Auf einem Straßenschild in Swakopmund/Namibia steht "Bismark St."

Deutsche Kolonien

Spuren der deutschen Kolonialzeit

Seit mehr als hundert Jahren hat Deutschland keine Kolonien mehr. Doch die deutsche Kolonialzeit ist in vielen ehemaligen Kolonien bis heute sichtbar. Und auch in Deutschland finden sich noch Spuren des Kolonialismus.

Von Carsten Günther

Spuren der Kolonialzeit in Afrika

Von 1884 bis 1919 hielt Deutschland große Regionen von Afrika besetzt sowie einige Teile von Asien und im Pazifik – in so genannten Kolonien. Die erste deutsche Kolonie entstand 1884 im heutigen Namibia, das die deutschen Besatzer "Deutsch-Südwestafrika" nannten.

Bis heute finden sich in Namibia viele Gebäude im deutschen Kolonialstil, etwa Bahnhöfe, Kirchen und Verwaltungsgebäude. Zum Beispiel in Windhoek, Swakopmund oder der Hafenstadt Lüderitz. Sie wurde nach dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz benannt, dem ersten deutschen Landbesitzer in der damaligen Kolonie. Manche Restaurants bieten noch heute deutsche Gerichte an, zum Beispiel Brezeln und Apfelstrudel, Sauerkraut mit Bratwurst oder Bier, das nach deutscher Tradition gebraut wird.

In Namibia sprechen etwa 20.000 Menschen Deutsch als Muttersprache, an zahlreichen Schulen wird Deutsch unterrichtet – auch wenn nur wenige Menschen tatsächlich deutsche Vorfahren haben.

Fassade des alten deutschen Landgerichtsgebäudes in Swakopmund, Namibia

Ein altes Gerichtsgebäude, das die Deutschen in Swakopmund errichtet haben - Spuren der deutschen Kolonialzeit in Namibia

Das Erbe des Kolonialismus ist auch an anderen Stellen sichtbar, zum Beispiel bei öffentlichen Statuen. In Swakopmund etwa steht ein Kriegerdenkmal, das an die deutschen Soldaten erinnert, die in den Kämpfen mit Einheimischen starben. Eine makabre Botschaft, wenn man bedenkt, dass sich die Einheimischen letztlich nur gegen das Unrecht wehrten, das ihnen die deutschen Kolonialisten antaten.

In Namibias Hauptstadt Windhoek steht dagegen ein Denkmal, das an den Völkermord erinnert, den deutsche Soldaten von 1904 bis 1908 an den Völkern der Herero und Nama begingen – ein grausames Kapitel in der kolonialen Geschichte, das bis heute noch schmerzliche Gefühle hervorruft.

Denkmal in Windhoek/Namibia, zum Gedenken der Opfer des Völkermords an den Herero und Nama

Befreiung aus der Gefangenschaft: Dieses Denkmal in Windhoek/Namibia erinnert an den Widerstand der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft

Spuren der Kolonialzeit in Deutschland

Auch in Deutschland lassen sich heute noch zahlreiche Spuren der kolonialen Vergangenheit finden. An manchen alten Hausfassaden ist zum Beispiel die Aufschrift "Kolonialwarenladen" zu sehen – das waren die Vorläufer der Lebensmittelgeschäfte und heutigen Supermärkte. In vielen Städten sind Straßen nach deutschen Kolonialherren benannt, etwa nach Carl Peters oder nach Hermann von Wissmann, die im früheren "Deutsch-Ostafrika" die einheimische Bevölkerung brutal unterdrückten. Erst vor wenigen Jahren begann eine Diskussion darüber, ob und wie die Straßen umbenannt werden sollen.

In deutschen Museen stehen auch viele Ausstellungsstücke, die aus den ehemaligen Kolonien stammen – Figuren aus Bronze und Elfenbein, Holzboote, Vasen oder Werkzeuge. Einige von ihnen wurden inzwischen an die Ursprungsländer zurückgegeben.

Kunst aus den ehemaligen Kolonien

Planet Wissen 08.05.2023 03:18 Min. Verfügbar bis 23.06.2027 WDR Von Tim Evers

Viele der rassistischen Vorurteile, die während der Kolonialzeit geschaffen wurden, existieren auch heute noch gegenüber Menschen mit anderem Aussehen oder anderer Hautfarbe. Manche dieser Klischees sind tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelt, ohne dass sich die Menschen dessen bewusst sind – etwa in den Medien, in der Werbung oder im ganz alltäglichen Leben.

Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass farbige Menschen bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche oft benachteiligt werden. Und in der Diskussion um Flüchtlinge scheinen regelmäßig rassistische Vorstellungen durch, die Menschen aus fremden Kulturen als minderwertig erscheinen lassen.

Auch bei vermeintlich harmlosen Gelegenheiten leben koloniale Klischees fort, zum Beispiel in Kinderbüchern oder bei Spielzeug. "Rassismus ist Teil unserer Gesellschaft, und auch im Spielzeug findet man immer wieder rassistische Objekte", sagt etwa Karin Falkenberg vom Nürnberger Spielzeugmuseum. "Wir haben zum Beispiel eine Puppe von 2020, die war im Geschäft nackt und schwarz und hatte einen Leoparden-Lendenschutz an."

Eine kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit und der Kampf gegen rassistische Strukturen sind daher wichtig für den sozialen Zusammenhalt und die Förderung von Wertschätzung und Respekt in unserer Gesellschaft.

(Erstveröffentlichung 2025. Letzte Aktualisierung 12.05.2025)

FACHBERATUNG

Prof. Jens Jäger
Historisches Institut, Universität zu Köln

Quelle: WDR

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