Die Mikrofone verschiedener deutscher Fernsehsender stehen für eine Pressekonferenz bereit.

Fernsehgeschichte in Deutschland

Das duale Rundfunksystem in Deutschland

In Deutschland gibt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den privaten Rundfunk. Dieses so genannte duale System entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Reaktion auf die Propaganda des Nazi-Regimes.

Von Benjamin Schruff und Anette Kiefer

Propaganda in der Nazi-Zeit

1933 übernahmen die Nationalsozialisten die politische Macht in Deutschland. Kurz darauf verkündete Propagandaminister Joseph Goebbels: "Die Macht haben wir nun in Deutschland gewonnen, nun gilt es, das deutsche Volk zu gewinnen. Der Rundfunk gehört uns! Niemandem sonst."

Und das Radio als staatliches Propagandamedium funktionierte – die Nazis konnten Millionen von Deutschen mithilfe des Rundfunks manipulieren.

Ein Mann sitzt vor einem Radiogerät, an der Wand hängen Fotos von Hitler und Goebbels.

Die Radios waren ein wichtiges Propagandamittel im Nationalsozialismus

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs stand deshalb für die alliierten Siegermächte fest: Niemals wieder sollte ein mächtiges Medium wie der Rundfunk, egal ob Radio oder Fernsehen, in Deutschland in staatliche Hände gelangen.

Als Konrad Adenauer in den 1950er-Jahren versuchte, einen staatlichen Fernsehsender zu gründen, ließ das Bundesverfassungsgericht ihn abblitzen: "Das Grundgesetz schließt aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar eine Anstalt oder Gesellschaft beherrscht, die Rundfunksendungen veranstaltet", hieß es in der Begründung des ersten Rundfunkurteils von 1961.

Adenauer hält Rede in Schwarz-weiß

Konrad Adenauer wollte einen staatlichen Sender gründen – und scheiterte

Das duale System

So entstand nach und nach das heutige duale System – bestehend aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk auf der einen Seite und privatem Rundfunk auf der anderen.

Der Rundfunk in Deutschland ist Ländersache. Regelungen, die das ganze Bundesgebiet betreffen, sind in einem Staatsvertrag zwischen allen Bundesländern fixiert: dem Rundfunkstaatsvertrag.

Der wird regelmäßig geändert, um neue Entwicklungen zu berücksichtigen. Aktuell gilt die 22. Fassung vom Mai 2019. Der Rundfunkstaatsvertrag ist sowohl für die öffentlich-rechtlichen als auch für die privaten Sender bindend.

Öffentlich-rechtliche Sender: Vielfalt im Programm

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind "Anstalten des öffentlichen Rechts" und gehören damit weder dem Staat noch privaten Unternehmen oder Einzelpersonen. Sie verwalten sich selbst.

Diese Unabhängigkeit ist erforderlich, um eine wichtige Aufgabe im Mediensystem wahrnehmen zu können – die sogenannte Grundversorgung. Sie besteht darin, Informationen, Bildung, Unterhaltung und Kultur zu vermitteln, zur Meinungsbildung der Bevölkerung beizutragen und Politik und Wirtschaft zu kontrollieren und begleiten.

Außerdem sollen die öffentlich-rechtlichen Sender für ein vielfältiges Programm sorgen, in dem sich möglichst viele gesellschaftliche Gruppen inhaltlich wiederfinden können. So gibt es religiöse Sendungen und Sendungen in Türkisch, Spanisch und anderen Muttersprachen von in Deutschland lebenden Migranten.

Auch musikalisch ist die Bandbreite groß: Es wird nicht nur Pop gespielt, sondern auch Klassik, Jazz oder experimentelle Musik.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts stehen in ihren roten Roben am Richtertisch.

Das Bundesverfassungsgericht schafft den Rahmen für das Rundfunksystem

Um unabhängig zu bleiben, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine besondere Organisationsform. Das oberste Kontrollorgan ist der Rundfunkrat.

In den Rundfunkrat entsenden gesellschaftlich wichtige Gruppen Vertreterinnen und Vertreter. Diese Gruppen sind Parteien, Gewerkschaften, Familien- und Sportverbände und Kirchen und religiöse Gemeinschaften.

