Matrosenaufstand in Kiel 1918: eine große Menschenmenge mit Plakaten

Erster Weltkrieg

Matrosenaufstand und Novemberrevolution 1918

Im Herbst 1918 zeichnete sich ab, dass Deutschland den Ersten Weltkrieg verlieren würde. Trotzdem sollten die Soldaten weiterkämpfen. Die Matrosen wehrten sich – und lösten eine Revolution aus.

Von Knut Weinrich

Der Matrosenaufstand

Mit großer Begeisterung war das Deutsche Reich in den Ersten Weltkrieg gezogen. Die Verantwortung für Deutschland trugen insbesondere der Adel und der deutsche Kaiser Wilhelm II. Sie schaufelten damit das Grab für etwa zwei Millionen deutsche Soldaten – und für die eigene Herrschaft.

Der Erste Weltkrieg war spätestens im September 1918 für Deutschland verloren. Vorgespräche zu Waffenstillstandsverhandlungen wurden aufgenommen. Dennoch wollte die Seekriegsleitung die kaiserliche deutsche Flotte auslaufen lassen, zu einer letzten Seeschlacht gegen die Briten. Ziel war die "Ehrenrettung".

Es wäre jedoch ein Himmelfahrtskommando gewesen, also ein Befehl, der mit großer Wahrscheinlichkeit die meisten Soldaten das Leben gekostet hätte. Deshalb erhoben sich die Matrosen in Wilhelmshaven und Kiel Ende Oktober 1918: Sie verweigerten den Befehl.

Eine Gruppe Matrosen in Kiel 1918

Matrosenaufstand in Kiel 1918

Der Matrosenaufstand wirkte wie ein Streichholz an einer Zündschnur. Mit rasender Geschwindigkeit breitete sich die Revolte über Deutschland aus und erfasste nach den Soldaten bald auch die Arbeiter.

Die Kriegsmüdigkeit, die langen Jahre des Hungers und der Entbehrungen, die Enttäuschung über den verlorenen Weltkrieg und auch der Wunsch nach einer neuen politischen Ordnung, nach Abschaffung der Monarchie, die doch in diesen Krieg geführt hatte – all das befeuerte die Revolution.

Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen in den ersten beiden Novemberwochen 1918 in fast allen größeren deutschen Städten die Führung. Sie forderten Frieden, Demokratie und Abdankung des Kaisers sowie der übrigen Herrscher in Deutschland, etwa des Königs von Bayern, des Königs von Württemberg und des Großherzogs von Baden.

Kaiser Wilhelm II. bei einem Besuch der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen in Galizien.

Kaiser Wilhelm II. (Mitte) wollte Kaiser bleiben

Kaiser Wilhelm II. wollte nicht abdanken. Doch sein Reichskanzler, Max Prinz von Baden, erklärte am 9. November den Thronverzicht des Kaisers, der daraufhin am 11. November ins Exil in die Niederlande floh. Er hatte keinen Rückhalt mehr, weder in der Armee noch im Volk.

Nun brach die gesamte monarchistische Ordnung, der alte Obrigkeitsstaat, zusammen. Wilhelm II. kehrte nie wieder nach Deutschland zurück.

Demokratie in Deutschland

Am Tag der unfreiwilligen Abdankung des Kaisers rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Fenster des Berliner Reichstages die Republik aus. Nur zwei Stunden später erklärte Karl Liebknecht die Geburt der "freien sozialistischen Republik Deutschland" von einem Balkon des Berliner Stadtschlosses aus. Karl Liebknecht war Mitglied des Spartakusbundes, der wenig später in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aufging.

So zeigten sich am 9. November schon deutliche Konfliktlinien zwischen politischen Gruppen. Die SPD wollte eine parlamentarische Demokratie, die KPD eine Räterepublik nach sowjetrussischem Vorbild.

Da sich das Militär aber auf die Seite der SPD unter dem neuen Reichskanzler Friedrich Ebert schlug, konnte sich die SPD in den kommenden Wochen unter bürgerkriegsähnlichen Bedingungen durchsetzen.

Philipp Scheidemann hält eine Rede an einem offenen Fenster.

Der Tag der Republik

Sie nutzte dabei auch die sogenannten "Freikorps": bewaffnete Einheiten ehemaliger Weltkriegssoldaten, die zwar monarchistisch oder rechtskonservativ gesinnt waren und damit antidemokratisch, sich aber für den Kampf gegen die Kommunisten einsetzen ließen.

Während der Unruhen wurde am 19. Januar 1919 die Nationalversammlung gewählt, die dann im Februar 1919 in Weimar die Beratungen über eine Verfassung Deutschlands aufnahm.

Die bewaffneten Kämpfe um die Macht dauerten aber noch Monate an. Allein im März 1919 starben dabei in Berlin 1200 Menschen. Anfang April proklamierte die USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) in München eine Räterepublik.

Diese wurde von der SPD-geführten Berliner Reichsregierung mithilfe von Reichswehr und Freikorps blutig niedergeschlagen. Die radikale Linke war nun so geschwächt, dass sie in der Folgezeit keine breite Anhängerschaft für Umsturzversuche mehr mobilisieren konnte.

De facto war damit die Revolution in Deutschland beendet. Am 14. August 1919 wurde dann die Weimarer Verfassung verkündet und mit ihr erstmals ein demokratisches Regierungssystem in Deutschland eingeführt.

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 22.10.2019)

Quelle: SWR

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