Symbolfoto: Auf einer EU-Flagge liegt ein Rotstift. Ein Stern der Flagge ist angekreuzt.

Geschichte der EU

Europawahl – wozu denn?

Alle fünf Jahre werden die Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt. Doch wofür ist das wichtig und wie funktioniert diese Wahl?

Von Nina-Maria Haupt

Mitbestimmen in Europa

Alle fünf Jahre ist in Deutschland Europawahl. Genauer gesagt werden dabei die Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt.

Viele Menschen halten die Europawahlen für nicht so wichtig, da sie den direkten Bezug zu ihrem Alltag nicht sehen. Die Abgeordneten arbeiten in Brüssel und Straßburg und viele der Themen betreffen eben nicht nur Deutschland, sondern alle oder auch nur andere der EU-Länder.

Das klingt erst einmal sehr weit weg von unserem täglichen Leben. Dabei ist der Einfluss der Europäischen Union (EU) an vielen Stellen in unserem Alltag zu finden: Nicht nur der Euro ist ein europäisches Projekt, auch viele Gesetze, die die Bürger direkt betreffen, kommen aus dem Europäischen Parlament.

Denn das Europäische Parlament kann zusammen mit dem Ministerrat Gesetze beschließen, die dann für alle Mitgliedsstaaten gelten – auch für Deutschland.

Wenn das Europäische Parlament kein einheitliches Gesetz für alle Mitgliedsstaaten beschließen will, kann es die einzelnen Länder auch verpflichten, selbst ein Gesetz zu erlassen. Der Einfluss der Politiker in Brüssel und Straßburg ist also größer, als viele Bürger denken – und nur wer wählt, kann mitentscheiden, wer unsere Gesetze macht.

Euroscheine liegen auf einer Europaflagge.

Der Euro ist nur eins von vielen gemeinsamen Projekten in Europa

Wer darf wählen?

Bei der Europawahl darf jeder EU-Bürger wählen. Grundsätzlich tut das jeder in dem Land, in dem er wohnt. Das heißt, auch wenn Menschen aus anderen EU-Ländern in Deutschland leben, wählen sie in Deutschland. Deutsche, die in einem anderen europäischen Land leben, wählen entweder dort oder sie beantragen, dass sie doch in Deutschland wählen können. Sie schicken ihre Wahlzettel dann per Post.

Wer als Deutscher außerhalb der EU lebt und trotzdem mitwählen möchte, muss nachweisen, dass er über die aktuelle Politik in Deutschland informiert und unmittelbar von ihr betroffen ist. Oder er muss nach seinem 14. Geburtstag mindestens drei Monate lang in Deutschland gelebt haben. Das darf aber nicht länger als 25 Jahre her sein.

Wer nicht zur Wahl gehen kann, weil er zum Beispiel im Ausland lebt, im Urlaub oder im Krankenhaus ist, kann bis zum Freitag vor der Wahl Briefwahl beantragen. Er bekommt dann einen Wahlschein zugeschickt und schickt ihn ausgefüllt per Post zurück.

Eine Frau kreuzt einen Wahlzettel für die Briefwahl zum europäischen Parlament an

Auch bei der Europawahl kann per Brief gewählt werden

Wer darf ins Europäische Parlament?

Insgesamt sitzen 705 Abgeordnete im Europäischen Parlament (bis zum Brexit im Januar 2021 waren es 751). 96 davon vertreten Deutschland. Fünf Jahre lang sollen sie im Europäischen Parlament bleiben und die Interessen Deutschlands in der EU vertreten.

Das ist wichtig, weil die 448 Millionen EU-Bürger an vielen Stellen unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie etwas in Europa geregelt werden soll. Die Abgeordneten müssen sich dann auf ein Gesetz einigen, das den Interessen möglichst vieler Länder entspricht.

