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Exportnation Deutschland

Wie Deutschland zur Exportnation wurde

Deutschland gehört zu den führenden Exportnationen der Welt. Ohne die Hilfe der westlichen Alliierten wäre das nicht möglich gewesen. Und auch die Globalisierung brachte die deutsche Exportindustrie voran.

Von Beate Krol

Die westlichen Alliierten kurbeln den deutschen Außenhandel an

Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen weite Teile Europas in Schutt und Asche, es fehlten Wohnungen, und die Menschen hatten nicht genug zu essen. Um die Verelendung zu stoppen, beschlossen die westlichen Alliierten, den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft zu fördern und den innereuropäischen Handel anzukurbeln. Davon profitierte auch das Land, das den Krieg angezettelt hatte: der zukünftige Exportweltmeister Deutschland.

Das Herzstück des Wiederaufbau-Programms war der US-amerikanische Marshall-Plan, der im April 1948 in Kraft trat. Die Bundesrepublik (anfangs die Regierungen der Westzonen) erhielt mit fast 1413 Millionen US-Dollar gut ein Zehntel der gesamten Fördersumme, wovon ein großer Teil über die Kreditanstalt für Wiederaufbau weiter an die Unternehmen floss.

schwarz-weiß-Aufnahme Plakat "Amerika hilft beim Aufbau Europas".

Der Marshall-Plan ermöglichte den Wiederaufbau Europas

Weil auch die anderen europäischen Staaten Geld aus dem Marshallplan bekamen und die USA die Länder zudem zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit verpflichtet hatten, entwickelte sich schnell ein europäischer Markt, über den auch die Bundesrepublik Waren bezog und lieferte.

Zur Ironie der Geschichte gehört, dass die deutsche Industrie ausgerechnet auf diejenigen Produkte spezialisiert war, die Europa für den Wiederaufbau nach dem von Deutschland angezettelten Krieg dringend brauchte: Fahrzeuge für die Landwirtschaft, Maschinen, Elektronik, Autos und Stahl.

Die "Hannover Messe" beschleunigt den Exporterfolg

Über die Exportmesse in Hannover kamen außerdem Exportgeschäfte mit nicht-europäischen Staaten zustande. Hier leisteten die englischen Alliierten die entscheidende Hilfe: Sie hatten die Messe angeregt und gegen den Widerstand der deutschen Behörden durchgesetzt. Weil es weder Hotels noch ausreichend Lebensmittel gab, richteten sie außerdem für die Aussteller und Messebesucher eine Kaserne her und sorgten für ihre Verpflegung.

schwarz-weiß-Aufnahme Exportmesse Hannover.

Maschinen gehörten schon auf der erste Exportmesse in Hannover 1947 zu Deutschlands Exportschlagern

Die "Hannover Messe" war ein großer Erfolg. Weil die Luftangriffe der Alliierten gegen wirtschaftliche Ziele vor allem Rüstungsunternehmen und der Infrastruktur galten, hatten viele andere Betriebe den Krieg unbeschadet überstanden. Außerdem hatten viele Unternehmen ihre Kapazitäten während des Krieges erweitert.

Bereits zur ersten Messe im August 1947 fanden sich daher 1300 Aussteller in den Messehallen ein. Der Wert der abgeschlossenen Verträge lag bei 3,75 Millionen US-Dollar – wertvolle Devisen, die die Unternehmen für den weiteren Auf- und Ausbau ihrer Produktion nutzten. Auf diese Weise konnte Deutschland seinen Anteil an den Weltwarenexporten innerhalb von nur zehn Jahren von 1,4 Prozent auf acht Prozent steigern.

Die Demontage entpuppt sich als Vorteil

Auch die Demontage in den ersten Nachkriegsjahren stellte sich im Nachhinein als  Vorteil heraus. Sie galt vor allem der deutschen Eisen-, Stahl- und Chemie-Industrie sowie dem Maschinen- und Fahrzeugbau. Weil die Unternehmen die demontierten Industrieanlagen mit Geld aus dem Marshallplan durch moderne Anlagen ersetzten, verbesserten sich die Qualität der deutschen Produkte und die Produktivität der Unternehmen enorm.

Für die Wirtschaft der Siegermächte kehrte sich die vermeintliche Wiedergutmachung hingegen in einen strukturellen Nachteil um. Sie waren mit den veralteten und oft unvollständig demontierten deutschen Anlagen der deutschen Exportindustrie deutlich unterlegen und blieben hinter der prosperierenden deutschen Exportwirtschaft zurück.

Britische Soldaten bewachen die Teil-Demontage der Ruhrchemie AG in Oberhausen.

Britische Soldaten bewachen die Teil-Demontage der Ruhrchemie AG in Oberhausen

Globalisierung und WTO-Gründung

Ab den 1970er-Jahren profitierte Deutschlands Exportindustrie von der Globalisierung und dem Aufstieg der Schwellenländer. Wie die zerstörten Staaten im Nachkriegseuropa brauchten auch die Schwellenländer die traditionellen deutschen Industriegüter, um eine moderne Wirtschaft aufzubauen. Später kamen als Statussymbole deutsche Autos hinzu.

Mit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) bekam die deutsche Exportindustrie weiteren Auftrieb. Viele Zölle wurden abgeschafft, was den Export einfacher und lukrativer machte. Außerdem taten sich mit der Vergrößerung der WTO immer mehr neue Absatzmärkte auf.

Gebäude der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf.

Gebäude der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf

Auch die Wiedervereinigung erhöhte die Exportquote nach einem kurzzeitigen Rückgang weiter, weil die ostdeutschen Bundesländer enge wirtschaftliche Kontakte in den ehemaligen Ostblock mitbrachten. Die EU-Osterweiterung 2004 bescherte den Exportunternehmen unter anderem Absatzmärkte in Polen, Tschechien, Ungarn und den baltischen Staaten. Gleichzeitig konnte die deutsche Exportindustrie billige Vorprodukte aus den neuen EU-Ländern beziehen und so den Preis der deutschen Exportgüter weiter konkurrenzfähig halten.

Quelle: SWR | Stand: 13.08.2019, 14:00 Uhr

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