Wilhelm II. auf einem colorierten Foto

Persönlichkeiten

Kaiser Wilhelm II.

Kaiser Wilhelm II. war der letzte deutsche Kaiser. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs endete auch seine Regierungszeit, und die Monarchie wurde in Deutschland abgeschafft.

Von Horst Basting

Der letzte deutsche Kaiser

"Zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe ich euch noch entgegen." So lautete das große Versprechen des deutschen Kaisers Wilhelm II., der wenige Jahrzehnte nach seiner Krönung die Monarchie im Deutschen Reich zu Grabe tragen sollte.

Ganz falsch lag er dennoch nicht mit seinem Versprechen. Das Deutsche Reich erlebte in seiner Regentschaft einen unglaublichen Aufschwung und die meisten Menschen lebten in Frieden. Fast wäre Wilhelm II. als Friedenskaiser in die Geschichte eingegangen.

Wilhelm II. liebte das Militärische, verstand sich als Kaiser von Gottes Gnaden und geizte nicht mit Glanz und Gloria, obwohl sein Start ins Leben alles andere als glänzend verlief.

Die Kindheit Wilhelms II.

Am 27. Januar 1859 wird Wilhelm II. als Kind von Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen und dessen Frau Viktoria, einer Tochter der englischen Königin Viktoria, geboren. Seine Mutter hat große Erwartungen an ihren Sohn: Er soll als Musterprinz zu einem idealen deutschen Kaiser im Sinne englischer Liberalität erzogen werden.

Doch schon gleich nach der Geburt muss Viktoria an ihrem Vorhaben zweifeln. Der Prinz wird bei der Geburt so schwer verletzt, dass sein linker Arm für immer gelähmt bleiben wird. Diese Behinderung empfindet Viktoria als Schmach, sie kann mit dem Makel nicht umgehen und will die Unvollkommenheit ihres Sohnes um jeden Preis kompensieren.

Victoria, deutsche Kaiserin (Todestag 05.08.1901)

WDR ZeitZeichen 05.08.2011 14:22 Min. Verfügbar bis 02.08.2051 WDR 5


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Eine strenge Erziehung und körperliche Torturen quälen den Jungen. So muss er eine Kopfstreckmaschine tragen und den gelähmten Arm im Kadaver eines frischgeschossenen Hasen baden – verzweifelte Versuche, den Arm doch noch beweglich zu machen. Wilhelm II. hat eine freudlose Kindheit.

Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn bleibt immer sehr problematisch. Auch das Verhältnis zu seinem Vater ist schlecht. Liebe erfährt der Junge nur von seiner Großmutter, der englischen Königin Viktoria.

Der sitzende Prinz Wilhelm und seine Mutter lesen ein Buch

Prinz Wilhelm und seine Mutter, Kronprinzessin Victoria von Preußen

Das Dreikaiserjahr

Im Jahr 1888 stirbt der bisherige deutsche Kaiser, Wilhelm I. – Wilhelms Großvater. Am 9. März wird Wilhelms Vater, Kronprinz Friedrich Wilhelm, deutscher Kaiser. Er ist zu diesem Zeitpunkt jedoch schon todkrank.

Friedrich Wilhelm leidet an Kehlkopfkrebs, seine Amtszeit wird nur 99 Tage dauern. Am 15. Juni 1888 stirbt Friedrich III. – ihm folgt Wilhelm auf den Thron. Mit nur 29 Jahren wird er deutscher Kaiser: Wilhelm II., gesprochen "Wilhelm der Zweite".

Brustbild von Friedrich III

Friedrich III. starb 1888 an Kehlkopfkrebs

Wilhelm II. sieht sich als Kaiser von Gottes Gnaden. Das liberale Gedankengut seiner Eltern fällt bei ihm auf fruchtlosen Boden. Wilhelm II. ist reaktionär, entwickelt früh eine Leidenschaft für alles Militärische und als Kaiser ist er sogar oberster Kriegsherr.

Wilhelm II. will selbst politisch gestalten und erhebt Anspruch auf ein eigenes Regiment. Die Auseinandersetzungen mit Reichskanzler Otto von Bismarck sind vorprogrammiert. Der Konflikt gipfelt 1890 in der Entlassung des 75-jährigen Reichskanzlers.

Zur Zeit Wilhelm II. hat das Deutsche Reich eine konstitutionelle Monarchie. Alle Gesetze werden vom Deutschen Reichstag beschlossen, dem Parlament fehlt aber eine entscheidende Kompetenz: Der Kaiser, nicht das Parlament, wählt die Zusammensetzung der Regierung.

Der Kaiser wählt sein politisches Personal selbst, setzt die richtigen Leute in die richtigen Positionen und muss sich nicht um das Alltagsgeschäft kümmern. So bleibt genügend Zeit, sich einer seiner Lieblingsbeschäftigungen zu widmen: dem Reisen.

Der Reisekaiser

Ob auf Städtereisen oder unterwegs mit seiner Jacht “Hohenzollern“: Wilhelm II. liebt es, zu reisen. Bis zu 200 Tage im Jahr ist er unterwegs. Vier Jahre seines Lebens soll Kaiser Wilhelm allein auf seiner Dampfjacht "Hohenzollern" verbracht haben. Kreuzfahrten durch das Mittelmeer, Korfu, Italien, Türkei, Palästina – und immer sind die Reisen mit ausgiebigen Landausflügen verbunden.

Jedes Jahr geht er für mehrere Wochen auf "Nordlandreise" in die norwegischen Fjorde. Während sein Volk seinen Großvater "greisen Kaiser" und seinen Vater den "weisen Kaiser " nannte, spricht es schon bald bei Wilhelm II. vom "Reisekaiser".