Damit die kleinen Länder wie zum Beispiel Luxemburg und Belgien nicht permanent überstimmt werden, bekommen sie pro Einwohner mehr Abgeordnete als große Länder wie Deutschland. So zählt also nicht jede Stimme aus jedem Land gleich viel, sondern die kleinen Länder sind überrepräsentiert.

Um sein Land im Europäischen Parlament vertreten können, muss man in Deutschland mindestens 18 Jahre alt sein. Andere Länder haben Altersgrenzen zwischen 18 und 25 Jahren. Wer bereits in der Regierung eines Landes sitzt, also zum Beispiel Minister oder Bundeskanzlerin ist, darf nicht für das Europäische Parlament kandidieren.

Blick auf das Gebäude des Europaparlaments in Straßburg.

In diesem Gebäude in Straßburg tagt das Europäische Parlament

So funktioniert die Europawahl in Deutschland

Vor der Wahl erstellt jede Partei eine Liste mit Politikern, die sie gerne ins Europäische Parlament schicken würde. Je größer der Stimmenanteil ist, den eine Partei bekommt, desto mehr Abgeordnete von ihrer Liste sind gewählt.

Jede Partei bekommt einen Anteil an Sitzen im Parlament, der ihrem Anteil an gültigen abgegebenen Stimmen entspricht. Gültig ist eine Stimme dann, wenn auf dem Wahlzettel genau ein Kreuz ist. Kreuzt jemand keine oder mehrere Parteien an oder schreibt noch eine Bemerkung dazu, ist die Stimme ungültig und wird nicht gezählt.

Die Wahl ist allgemein, unmittelbar und geheim. Das bedeutet: Bei einer geheimen Wahl dürfen keine Rückschlüsse darauf möglich sein, wer welche Partei gewählt hat. Allgemein heißt, dass jeder daran teilnehmen kann, der alt genug und EU-Bürger ist. Bei einer unmittelbaren Wahl wählen die Stimmberechtigten direkt und müssen, anders als bei den Wahlen in den USA, keine Wahlmänner beauftragen.

Jede Stimme, die in einem Land abgegeben wird, zählt innerhalb des Landes gleich viel. Anders als zum Beispiel bei der Bundestagswahl hat bei der Europawahl jeder nur eine Stimme, mit der er die jeweilige Partei auswählt.

Stimmzettel für die Europawahl.

Bei der Europawahl hat jeder Wähler in Deutschland eine Stimme

Kleine Parteien wehrten sich

Damit eine Partei aus Deutschland überhaupt Abgeordnete ins Europäische Parlament schicken konnte, musste sie bis zur Europawahl 2009 mindestens fünf Prozent der abgegebenen Stimmen bekommen. Das sollte bewirken, dass nur die wichtigen Parteien vertreten sind.

Kommen viele unterschiedliche Parteien ins Parlament, kann es schwieriger sein, Kompromisse zu finden. Außerdem ist es für eine Partei dann komplizierter, genügend Unterstützer zusammenzubringen, um eigene Interessen gegenüber anderen Parteien zu vertreten.

Vor allem kleine Parteien wehrten sich gegen die Sperrklausel. In zwei Urteilen stärkte das Bundesverfassungsgericht ihre Position: Alle Parteien müssten die gleichen Chancen haben, argumentierten die Richter. Außerdem müssten die Stimmen aller Bürger wichtig sein.

Seit der Europawahl 2014 gibt es daher in Deutschland weder eine Fünf-Prozent-Hürde noch eine andere Mindestschwelle. 2018 entschied das Europäische Parlament, dass die größten EU-Mitgliedsländer bis zum Jahr 2024 Sperrklauseln zwischen zwei und fünf Prozent einführen müssen. Für die Europawahl 2019 entschieden sich mehrere deutsche Parteien aber noch gegen eine neue Sperrklausel.

In vielen anderen EU-Ländern gibt es eine Sperrklausel. Dort müssen Parteien zwischen 1,8 und fünf Prozent der Stimmen bekommen, um überhaupt im Europäischen Parlament vertreten zu sein. Vor allem kleine Länder verzichten dagegen oft auf die Sperrklausel. Dort haben kleine Parteien oft ohnehin keine Chance auf einen Sitz.

