Wofür brauchen wir Vitamine und Mineralstoffe?

Planet Wissen 08.06.2023 01:58 Min. UT Verfügbar bis 20.09.2026 WDR

Lebensmittel

Vitamine

Man sieht sie nicht, man schmeckt sie nicht – dennoch sind Vitamine sehr wichtig für unsere Gesundheit. Sie stärken unser Immunsystem, sind gut für die Nerven, regulieren unseren Stoffwechsel und vieles mehr.

Von Jochen Zielke

Wunderwaffen aus dem Supermarkt?

ACE-Vitamin-Präparate, Multivitamin-Tabletten, Powerdrinks für körperliche und mentale Fitness, Hightech-Pillen gegen das Altern oder Krankheiten – das alles findet man im Supermarktregal.

Die Werbung redet uns ein, wir könnten unserem Körper, gebeutelt vom Alltagsstress, mit den Produkten etwas Gutes tun. Gar mit einer Extraportion Mikronährstoffe kleine Ernährungssünden ausgleichen.

Wir brauchen Vitamine – ohne sie könnten wir nicht leben, das ist sicher. Die Frage ist nur, wie viel von welchen Vitaminen brauchen wir tatsächlich täglich. Mit welchen Lebensmitteln erreichen wir eine optimale und ausgewogene Vitaminversorgung?

Kommen hochkonzentrierte Vitaminpräparate oder "Functional Food" als Alternative oder gar als Ersatz für natürliche Lebensmittel in Frage? Ist ein Zuviel des Guten, also eine Überdosis Vitamine, vielleicht sogar gesundheitsschädlich?

All diese Fragen werden von Experten sehr kontrovers diskutiert. Endgültige Wahrheiten gibt es in Sachen Vitamine noch nicht. Letztendlich muss sich jeder selbst ein Urteil bilden.

Obstkorb

Öfter mal Obst und Gemüse essen

Vitamine – die kleinen Unbekannten

Dass es Vitamine gibt und welche Bedeutung sie haben, ist noch gar nicht solange bekannt. Vitamin C, auch Ascorbinsäure genannt, wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Ungarn Albert Szent-Györgyi entdeckt.

Szent-Györgyi isolierte Vitamin C aus Paprika und Kohl. 1933 klärte dann der Brite Norman Haworth auch die chemische Struktur auf. Beide erhielten dafür 1937 den Nobelpreis für Medizin und Chemie.

Die meisten der heute bekannten Vitamine wurden zwischen 1925 und 1940 entdeckt. In den 1930er-Jahren standen dabei vor allem die B-Vitamine im Mittelpunkt des Interesses.

Wissenschaftler wie Hans von Euler-Chelpin, Paul Karrer, Richard Kuhn, Hugo Theorell sowie Otto Warburg wurden damals für ihre bahnbrechenden Entdeckungen allesamt mit einem Nobelpreis geehrt.

Verbesserte Messmethoden und Fortschritte bei der Molekularanalyse chemischer Verbindungen sorgten für einen enormen Erkenntnisgewinn im Bereich der Medizin.

Weltweit waren damals mehr als 20 Teams auf der Suche nach den lebensnotwendigen Vitaminen. Ihr Interesse galt Obst und Gemüse, aber auch der Leber, der Niere, der Hefe, ja sogar Schmetterlingsflügeln.

So entstand in den 1920er-Jahren erstmals ein Vitaminbewusstsein – die Einsicht, dass eine abwechslungsreiche und vitaminhaltige Kost wesentlicher Bestandteil einer gesunden Ernährung ist.

Die Entdeckung der Vitamine sorgte auch bei den Herstellern von Küchengeräten für glänzende Geschäfte, denn sie entwickelten damals die ersten vitaminschonenden Gerätschaften für den Hausgebrauch.

Vitamine für einen gesunden Stoffwechsel

Bei den 13 bekannten Vitaminen unterscheidet man zwischen den fettlöslichen und den wasserlöslichen Vitaminen. Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K werden mit fetthaltigen Nahrungsmitteln aufgenommen. Weil sie in den Fettdepots des Körpers gespeichert werden können, müssen sie nicht täglich aufgenommen werden.

Anders ist dies bei den wasserlöslichen Vitaminen. Die insgesamt acht B-Vitamine und das Vitamin C können nicht gespeichert werden, sondern müssen regelmäßig ergänzt werden.

Nur das Vitamin D kann der Mensch selbst herstellen. Alle anderen Vitamine müssen über die Nahrung aufgenommen werden.

