Löwenmensch-Statue (um 30000 v. Chr.) aus drei Perspektiven

Schwäbische Alb

Kunstwerke aus der Eiszeit

Spektakuläre Funde aus dem Hohlen Fels, einer Höhle bei Ulm, und anderen Höhlen der Schwäbischen Alb gelten als die ältesten Kunstwerke der Menschheit.

Von Harald Brenner

Die Fundorte

Die zum Teil über 30.000 Jahre alten Schnitzereien aus Mammut-Elfenbein zeigen unter anderem einen Pferdekopf, einen Wasservogel und den berühmten Löwenmenschen. Wissenschaftler vermuten, dass es sich dabei um die Darstellung eines Schamanen handelt, möglicherweise ein Hinweis auf schamanistische Praktiken bei den Jägern der Eiszeit.

Insgesamt kam es in vier Höhlen zu Funden der ältesten figürlichen Kunst der Menschheit. Einige davon sind zum Beispiel: die Venus im Hohle Fels im Achtal bei Schelklingen, der Löwenmensch im Hohlenstein-Stadel im Lonetal, das Mammut der Vogelherdhöhle im Lonetal sowie eine Flöte aus Schwanenknochen im Geißenklösterle im Achtal bei Blaubeuren.

Der Fundort des Löwenmenschen war möglicherweise ein Versteck oder ein Kultplatz, während der "Hohle Fels" hauptsächlich zu Wohnzwecken genutzt wurde.

Die Interpretation der bisherigen Funde ergab, dass sie vor allem in den Wintermonaten und im Frühjahr von den Eiszeit-Jägern bewohnt worden war. Deren wichtigste Jagdbeute waren Pferde. Der Hohle Fels, zwischen Blaubeuren und Schelklingen gelegen, wird seit dem späten 19. Jahrhundert wissenschaftlich erforscht.

Die Eiszeitkünstler: Als der Homo Sapiens kreativ wurde

WDR Zeitzeichen 18.12.2023 14:43 Min. Verfügbar bis 18.12.2099 WDR 5


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Die Venus vom Hohle Fels

Der jüngste Fund, die Venus vom Hohle Fels, ist eine Frauenfigur, die auf ein Alter von 40.000 Jahren datiert wird. Sie ist rund sechs Zentimeter groß, gefertigt aus dem Stoßzahn eines Mammuts. Sie ist fast vollständig erhalten, nur der linke Arm und die Schulter fehlen. Venus wird sie genannt, weil es sich eindeutig um eine Frauenfigur handelt.

Titulierungen jedoch wie "erstes Pin-up-Girl“ und "Pornographie der Steinzeit" sind wilde Spekulationen. Die Figur stellt kein Individuum dar, sondern aufgrund des großen Kopfes, der großen Brüste und der Vagina handelt es sich vermutlich um eine symbolische Darstellung für Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Die Öse auf den Schultern lässt darauf schließen, dass sie gehangen hat.

Eine weitere Besonderheit dieser Venus ist, dass sie aus der frühen archäologischen Kultur des Aurignacian (Beginn des Jungpaläolithikum) stammt. Von Venuskult kann man eher im Gravettian (mittleres Jungpaläolithikum) sprechen, in der die meisten Frauenfiguren gefunden wurden, wie zum Beispiel die Venus von Willendorf.

Die "Venus vom Hohle Fels"

Die "Venus vom Hohle Fels"

Weitere Funde

Im "Geißenklösterle", einer benachbarten Höhle, entdeckte ein Grabungsteam 1979 ein nur 3,8 Millimeter großes elfenbeinernes Relief mit der Darstellung eines Menschen. Hier fand man auch Überreste des ältesten bekannten Musikinstruments der Welt, einer Flöte aus einem Schwanenknochen.

Die Funde sind Zeugen der überraschend reichen Kultur der Eiszeit-Jäger. Die Untersuchungsergebnisse der Funde sprechen dafür, dass moderne Menschen (Homo sapiens sapiens) die Künstler waren, auch wenn diese möglicherweise zeitgleich mit den Neandertalern (Homo sapiens neanderthalensis) die Schwäbische Alb besiedelten.

Eine 35.000 Jahre alte Schwanenflügelknochen-Flöte aus der Eiszeit

Das älteste Musikinstrument der Welt: eine Flöte

Lebensbedingungen

Neben der kulturellen Entwicklung ist vor allem das Gesamtbild, das die Funde ausdrücken, interessant. Die kleinen und großen Funde sagen viel über die damaligen Umweltbedingungen aus: Bäume lassen sich bestimmen und datieren, in Feinrückständen findet man Elfenbeinperlen, die Verhaltensweisen und Unterschiede der Menschen rekonstruierbar machen.

Unsere Vorfahren waren entgegen vieler Vorstellungen keine Höhlenmenschen, sondern Jäger und Sammler. Sie sind ihrer Nahrungsgrundlage, den Wildtieren, gefolgt (Großsäuger wie Wildpferde, Mammut, Rentiere und Nashörner).

Die Urmenschen kamen über den Osten, die Donau entlang nach Süddeutschland. Sie waren nicht an Ort und Stelle gebunden, sondern folgten immer ihrer Nahrungsgrundlage, dem Jagdwild. Viehhaltung oder Züchtung gab es noch nicht.

Nahrungsbeschaffung

In die Täler kamen die Tiere, um zu trinken. Dort haben die Menschen sie gejagt. In den Höhlen haben Mensch und Tier Schutz gesucht. Tiere wurden auch im Winterquartier erlegt, denn im Ruhezustand war ihr Kreislauf runtergefahren und somit waren sie einfacher zu töten.

Auch den Menschen dienten die Höhlen als Wohnung auf Zeit. Hier haben sie geschlafen, gearbeitet und Essen vorbereitet. Diese Sesshaftigkeit bestand nicht Jahre, sondern saisonweise für ein paar Wochen.

Die Menschen waren mobil und viel im Freien. Sie waren allerdings keine tumben Urmenschen, sondern kulturell komplett entwickelte Menschen. Teil ihres Alltags waren auch Schmuck, Kunst und Musik – Musik, die in Melodien gespielt wurde.

Quelle: SWR | Stand: 13.06.2019, 16:15 Uhr

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