Ü-Wagen von WDR und ZDF stehen vor dem Bochumer Landgericht.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen festgelegten Auftrag

Der Rundfunkbeitrag

Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Aufgaben erfüllen kann, ist natürlich Geld. Den größten Teil ihres Budgets beziehen die Sender von den Bürgern: Rund acht Milliarden Euro zahlen diese insgesamt jährlich für Fernsehen, Radio und Internetangebot ( Stand 2021).

Die exakte Höhe der Beiträge wird alle paar Jahre in einem dreistufigen Verfahren neu festgelegt. Zunächst berechnen die einzelnen Rundfunkanstalten ihren finanziellen Bedarf. Der wird dann von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) überprüft.

Die KEF besteht aus 16 unabhängigen Sachverständigen, die von den Ministerpräsidenten der Länder berufen werden. Auch die KEF wird über den Rundfunkbeitrag finanziert. Sie überprüft vor allem, ob die Sender bei der Planung ihres Finanzbedarfs sparsam vorgegangen sind.

Die KEF leitet dann eine Empfehlung an die Landesparlamente weiter. Hier wird diese Empfehlung geprüft – diesmal unter dem Gesichtspunkt der Sozialverträglichkeit. Damit die Rundfunkbeiträge in allen 16 Bundesländern gleich sind, einigen sich die Ministerpräsidenten auf eine einheitliche Beitragshöhe.

Zusätzlich nehmen die öffentlich-rechtlichen Sender auch Geld durch Werbung ein. Der Anteil der Werbeeinnahmen am Gesamtbudget ist aber eher gering. Der Großteil des Etats stammt aus dem Rundfunkbeitrag, so bleiben die öffentlich-rechtlichen Sender weitgehend unabhängig von der Wirtschaft.

Sie müssen deshalb weniger auf die Einschaltquoten achten und sich nicht ausschließlich danach richten, was die Masse des Publikums gerne hört und sieht. Ein wichtiger Aspekt, um den Rundfunkauftrag in seiner ganzen Bandbreite erfüllen zu können.

Das «Tagesschau»-Studio ist auf den Bildschirmen in der Regie des Norddeutschen Rundfunks zu sehen.

Gutes und unabhängiges Programm kostet Geld

Private Sender: Unterhaltung über alles

Die privaten Sender dagegen finanzieren sich ausschließlich über Werbeeinnahmen. Dementsprechend abhängig sind sie von den Einschaltquoten. Das führt dazu, dass sie einen deutlichen Schwerpunkt auf den Bereich der Unterhaltung legen, da mit diesen Sendungen die meisten Zuschauer erreicht werden können und deshalb auch am meisten Werbezeit verkauft werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht hat die privaten Sender lediglich dazu verpflichtet, einen gewissen Grundstandard einzuhalten: So müssen sie in ihrem Programm nur für ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit sorgen.

Ein wirklich breit gefächertes Meinungsbild soll vor allem aus dem Zusammenspiel aller privaten Rundfunkveranstalter entstehen. So lange es mehrere Sender gibt, können die einzelnen Sender durchaus in die eine oder andere politische Richtung gehen.

Heidi Klum und vier Models präsentieren sich vor dem Logo der Sendung "Germany's Next Top Model".

Massentaugliche Unterhaltung spielt bei den Privaten eine große Rolle

Kontrolle von außen

Voraussetzung für den privaten Rundfunk ist allerdings, dass die Sender von unterschiedlichen Unternehmen betrieben werden. Wenn alle Sender zum selben Unternehmen gehören würden, wäre die Vielfalt der Meinungen und des Programms nicht gewährleistet.

Deshalb wird regelmäßig kontrolliert, wie viele Zuschauer eine Unternehmensgruppe mit ihren Sendern erreicht, zum Beispiel die "RTL Group", zu der unter anderem RTL, RTL 2, Super-RTL, VOX und n-tv gehören. Ist es im Jahresdurchschnitt ein Zuschaueranteil von mehr als 30 Prozent, liegt eine "vorherrschende Meinungsmacht" vor, so der juristische Fachbegriff.

Die Landesmedienanstalten kontrollieren die privaten Rundfunksender. Die Landesmedienanstalten sind unabhängig vom Staat und werden zum großen Teil durch den Rundfunkbeitrag finanziert.

(Erstveröffentlichung: 2010. Letzte Aktualisierung: 24.01.2023)

Quelle: WDR

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