Das Guggenheim Museum in Bilbao: Ein futuristischer Bau aus Glas und Titan vor bedrohlich dunklem Himmel

Sammeln

Museen

Das Sammeln ist ein menschlicher Ur-Instinkt: Man versichert sich damit der eigenen Identität und schickt sozusagen eine Flaschenpost in Richtung Nachwelt. Aber bis aus solchen Sammlungen die ersten Museen entstanden, war es ein langer Weg.

Von Kerstin Hilt

Die frühen Vorläufer der Museen

Die Pyramiden der Pharaonen oder die Reliquienschreine des Mittelalters dienten vor allem dem Kult. Erst mit der Renaissance begannen Adelige und Privatgelehrte, ihre Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seitdem erfreuen sie sich großer Beliebtheit: In Deutschland lockt es mehr Menschen ins Museum als ins Fußballstadion.

Museen werden oft für eine Erfindung der Neuzeit gehalten – aber das Bedürfnis, die eigene Kultur für andere zu dokumentieren, ist offensichtlich viel älter.

So vertreten mittlerweile einige Anthropologen die These, dass beispielsweise die Grabbeigaben der Pharaonen oder der früheren chinesischen Kaiser nicht nur dem Herrscher sein Leben nach dem Tode versüßen, sondern noch einen ganz anderen Zweck erfüllen sollten: Die Bewohner des Jenseits sollten dank dieser frühen Ausstellungsstücke einen möglichst positiven Eindruck von der fremden Kultur drüben im Diesseits gewinnen.

Bestes Beispiel: die weltberühmten Terrakotta-Krieger des chinesischen Kaisers Qiu Shihuangdi aus dem Jahr 210 vor Christus. Seiner Grabanlage wurden mehr als 7000 tönerne Soldaten beigegeben – eine Armee, die allein schon dank ihrer schieren Größe jedem Betrachter Respekt einflößt.

Im Mittelalter zählten vor allem die Sammlungen der Klöster und Kirchen zu den Vorläufern der Museen. Große Sorgfalt wurde beispielsweise auf die Aufbewahrung und Zurschaustellung von Reliquien verwandt: So gilt der Dreikönigsschrein aus dem Kölner Dom, der die Gebeine der Heiligen Drei Könige beherbergen soll, als eine der schönsten Goldschmiedearbeiten der Zeit und wurde bereits damals über seine sakrale Bedeutung hinaus zu einem stolz ausgestellten Prunkstück.

Besonders kunstvolle Kreuze, Leuchter und Marienbildnisse oder aufwendig gestaltete Handschriften wurden von den Bischöfen nicht selten auch zur Prestigesteigerung im innerkirchlichen Machtpoker genutzt.

Der goldene Dreikönigsschrein im Kölner Dom

Museumsstück, bevor es Museen gab: Kölner Dreikönigsschrein

Königliche Wunderkammern und private Sammelwut

Ein ganz ähnliches Kalkül steckte hinter den ersten weltlichen Sammlungen, den sogenannten Wunderkammern der Fürsten und Könige. Geordnet waren sie nicht nach sachlichen Prinzipien, sondern allein danach, was größtmögliches Staunen und Entzücken wecken konnte: Krokodilskelette und ausgestopfte Elefanten standen neben bedeutenden Gemälden, kunstvoll geschnitzte Pfeifenköpfe teilten sich die Vitrine mit antiken Münzen – die Grenze zwischen Kunst und Kitsch war fließend.

Seit dem Aufkommen der Seefahrt erfreuten sich auch die Mitbringsel aus entlegenen Erdteilen großer Beliebtheit. Die meisten Herrscher betrachteten ihre Sammlungen ganz unleidenschaftlich als Finanzreserve und Tauschmittel für den Notfall; in Augenschein nehmen durften sie meist nur handverlesene Adlige und Gelehrte.

Gemälde: Die Wände der Kunstsammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm sind vom Boden bis zur Decke mit Bildern behängt

Adlige sahen ihre Wunderkammern häufig als Geldreserve an

Mit der Renaissance begannen aber auch die Privatgelehrten selbst, eigene Sammlungen anzulegen. Apotheker oder Botaniker richteten sich Naturalienkabinette ein, Humanisten machten Jagd auf Zeugnisse der Antike. Bis ins 19. Jahrhundert hinein galt: Wer auf sich hält, der sammelt.

So besaß der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe eine umfangreiche Sammlung verschiedener Gesteinssorten und Versteinerungen. Er soll damals sogar die gesamte Weimarer Damenwelt zum "Mineralogisieren" angestiftet haben, sodass auch sie sich Gesteinssammlungen zulegten.

