Portrait von Generalstabschef Erich von Falkenhayn.

Verdun

Falkenhayns Plan

Im Februar 1916 lässt der Chef der Obersten deutschen Heeresleitung, General Erich von Falkenhayn, den Festungsgürtel von Verdun in Lothringen in einer breit angelegten Offensive angreifen. Damit beginnt eine der sinnlosesten und grausamsten Schlachten des Ersten Weltkriegs, die für beide Seiten in einem Desaster enden soll.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Am Ende der Schlacht haben über eine Million Soldaten vor Verdun gekämpft, viele sind gefallen oder wurden verwundet. Warum befahl Falkenhayn den Angriff? Welche Strategie verfolgte er? Hatte das Massensterben vor Verdun in der Lesart der Obersten Heeresleitung Sinn oder System?

"Frankreichs Kräfte werden verbluten"

In seinen Memoiren spricht Falkenhayn von einer Denkschrift, die er dem Kaiser Weihnachten 1915 vorgetragen haben will.

Da Deutschland und seine Verbündeten dem Stellungskrieg militärisch und wirtschaftlich nicht ewig gewachsen seien, schlug Falkenhayn eine andere Strategie vor: Er wollte Frankreich mit einer mächtigen Offensive an empfindlicher Stelle angreifen, ohne dabei jedoch auf einen Durchbruch der feindlichen Stellungen zu drängen.

In seinem Buch "Die Oberste Heeresleitung 1914-1916 in ihren wichtigsten Entschließungen" schreibt Falkenhayn:

"Hinter dem französischen Abschnitt der Westfront gibt es in Reichweite Ziele, für deren Behauptung die französische Führung gezwungen ist, den letzten Mann einzusetzen. Tut sie es, so werden Frankreichs Kräfte verbluten, da es ein Ausweichen nicht gibt, gleichgültig, ob wir das Ziel erreichen oder nicht. Tut sie es nicht und fällt das Ziel in unsere Hand, dann wird die moralische Wirkung in Frankreich ungeheuer sein... Die Ziele, von denen hier die Rede ist, sind Belford und Verdun."

Schwarz-weißes Gruppenbild deutscher Maschinengewehrschützen vor einer Kaserne in Schweidnitz, Schlesien, von 1917. Die Männer tragen Uniform und Helm, in ihrer Mitte steht ein Maschinengewehr.

Deutsche Schützen mit deutscher MG Maxim 08

2,5 zu 1 Tote – eine zynische Rechnung

Falkenhayn wollte den Stier bei den Hörnern packen. So viele feindliche Kräfte wie möglich sollten bei Verdun gebündelt und vernichtet werden. Verdun – das war eine der maßgeblichen französischen Befestigungsanlagen an der Westfront. Niemals, so Falkenhayn, würden die Franzosen diesen Frontabschnitt aufgeben.

Es gab also zwei Möglichkeiten: Frankreich würde Verdun verlieren – oder seine Armeen. Die Deutschen würden sich diese Zwickmühle der Franzosen zunutze machen und die französischen Kräfte vor Verdun aufreiben. Für diese Strategie legte Falkenhayn hinterher sogar eine zynische Rechnung auf den Tisch:

"Das Ergebnis war, dass das Verhältnis sich wie etwa 2,5:1 stellte, dass also für zwei Deutsche, die außer Gefecht gesetzt wurden, drüben fünf Franzosen bluten mussten. So beklagenswert die deutschen Opfer blieben, so sicher war doch, dass sie für eine gute aussichtsvolle Sache hingegeben wurden. Die Operationen entwickelten sich entsprechend den Absichten, die ihrer Einleitung zugrunde gelegen hatten.

Gewiss traten zuzeiten Krisen auf. So, wenn der Feind in seinen Zuckungen nachließ und nun zu entscheiden war, ob sich ein vermehrter Druck an gleicher Stelle lohnte oder ob man die Druckstelle wechseln sollte. Oder wenn es galt, schwere Angriffe abzuweisen. Oder schließlich, wenn man sich entschließen musste, zur Verbesserung der eigenen Lage einen hohen Einsatz zu wagen."

Montierte und kolorierte Postkarte. Rechts steht ein französischer Soldat, links der Schriftzug Verdun - Halte-la! - Bis hierher und nicht weiter.

Französische Propagandapostkarte

Die Knochenmühle von Verdun

So initiierte Falkenhayn mit einem Donnerschlag am 21. Februar 1916 an der Maas, zwischen Woevre-Ebene und Argonner-Wald, zwischen Combres und Stenay, eine der mörderischsten Schlachten der Weltgeschichte.

Die oberste deutsche Heeresleitung fuhr ungeheure Massen von Menschen und Material gegen die feindlichen französischen Linien auf – und wurde am Ende von ihrer eigenen Strategie besiegt.

In Verdun verbluteten die Soldaten tatsächlich, jedoch gleichmäßig auf beide Lager verteilt. Der "Knochenmühle von Verdun" fielen nahezu 700.000 Soldaten zum Opfer, und dennoch war der Kriegsschauplatz Verdun keinesfalls kriegsentscheidend. 50 Jahre später, am 30. Mai 1966, zog General Charles de Gaulle die bittere Bilanz aus dem Grauen der Schlacht zwischen Deutschen und Franzosen in Verdun:

"Eine… Lehre von Verdun richtet sich an die beiden Völker, deren Armeen sich dort unter so großen Opfern und so tapfer bekämpften. Ohne zu vergessen, dass ihre militärischen Tugenden hier den Höhepunkt erreichten, können Franzosen und Deutsche aus den Ereignissen der Schlacht, wie aus denen, die ihr vorausgingen und folgten, den Schluss ziehen, dass die Früchte ihrer Kämpfe letzten Endes nichts anderes sind als Schmerzen."

Schwarz-weiß Bild von 1916: Soldaten verharren bewaffnet im Schützengraben und warten auf Befehl.

Soldaten verharren im Schützengraben

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 28.06.2021)

Quelle: WDR

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