Vitamine sind winzige Moleküle, die in kleinsten Konzentrationen (Milligramm und weniger) große Wirkung im Körper entfalten. Sie sorgen dafür, dass wir Nährstoffe aufnehmen, verarbeiten und neue Moleküle synthetisieren können.

Vitamine sind unerlässlich für unsere Energieproduktion. Sie sorgen für körperliche und geistige Fitness, schützen den Körper vor Verfall. Ein einzelnes Vitamin kann an tausenden verschiedenen Stoffwechselprozessen beteiligt sein.

Gleichzeitig arbeiten Vitamine auch zusammen und können sich in ihrer Wirkung verstärken. Vermutlich wirken die Multifunktions-Moleküle an der Regulation von mehr als 100.000 Stoffwechselabläufen mit.

Glühende Zigarette.

Vitamine helfen im alltäglichen Kampf gegen die Schadstoffe aus der Umwelt

Frühe Erkenntnisse

Länger anhaltender Vitamin-Mangel kann zu folgenschweren Krankheiten führen. Die berühmteste Vitamin-Mangelkrankheit ist Skorbut, ausgelöst durch zu wenig Vitamin C.

1776 wurde der Weltumsegler James Cook dafür geehrt, dass er keine Matrosen mehr durch Skorbut verlor. Neben Zwieback und Dörrfleisch hatte er auch Sauerkraut und Zitronen an Bord. Den Tipp dafür hatte er Jahre zuvor vom englischen Schiffsarzt James Lind erhalten. Der hatte einige Skorbut-Patienten erfolgreich mit Zitronen und Orangen behandelt.

Krankheiten in Folge von Vitaminmangel waren früher weitaus häufiger als heute. Besonders in Asien litten die Menschen bis ins 20. Jahrhundert an Beriberi, einer Nervenkrankheit, die in Folge eines Vitamin B1-Mangels häufig einen tödlichen Verlauf nahm.

Aufgrund der reichlichen Nahrungsangebote herrscht heute in Deutschland in der Regel kein Vitaminmangel mehr. Was nicht heißt, dass Mangelerkrankungen nicht mehr vorkommen können.

Gefährdet sind vor allem Senioren, bei denen ein Vitamin D- und Kalzium-Mangel das Risiko für Knochenschwund und Knochenbrüche deutlich erhöht.

Bei Schwangeren warnen Mediziner immer wieder vor einem Folsäuremangel, der zu schweren Schäden beim Fötus führen kann. Veganern mangelt es häufig an B-Vitaminen, da diese hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln vorkommen.

Aufgeschnittene Orangen

Zitrusfrüchte beugen Skorbut vor

Gesund durch Vitaminpillen?

Hochkonzentriert – angereichert in Säften, Joghurts, Brot und anderen Lebensmitteln – werden Vitaminen heute wahre Wunderdinge zugeschrieben, von lebensverlängernden Anti-Aging-Effekten bis hin zur Krankheitsprophylaxe.

Vitaminpräparate boomen seit den 1980er-Jahren. Die Nahrungsmittel-Industrie witterte damals ein neues Geschäftsfeld und wirbt seitdem aggressiv für Multivitaminpräparate und neue "funktionelle Lebensmittel mit Vitaminzusätzen".

Extrarationen an Vitaminen und anderen Nahrungsmittelergänzungsstoffen sollen eventuelle Mangelzustände ausgleichen und darüber hinaus sogar gegen verschiedene Krankheiten wie Krebs, Herzkreislauf-Probleme, Osteoporose, Sehschwächen und vieles mehr vorbeugen.

Sogar heilende Wirkungen werden Vitaminen zugesprochen – kein Wunder, wenn man davon ausgeht, dass 70 Prozent aller Krankheiten ernährungsbedingt sein sollen.

Welche Vitaminpräparate machen Sinn?

Planet Wissen 11.03.2024 02:32 Min. UT Verfügbar bis 28.10.2025 WDR Von Larissa Richter, Axel Bach

Was davon stimmt und was nicht, dazu vertreten Ernährungsexperten sehr unterschiedliche Meinungen. Vielen Studien, die die Wirkung von Vitaminpräparaten untersuchen, werden methodische Fehler und noch Schlimmeres unterstellt. Für jede Positiv-Studie gibt es auch eine Negativ-Studie.

Für den Laien ist es praktisch unmöglich, Wahres von Unwahrem zu trennen, zwischen Mythen und Fakten zu unterscheiden.

Statt auf hochdosierte Vitamin-Präparate setzen heute viele Experten eher auf eine natürliche und ausgewogene Ernährung. Nicht Vitamine allein, sondern die Mischung von sekundären Pflanzenstoffen, Spurenelementen und Mineralien aus natürlichen Lebensmitteln scheint besonders gesund zu sein.