Anders als die Wunderkammern der Fürsten war die Sammelleidenschaft der Privatgelehrten allerdings nicht dem Staunen verpflichtet, sondern der wissenschaftlichen Erkenntnis – ein Impuls, der auch für die spätere Spezialisierung der Museumslandschaft sorgen sollte.

Ab etwa 1850 entstanden verschiedene Museumssparten, zum Beispiel Kunst-, Naturkunde- oder Antikensammlungen. Danach wurden Universalmuseen seltener, die unterschiedslos alles zeigen – der Prototyp dafür war das "Museum Fridericianum" in Kassel.

Die Museen werden öffentlich

Das Kasseler "Fridericianum", gestiftet von Landgraf Friedrich II. und 1779 eröffnet, stellt allerdings noch aus einem zweiten Grund einen Meilenstein der Museumsgeschichte dar: Es war das erste öffentlich zugängliche Museum in ganz Deutschland.

Viele aufgeklärte Herrscher wollten nun auch die Untertanen an ihren Schätzen teilhaben lassen. "Erfreuen und belehren" war die Maxime dieser Häuser. Und um Bildung, so das neue Zauberwort, ging es schließlich auch beim größten Museumsprojekt dieser Zeit: dem Bau der Berliner Museumsinsel, angestoßen vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. – auch dies also eine Gründung "von oben".

Blick von oben auf die Museumsinsel in Berlin

Eine Insel der Künste mitten in Berlin

Alles, was damals im Berliner Kulturleben Rang und Namen hatte, war an den Planungen beteiligt. Der Architekt Karl Friedrich Schinkel machte sich für klassizistische Gebäude im Stil der Antike stark. Der Gelehrte Wilhelm von Humboldt versprach sich von dem Vorhaben eine "Erneuerung des preußischen Staates" und eine Erziehung der Untertanen zu freien und mündigen Bürgern.

Museen sollten an die Stelle von Kirche und Religion treten: So befand sich im Zentrum des 1830 eröffneten "Alten Museums" eine hohe Kuppelhalle, ein Andachtsraum mit fast sakralem Charakter, angelehnt an das Pantheon in Rom.

Ausgestellt wurden vorwiegend antike Skulpturen, Gemälde und später auch die Funde archäologischer Ausgrabungen. Erst 1930 wurde mit dem Bau des neuen Pergamonmuseums die Museumsinsel endgültig fertiggestellt.

Pergamonmuseum, Eröffnung (am 18.12.1901)

WDR ZeitZeichen 18.12.2016 14:49 Min. Verfügbar bis 16.12.2096 WDR 5


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Die Entdeckung des Besuchers

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich schon längst Widerstand gegen das Humboldt’sche Bildungsideal geregt – einseitig sei es, lediglich künstlerisch-philosophisch ausgerichtet. Im jüngst gegründeten Kaiserreich kämpften nun auch die Naturwissenschaften um ihre Anerkennung als Bildungsgut.

So warb seit der Jahrhundertwende der Münchener Elektroingenieur Oskar von Miller unermüdlich für seine Idee eines Technikmuseums, sammelte Spenden, erbettelte Exponate bei Forschungsinstituten und Firmen – und bekam schließlich auch die Unterstützung der öffentlichen Hand.

1925 eröffnete das "Deutsche Museum" auf der Münchener Kohleninsel. Bis heute heißt es offiziell "Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik" und ist noch immer das größte Haus seiner Art weltweit.

Deutsches Museum München, Einweihung (am 7.5.1925)

WDR ZeitZeichen 07.05.2015 14:50 Min. Verfügbar bis 04.05.2025 WDR 5


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Neu an Millers Sammlung war auch, dass sie den Besucher nicht nur zu andächtiger Ergriffenheit einlud, sondern ganz bewusst zum Mitmachen. Auf Knopfdruck zeigten maßstabsgetreu verkleinerte Maschinen, wie sie funktionierten; einfache physikalische Experimente konnte man vor Ort ausprobieren.

Damit wurde das "Deutsche Museum" auch zum Pionier der heutigen Museumspädagogik. Denn spätestens seit 1968 müssen sich Museen auch die Frage gefallen lassen, ob sie nach wie vor nur eine schmale Bildungselite ansprechen.

Um Hemmschwellen abzubauen und Kinder so früh wie möglich ins Museum zu locken, hat heute so gut wie jedes größere Haus einen museumspädagogischen Dienst. Und auch mit spektakulären Veranstaltungen wie der "Langen Nacht der Museen" versucht man, die öffentliche Neugier zu wecken.

Blick in den Innenhof des Louvre in Paris. Zu sehen sind die Fassade des Museums, eine große Glaspyramide und etliche Besucher

Der Louvre in Paris ist eins der berühmtesten Museen der Welt

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 06.08.2019)

Quelle: WDR

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