In einer Völkerschau von Hagenbecks Tierpark stehen Frauen und Mädchen aus Äthiopien vor einer Hütte

Deutsche Kolonien

Völkerschauen und Kolonialausstellung

Ab 1875 wurden in Deutschland Menschen im Zoo ausgestellt. In so genannten Völkerschauen mussten sich Afrikaner, Asiaten und Südamerikaner von den Besuchern anstarren lassen. Das Ziel war es, die Europäer als "zivilisiert" wirken zu lassen und das Fremde zum Schauobjekt zu machen.

Von Carsten Günther

Völkerschauen

Im Jahr 1875 stellte der Hamburger Zoodirektor Carl Hagenbeck in seinem Tierpark eine Familie aus Lappland (Nordeuropa) mit ihren Rentieren aus. Das war der Beginn der so genannten "Völkerschauen".

Da der Publikumsandrang enorm war, begann Hagenbeck bald, Menschen aus den europäischen Kolonien nach Deutschland zu holen und sie auszustellen. Dafür ließ er ganze Landschaften nachbauen, so wie er sie sich vorstellte: exotisch wirkende Basare, Tempel und ganze Ortschaften, die so genannten "Eingeborenendörfer".

Bei diesen "Menschenausstellungen" sollten die Besucher angeblich Einblicke in das Alltagsleben von Völkern aus anderen Kontinenten erhalten. Doch in Wirklichkeit war dies eine entwürdigende Zurschaustellung von Menschen, die von den Europäern als minderwertig betrachtet wurden. Sie sollten zeigen, wie "exotisch" und "anders" diese Menschen seien.

Oft war den Menschen, die mit Geld angelockt wurden, nicht klar, welche Erniedrigung ihnen bevorstand. Auf Plakaten und Schildern wurden sie häufig als "Wilde", "Kannibalen" oder "Steinzeitmenschen" bezeichnet.

Zu Beginn wurden die Menschen mit einem Zaun eingesperrt, um sie von den Zuschauern fernzuhalten. Nach und nach wurde diese Trennung aufgehoben und die Besucher konnten die Tänzer, Musiker und die Schaukämpfe aus nächster Nähe anstarren.

Kaiser Wilhelm II. beobachtet während des Besuchs einer Völkerschau in Hagenbecks Tierpark einen Ringkampf zweier dunkelhäutiger Männer, 1913

Schaukampf für den deutschen Kaiser Wilhelm II. in Hagenbecks Tierpark (1913)

Diese Völkerschauen gingen auf Tournee durch ganz Europa und zogen ein Millionenpublikum an, auch auf den Weltausstellungen in London, Amsterdam oder Paris. Erst in den 1950er-Jahren fanden die letzten Völkerschauen statt. Sie verstärkten die oft schon bestehenden Vorurteile und Stereotypen über Menschen aus den Kolonien.

Viele der Menschen, die in den Völkerschauen ausgestellt wurden, starben während dieser Zeit: zum Beispiel an Krankheiten oder aufgrund der schlechten Unterbringung.

Berliner Kolonialausstellung 1896

Im Jahr 1896 fand im Treptower Park in Berlin die "1. Deutsche Colonial-Ausstellung"  statt. Dazu wurden mehr als 100 Menschen aus den deutschen Kolonien in Afrika und im Pazifik nach Deutschland gebracht. Das jüngste Kind war gerade einmal drei Jahre alt.

Auf dem Ausstellungsgelände wurden Kulissendörfer für die einzelnen Kolonien angelegt, etwa das "Kamerundorf", das "Togodorf" oder das "Neuguineadorf". Die Bewohner der Kolonien sollten als kaiserliche Untertanen präsentiert werden. Die Botschaft war: Die deutsche Kultur sei viel hochwertiger als die der "unzivilisierten Wilden". Deshalb seien die Kolonien auch für die einheimischen Völker ein Segen, denn durch die Kolonialisierung würden sie "zivilisiert“.

Postkarte zur Eröffnung der Deutschen Kolonial-Ausstellung 1896 mit orientalischen Gebäuden und einem dunkelhäutigen Krieger

Werbung für die "Deutsche Kolonial-Ausstellung" 1896 in Berlin

Die Afrikaner mussten sich exotische Kostüme anziehen und von morgens bis abends von den Ausstellungsbesuchern anschauen lassen. Nach Feierabend waren sie in engen Baracken untergebracht. Einige von ihnen protestierten gegen diese Erniedrigungen: Der Kameruner Kwelle Ndumbe zum Beispiel erregte großes Aufsehen, als er durch ein Opernglas die Zuschauer beobachtete und damit die Blickrichtung umkehrte.

Die Kolonialausstellung dauerte sieben Monate und zog insgesamt zwei Millionen Besucher an. Sie wurde auch als Vorwand für angebliche wissenschaftliche Experimente genutzt: Die Schädelformen und andere Körpermerkmale der Afrikaner wurden vermessen, um Beweise für die Theorie zu sammeln, dass sich die Menschheit in verschiedene Rassen einteilen lasse. Heute weiß man, dass es solche "Menschenrassen" nicht gibt. Dennoch trugen diese Veranstaltungen dazu bei, dass rassistische und kolonialistische Denkweisen verstärkt wurden – und vermutlich bis heute noch nachwirken.

(Erstveröffentlichung 2025. Letzte Aktualisierung 12.05.2025)

FACHBERATUNG

Prof. Jens Jäger
Historisches Institut, Universität zu Köln

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Quelle: WDR

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