Symbolfoto Vitamintabletten: In einem ausgehölten Apfel liegen Tablettenkapseln.

Vitaminpräparate sind beliebt

Vitaminmangel in Deutschland?

Die Frage, ob wir Deutschen mit Vitaminen unterversorgt sind, verlangt eigentlich ein exaktes Wissen um die äußerst komplizierten Wechselwirkungen im menschlichen Stoffwechselgeschehen. Nur dann kann der reale Bedarf an Vitaminen wirklich beurteilt werden.

Wie unterschiedlich Einschätzungen dabei ausfallen können, zeigt ein Vergleich der Aufnahme-Empfehlungen weltweit. So liegt beispielsweise der tägliche Bedarf an Vitamin C bei 40 bis 100 Milligramm – je nach dem, in welchem Land man lebt.

Genaue Aussagen über den Vitamin-Bedarf des Einzelnen zu treffen, dürfte schwierig sein. Zumindest logisch erscheinen Hinweise, dass Babys, Jugendliche und ältere Menschen, sowie Schwangere und Stillende, im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung einen höheren Vitaminbedarf haben. Spezielle Wachstumsbedingungen, Stoffwechsel- und Ernährungsbesonderheiten könnten dafür sprechen.

Ob dieser potenziell erhöhte Bedarf nicht auch durch die tägliche Nahrung abgedeckt wird, ist umstritten. An einem generellen Vitaminmangel leiden wir Deutschen aber nicht.

Eine hochschwangere Frau fasst sich mit beiden Händen an ihren Bauch

Schwangere haben einen erhöhten Vitaminbedarf

Wie gefährlich ist eine Überdosis?

Viele Experten halten die andauernde oder häufige Einnahme von hochdosierten Nahrungsmittelergänzungsprodukten für sinnlos. Gerade wasserlösliche Vitamine, wie etwa Vitamin C, werden schnell wieder ausgeschieden.

Der Körper nimmt nur so viel auf, wie er braucht. Die einzigen bekannten Nebenwirkungen bei einer Vitamin-C-Überdosierung sind ein höheres Risiko für Nierensteine und Durchfall.

Fettlösliche Vitamine, wie Vitamin A und D, hingegen können im Körper gespeichert und später wieder mobilisiert werden. Diese Vitamine können bei längerer überhöhter Dosierung ernsten Schaden anrichten.

Eine übermäßige Einnahme von Vitamin A über längere Zeit kann zu Lebererkrankungen und, vor allem bei Rauchern, zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko führen. Vitamin-D-Überdosen können die Nieren schädigen und im Extremfall sogar zum Tod führen.

Das sind nur einige Beispiele, die verdeutlichen, dass die Einnahme von hochkonzentrierten Vitaminen keineswegs immer harmlos sein muss. Die angeführten Gesundheitsprobleme stellen sich allerdings erst bei sehr hohen Dosen ein, die über einen längeren Zeitraum eingenommen wurden.

Der "5 am Tag"-Vorschlag

Eins ist auf jeden Fall sicher: Vitamine sind und bleiben ein äußerst wichtiger Ernährungsfaktor. Gut hört sich in dem Zusammenhang eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung an. Sie wirbt für das sogenannte "5 am Tag"-Programm.

Hinter der Formel versteckt sich die Faustregel: Wer fünfmal am Tag Obst und/oder Gemüse isst, kann kaum etwas falsch machen. Obst und Gemüse sind die wichtigsten Vitamin-Lieferanten, aber auch Getreideprodukte, Fleisch, Fisch und pflanzliche Öle sollten auf den Tisch kommen.

Eine ausgewogene Ernährung ist in jedem Fall besser als die tägliche Einnahme von Multivitamin-Präparat-Cocktails. Denn isolierte Vitamine, womöglich auch noch künstlich hergestellt, entfalten nicht die gleiche Wirkung wie Vitamine in natürlichen Lebensmitteln. Diese enthalten zugleich auch Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Mineralien.

Versuche legen nahe, dass es vielfache, größtenteils noch unverstandene Wechselwirkungen zwischen all diesen Nahrungsbestandteilen gibt. In Testversuchen hatten beispielsweise 1,5 Gramm reines Vitamin-C-Pulver keine größere immunstimulierende Wirkung als 100 Gramm eines Apfels.

Eine Frau steht vor der Obst- und Gemüsetheke

Ausgewogenheit ist wichtig

Quelle: SWR | Stand: 10.12.2020, 11:22 Uhr

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