sparen oder Leben riskieren?

Die Karkasse eines Reifens ist deutlich langlebiger als die Lauffläche. Deshalb kann man diese austauschen: Die alte Lauffläche wird abgeschabt und aufgeraut, anschließend wird eine neue Lauffläche angebracht und vulkanisiert. Man spricht dann von einem runderneuerten Reifen, der entsprechend gekennzeichnet sein muss.

Diese Reifen sind günstiger als neue Reifen. Allerdings kann man mit ihnen nicht mehr so schnell fahren; sie werden beim vorgeschriebenen Geschwindigkeitsindex automatisch eine Stufe herabgestuft. Zudem nutzen sie sich etwas schneller ab.

Auf dem Pkw-Markt spielen runderneuerte Reifen so gut wie keine Rolle, ihr Anteil liegt bei etwa fünf Prozent. Schuld daran dürfte das schlechte Image aus früheren Tagen sein.

Inzwischen werden runderneuerte Reifen aber auch mit Qualitätsgarantie von anerkannten Herstellern angeboten. Bei den Nutzfahrzeugen ist der Anteil deutlich höher: Rund 50 Prozent der Lkw fahren mit runderneuerten Reifen.

Altreifen liegen kreuz und quer

Aus alt mach (fast) neu

Sommer, Winter, Allwetter

Je nach Jahreszeit bieten die Händler Reifen mit unterschiedlichen Eigenschaften an. Sommerreifen besitzen härtere Gummimischungen. Das garantiert die Stabilität und verhindert Abrieb auch bei höheren Temperaturen.

Winterreifen dagegen sind aus weicherem Gummi und dadurch griffiger auf Schnee oder rutschigem Untergrund. Außerdem haben sie meist ein spezielles Profil, das Schnee und Matsch während der Drehung nach außen lenkt, damit die Rillen nicht verstopfen.

Allwetterreifen liegen von ihrem Härtegrad dazwischen und können das ganze Jahr gefahren werden. Auf Schnee und Eis haben sie allerdings einen deutlich längeren Bremsweg. In schnee- und frostreichen Gegenden sollte man auf diese Reifen verzichten.

Auto mit Vorderreifen auf Schnee

Mit den falschen Reifen kommt man im Winter ins Rutschen

Von Oktober bis Ostern

Viele Autofahrer befolgen die Faustregel "Von O (Oktober) bis O (Ostern)" und ziehen in diesem Zeitraum Winterreifen auf.

Zudem hält sich das Gerücht, dass Sommerreifen unter sieben Grad Außentemperatur zu hart würden und nicht mehr die nötige Bremskraft aufwiesen. Doch mehrere Tests haben belegt: Das stimmt so nicht. Auch unter sieben Grad haben Sommerreifen sowohl auf trockener als auch auf nasser Fahrbahn einen kürzeren Bremsweg als vergleichbare Winterreifen.

Die sind nur in einer Situation im Vorteil: Wenn es glatt ist, Schnee oder Schneematsch auf der Straße liegen. Wer sein Auto also bei Schnee und Glätte stehen lässt, kann auch zwischen Oktober und Ostern mit Sommerreifen fahren.

Winterreifenpflicht und Bußgelder

In Deutschland gibt es eine situative Winterreifenpflicht (zu denen auch Allwetterreifen zählen), wenn Glätte oder Schnee auf den Straßen herrschen. Wer sich nicht daran hält, muss mit einem Bußgeld von mindestens 60 Euro sowie einem Punkt in Flensburg rechnen.

Das Gleiche gilt für die Profiltiefe der Reifen, die mindestens 1,6 Millimeter betragen muss. Experten empfehlen allerdings, bei Sommerreifen auf ein Profil von mindestens 3 Millimetern, bei Winterreifen von mindestens 4 Millimetern zu achten.

Messung der Profiltiefe an Autoreifen

1,6 Millimeter Profiltiefe braucht ein Reifen mindestens

Kennzeichnung von Reifen

Was bedeuten die Ziffern und Buchstaben am Rande eines Reifens? Ein Autoreifen muss laut EU-Vorschrift entsprechend gekennzeichnet sein. Die erste Zahlenkombination steht für die Reifenbreite sowie das Verhältnis zur Höhe. Ein Reifen, der mit 175/65 gekennzeichnet ist, ist 175 Millimeter breit, und die Höhe (von der Felge bis zur Außenkante) beträgt 65 Prozent der Breite. Reifen mit 40 Prozent sind zum Beispiel sehr flache, eher sportlich wirkende Reifen.

Danach folgt in der Regel der Buchstabe R (für Radialkarkasse, Diagonalkarkassen haben ein D oder ein -) sowie der Felgendurchmesser, der meist in Zoll angegeben ist. Es folgen die Kennziffer für die Belastbarkeit sowie ein Buchstabe, der die zulässige Höchstgeschwindigkeit angibt.

Winterreifen sind mit einem Symbol (dreizackiger Berg mit Schneeflocke) gekennzeichnet, die Buchstabenkombination M+S steht für "Matsch+Schnee", runderneuerte Reifen erkannt man am Zusatz "runderneuert", "retread" oder "R".

Auch das Herstellungsdatum ist ablesbar, meist am Ende einer Markierung namens DOT. Wenn dort in einem Oval die Ziffern 1116 zu finden sind, heißt das, dass der Reifen in der elften Woche des Jahres 2016 produziert wurde.

Fahrzeughalter finden in den Fahrzeugpapieren genaue Informationen, mit welchen Reifen sie fahren dürfen.

Kennzeichnung an Autoreifen

Größe, Belastbarkeit, Höchstgeschwindigkeit: Steht alles drauf

(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 01.07.2019)

Quelle: WDR

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