Der Völkermord an den Herero und Nama

Planet Wissen 08.05.2023 00:54 Min. Verfügbar bis 23.06.2027 WDR

Deutsche Kolonien

Völkermord an den Herero und Nama

Von 1904 bis 1908 starben im heutigen Namibia rund 50.000 bis 70.000 Menschen bei Kämpfen mit deutschen Soldaten und an den Folgen der Kämpfe. Dieser Kolonialkrieg gilt heute als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Von Carsten Günther

Kolonialkriege

Von 1884 bis 1919 hielt Deutschland große Teile von Afrika besetzt sowie einige Regionen in Asien und im Pazifik. Diese besetzten Gebiete nennt man Kolonien. Gewalt spielte dabei immer ein Rolle.

Immer wieder wehrten sich die Einwohner der Kolonien gegen die deutschen Besatzer und gegen das Unrecht, das ihnen angetan wurde. So auch 1904, als das Volk der Herero im damaligen "Deutsch-Südwestafrika" einen Aufstand begann.

Die Herero lebten seit Jahrhunderten als Viehzüchter und wehrten sich nun gegen die unwürdige Behandlung durch die deutschen Kolonialherren: Denn die Deutschen hatten sich viel Weideland angeeignet, so dass die Rinderzucht für die Einheimischen immer schwieriger wurde. So konnten sich viele Herero nicht mehr selbst versorgen und waren gezwungen, auf den deutschen Farmen zu arbeiten.

Nach Beginn des Aufstands schickte die deutsche Reichsregierung insgesamt 14.000 Soldaten in die Kolonie, um den Aufstand zu bekämpfen und die Dörfer der Einheimischen zu zerstören. "Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen", befahl Generalleutnant Lothar von Trotha den Soldaten. "Ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen."

Aquarell: Soldaten kämpfen vor einer Felslandschaft

Deutsche Soldaten kämpfen gegen afrikanische Hereros

Der größte Teil der Herero floh daraufhin in die Omaheke-Wüste. Von Trotha ließ die Herero von den wenigen Wasserstellen verjagen. Tausende von Menschen verdursteten, wurden erschossen oder erhängt.

Nach den Herero erhob sich auch das Volk der Nama. Der Aufstand scheiterte jedoch nach drei Jahren. Die Kolonialregierung brachte die überlebenden Herero und Nama in Konzentrationslager, in denen fast die Hälfte von ihnen starb. Schätzungen zufolge kamen bei den Kämpfen und ihren Folgen insgesamt rund 50.000 bis 70.000 Herero und Nama ums Leben.

Samuel Maharero, Anführer der Herero

Samuel Maharero führte sein Volk zum Kampf gegen die deutschen Besatzer

Auch in anderen deutschen Kolonien kam es zu Aufständen und Kriegen: Der so genannte "Boxeraufstand" (1900-1901) in China richtete sich grundsätzlich gegen die europäischen Kolonialherren und die christlichen Missionen. Im "Maji-Maji-Aufstand“ (1905-1907) wehrten sich Einwohner im Süden von "Deutsch-Ostafrika" gegen die deutsche Kolonialherrschaft. Die Deutschen zerstörten bei den darauffolgenden Kämpfen viele Felder und Dörfer.

Durch den Krieg und die anschließende Hungersnot starben zwischen 250.000 und 300.000 Afrikaner, schätzen Historiker heute. Beide Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Das sind nur die bedeutendsten Kriege und Aufstände – blutige Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Kolonialherren gab es fast überall.

Aufarbeitung des Völkermords

Jahrzehntelang war der deutsche Völkermord an der afrikanischen Bevölkerung oder eine Aufarbeitung in Deutschland kaum ein Thema. Rund 90 Jahre nach den Kämpfen besuchte Helmut Kohl 1995 als erster deutscher Bundeskanzler Namibia. Doch es vergingen noch weitere 26 Jahre, bis sich Deutschland offiziell für die deutschen Verbrechen entschuldigte.

Im Jahr 2009 wurde in Bremen der Erinnerungsort "Im Gedenken an die Opfer des Völkermords in Namibia 1904-1908" eingeweiht. Die Gedenkstätte besteht aus Steinen der Omaheke-Wüste.

2015 begannen offizielle Gespräche zwischen der namibischen und der deutschen Regierung um eine Wiedergutmachung für die deutschen Verbrechen. 2021 erkannte die deutsche Regierung die Ereignisse von 1904 bis 1908 offiziell als Völkermord "aus heutiger Sicht" an und bat Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung. Deutschland stellte eine Wiederaufbauhilfe in Höhe von 1,1 Milliarden Euro für 30 Jahre in Aussicht.

Doch Vertreter der Herero und der Stammesführerverband der Nama fordern darüber hinaus Entschädigungszahlen und die Rückgabe ihrer Ländereien. Denn ihr Land haben die Nama und Herero bis heute nicht zurück bekommen. Es gehört überwiegend weißen Großgrundbesitzern und dem Staat Namibia.

Denkmal in Windhoek/Namibia, zum Gedenken der Opfer des Völkermords an den Herero und Nama

Befreiung aus der Gefangenschaft: Dieses Denkmal in Windhoek/Namibia erinnert an den Widerstand der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft

(Erstveröffentlichung 2025. Letzte Aktualisierung 12.05.2025)

FACHBERATUNG

Prof. Jens Jäger
Historisches Institut, Universität zu Köln

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Quelle: WDR

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