Die jacht Hohenzollern in Norwegen

Jacht Hohenzollern in Norwegen

Der Medienkaiser

In der Kaiserzeit wächst der Zeitungsmarkt. Es gibt eine große Nachfrage nach bunten, privaten Geschichten – und für dieses Bedürfnis ist Wilhelm II. genau der Richtige. Die Medien und der Kaiser haben sich gefunden.

Wilhelm II. ist ein Selbstdarsteller, liebt die Kamera und sieht in den neuen Medien eine große Chance, das Kaisertum wirksam zu repräsentieren. Er lässt sich ständig fotografieren, schlüpft in die unterschiedlichsten Uniformen und geht sehr unkompliziert auf die Menschen zu. Er genießt das Bad in der Menge – nicht immer zur Freude seines Protokollchefs.

Oft hält der Kaiser bei solchen Anlässen spontane Reden. Von Stimmungen geleitet, macht er immer wieder undiplomatische Äußerungen, zum Beispiel in der "Hunnenrede". Bei der Verabschiedung des deutschen Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstandes in China lässt er sich unter anderem zu folgenden Äußerungen hinreißen:

"Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! ... Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!"

Während des Ersten Weltkriegs benutzt die britische Kriegspropaganda den Begriff "Hunnen" als Synonym für deutsche Barbarei.

Familienfoto von Kaiser Wilhelm II. und seiner Familie

Kaiser Wilhelm II. weiß sich und seine Familie in Szene zu setzen

Wilhelm II. und der Erste Weltkrieg

Als der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo ermordet wird, befindet sich Kaiser Wilhelm II. auf seiner Jacht Hohenzollern auf der Kieler Woche. Er kehrt sofort zurück nach Berlin.

Das Deutsche Reich hat ein Abkommen mit Österreich-Ungarn. Wilhelm II. hat für den Fall eines Krieges mit Serbien dem Verbündeten bedingungslose Unterstützung zugesichert. Als Österreich den Serben den Krieg erklärt, sieht er sich in der Pflicht. Einerseits steht Wilhelm II. zu Österreich-Ungarn, andererseits versucht er in einer Depesche an seinen Vetter Zar Nikolaus II., den Krieg zu verhindern.

Der Einfluss der Monarchen reicht aber nicht mehr aus, die militärische Führung des Deutschen Reichs entscheidet sich aus strategischen Gründen für ein schnelles Vorgehen gegen Russland.

Die Frage der Schuld Wilhelms II. am Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird nach wie unter Historikern kontrovers diskutiert. Sicher ist, dass der Kaiser nicht alleine über Krieg oder Frieden entscheiden konnte. Das deutsche Regierungssystem ließ das nicht zu.

Außerdem war das Deutsche Reich Teil eines Systems zweier feindseliger Lager in Europa. Auf der einen Seite Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien, auf der anderen Seite Russland und Frankreich. Alle am Ersten Weltkrieg beteiligten Staaten hätten den Kriegsausbruch verhindern können.

Die Kriegsbegeisterung ist unter den Deutschen groß und auch die Zuversicht. An Weihnachten, so ist man sich sicher, wird man wieder zuhause sein.

Keiner konnte sich damals vorstellen, in welche Katastrophe Europa durch diesen Krieg und in Folge den Zweiten Weltkrieg steuern würde. Die neuen Waffentechnologien fordern unfassbar viele Opfer, so dass die anfängliche Kriegseuphorie im Reich schließlich nachlässt.

Wilhelm II. ist überfordert und leidet unter Depressionen. Ab 1916 gewinnen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und General Erich Ludendorff in der Obersten Heeresleitung an Macht, militärische Entscheidungen werden ohne den Kaiser getroffen, er wird zu einem "Grüßaugust", der Orden an der Front verteilt.

Kaiser Wilhelm II. bei einem Besuch der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen in Galizien.

Erster Weltkrieg - Kaiser Wilhelm II. bei der Truppe in Galizien

Abdankung und Exil

Nachdem der Krieg verloren ist, drängen die USA auf eine Abdankung des Kaisers. Sie wollen einen Regimewechsel in Deutschland, damit das Land sich innenpolitisch reformieren kann. Auch innerhalb des Reiches formiert sich Widerstand gegen den Kaiser und die Monarchie.

Im November 1918 weigern sich die Matrosen der kaiserlichen Flotte, zur Entscheidungsschlacht gegen England in See zu stechen. Es kommt zu revolutionären Zuständen im Reich, die SPD fordert die Abdankung des Kaisers. Wilhelm II. kann sich diesem Druck nicht länger erwehren: Am 8. November 1918 tritt Wilhelm II. zurück und flüchtet nach Holland ins Exil.

In den Niederlanden auf Schloss Doorn lebt der letzte deutsche Kaiser 23 Jahre im Exil. Anfänglich fühlt er sich wie ein Gefangener, ein Polizist wird zu seinem ständigen Begleiter. Mangels Aufgaben verbringt Wilhelm II. seine Zeit damit, Holz zu sägen, Hof zu halten und Kaiserfotos an Besuchergruppen zu verteilen.

Kaiser Wilhelm II. bei Holzarbeit im Park

Kaiser Wilhelm II. bei der Holzarbeit

Wilhelm II. stirbt am 4. Juni 1941, beigesetzt wird er in Doorn. Er verfügt, dass die "Umbettung seiner Gebeine in deutsche Erde" erst nach der Wiederherstellung der Monarchie in Deutschland durchzuführen sei.

Kaiser Wilhelm II. (Todestag 04.06.1941)

WDR ZeitZeichen 04.06.2016 15:19 Min. Verfügbar bis 02.06.2096 WDR 5


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(Erstveröffentlichung 2014, letzte Aktualisierung 21.03.2021)

Quelle: SWR

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