Ist das überall so?

Da es kein einheitliches europaweites Wahlgesetz gibt, regelt jedes Land die Wahlgesetze für die Europawahlen selbst. Es gibt nur wenige gemeinsame Rahmenbedingungen, zum Beispiel dass alle Wahlen frei, geheim, unmittelbar und gleich sein müssen.

Auch haben die Länder gemeinsam festgelegt, welches Land wie viele Repräsentanten ins Parlament schickt. Manche Länder sind in Wahlkreise unterteilt, die einzeln ausgezählt werden und jeweils einen Vertreter ins Parlament schicken. Andere Länder haben keine Wahlkreise oder die Stimmen aller Wahlkreise werden zusammen ausgezählt.

In Deutschland und zwölf anderen EU-Ländern stellen die Parteien Listen mit ihren Kandidaten zusammen, auf denen die Spitzenkandidaten meist oben zu finden sind. Je mehr Stimmen die Partei bekommt, umso mehr Personen von dieser Liste kommen in das Europäische Parlament. Die Wähler können diese Reihenfolge nicht ändern, sondern nur für die gesamte Liste stimmen.

Wahlkampfveranstaltung der CDU/CSU vor der Europawahl 2019.

Unter den deutschen Parteien ist die CDU/CSU am stärksten im Europaparlament vertreten

In anderen europäischen Ländern können Kandidaten einzeln gewählt werden. In Luxemburg zum Beispiel haben die Wähler so viele Stimmen, wie Luxemburg Plätze in Europaparlament hat. Dabei kann ein Wähler seine Stimmen auch Kandidaten von unterschiedlichen Parteien geben.

Sogar das Alter, in dem man das Europaparlament wählen darf, ist unterschiedlich: In Österreich wählt man schon mit 16 Jahren, in allen anderen EU-Ländern mit 18.

Nicht alle EU-Länder müssen am gleichen Tag wählen, vorgegeben war zum Beispiel im Jahr 2019 der Zeitraum vom 23. bis 26. Mai. An einem dieser Tage müssen die Bürger dann zehn Stunden lang die Möglichkeit haben, wählen zu gehen.

Flaggen verschiedener europäischer Länder in einem Flur.

Verschiedene EU-Länder haben unterschiedliche Wahlgesetze

Was passiert nach der Wahl?

Wenn am letzten Wahltag die letzten Wahllokale schließen, beginnt die Auszählung der Stimmen. Auch wenn ein anderes Land schon früher gewählt hat, werden die Stimmen erst jetzt ausgezählt. Denn so lange man noch wählen kann, sollen die Bürger noch keine Zwischenergebnisse bekommen, damit sie in ihrer Wahl nicht beeinflusst werden oder Parteien Druck auf die Wähler ausüben, wenn es knapp wird.

Wurde bei der Wahl eines der Wahlgesetze verletzt, kann man noch zwei Monate lang Einspruch erheben und gegebenenfalls Neuwahlen bewirken. Die gewählten Abgeordneten treffen sich sonst im Parlament und beginnen ihre Arbeit.

Im Europäischen Parlament schließen sich Parteien verschiedener Länder, die ähnliche Ziele haben, zu Fraktionen zusammen und können so gemeinsame Ideen besser durchsetzen.

Diese Fraktionen heißen dann etwas anders, als die Parteien in Deutschland genannt werden. Zum Beispiel gehört die CDU im Europäischen Parlament zur "Fraktion der Europäischen Volkspartei" und die SPD zur "Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten im Europäischen Parlament".

Europaabgeordnete sitzen im Plenarsaal.

Nach der Wahl trifft sich das Europaparlament und beginnt mit der gemeinsamen Arbeit

(Erstveröffentlichung: 2014. Letzte Aktualisierung: 12.09.2021)

Quelle: WDR

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