Grafik "Aufsteigend und Absteigend" von Maurits Cornelis Escher: gezeichnete Menschen laufen treppauf und treppab

Berühmte Künstler

M.C. Escher und sein Spiel mit den Perspektiven

Wasser, das bergauf fließt, endlose Treppen, und Fußböden, die zugleich Wände und Decken sind: optische Täuschungen, Abteilung Knoten im Hirn. Was der niederländische Grafiker M.C. Escher (1898-1972) zum Vergnügen erschuf, fasziniert bis heute Kinder und Erwachsene, Hippies und Wissenschaftler.

Von Martin Herzog

Muster und Landschaften – Alhambra und Amalfi-Küste

Eigentlich sollte er Architekt werden. Sein Vater bestand darauf. Doch nach nur einer Woche brach Maurits Cornelis (kurz M.C.) Escher das Studium an der Uni in Haarlem bei Amsterdam ab. Glücklicherweise hatte Eschers Professor das Talent des 19-Jährigen für Holzschnitte und Illustrationen bemerkt und fragte ihn, ob er nicht lieber Grafiker werden wolle.

"Auf jeden Fall!" schoss es aus ihm heraus, denn an Architektur war Escher überhaupt nicht interessiert. Daraufhin habe sein Vater widerstrebend zugestimmt, erinnerte sich Escher später in einem Interview.

Die fantastischen Bilder von M.C. Escher

Von Martin Herzog

Symmetrien, Muster, optische Täuschungen

Zeichnung: Eine Hand hält eine Kugel, in der sich das Zimmer spiegelt und auch der Künstler, der die Kugel hält

Exaktheit, Detailversessenheit und das Spiel mit Verzerrungen und Perspektive wurden zu M.C. Eschers Markenzeichen. So wie bei diesem Selbstportrait als Spiegelung in einer Metallkugel aus dem Jahr 1935: "Ich könnte ein ganzes zweites Leben damit zubringen, an meinen Drucken zu feilen", sagte Escher.

Exaktheit, Detailversessenheit und das Spiel mit Verzerrungen und Perspektive wurden zu M.C. Eschers Markenzeichen. So wie bei diesem Selbstportrait als Spiegelung in einer Metallkugel aus dem Jahr 1935: "Ich könnte ein ganzes zweites Leben damit zubringen, an meinen Drucken zu feilen", sagte Escher.

Muster, Symmetrie, Unendlichkeit. Der niederländische Grafiker betrachtete seine Werke als kunstvolle Spielereien und war erstaunt, dass Mathematiker von seinen Arbeiten fasziniert waren: "Für mich bleibt es eine offene Frage, ob es zum Reich der Mathematik gehört oder zum Reich der Kunst."

Immer wiederkehrende Motive sind Vögel, Reptilien, Fische: "Ordnung ist Wiederholung von Elementen, Chaos ist Vielfalt ohne Rhythmus", sagte Escher dazu. Die Technik hatte er sich bei maurischen Ornamenten abgeschaut, wie sie auch in der mittelalterlichen Alhambra in Südspanien zu sehen sind. (Fish and Scales, 1959)

Eine Frage der Perspektive: Oben, unten, innen, außen. "Ich kann nicht anders als mit unseren unbestreitbaren Gewissheiten herumspielen", sagte Escher. "Es ist, zum Beispiel, ein Vergnügen, zwei und drei Dimensionen, flach und räumlich, bewusst miteinander zu vermischen, und die Schwerkraft zu verspotten." (Relativity, 1953)

Optische Illusion: Die Frau links scheint viel kleiner als die rechte – aber nur deshalb, weil sie weiter entfernt ist . Die Fußbodenkacheln, Wände und Deckenlinien sind so gezogen, dass der Eindruck unterschiedlicher Größe bei gleicher Entfernung entsteht.

Die Illusion funktioniert nur aus genau einem Blickwinkel. Sobald der sich verschiebt, werden die verzerrten Linien sichtbar, und die Illusion klar – nur ein Kniff, dessen sich Escher bedient.

Lange Warteschlangen vor dem Ueno Royal Museum in Tokio 2018. Auch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod ist die Faszination für M.C. Eschers Werke weltweit ungebrochen.

Wanderausstellungen mit den Werken von M.C. Escher sind immer wieder auch in Deutschland zu sehen. Wer nicht warten will: Im Paleis Lange Voorhout in Den Haag kann man die Dauerausstellung "Escher in het Paleis" ganzjährig besuchen.

"Meine Arbeit ist ein Spiel. Ein sehr ernstes Spiel." Hollywood bedient sich seit Jahrzehnten bei M.C. Eschers Ideen, oft ohne den Urheber dafür zu würdigen. In diesem Fall allerdings doch: Die Macher von "Nachts im Museum" fragten 2015 bei der Escher-Company offiziell an, ob sie die berühmten Treppen aus dem Jahr 1953 für eine verdrehte Verfolgungsjagd im dritten Teil des Films nutzen dürfen. Sie durften.

Escher in echt: Wer einmal das Gefühl haben möchte, selbst in einem Escher-Bild zu stehen, muss sich nach China bemühen. In der Stadt Chongqing eröffnete 2021 eine Buchhandlung, die mit Symmetrien und Spiegelungen über zwei Etagen ein Treppenlabyrinth zaubert.

Nach zwei Jahren verließ Escher die Universität und gondelte von 1921 an durch Europas Süden, meist zu Fuß oder auf dem Rücken eines Esels. Er besuchte die spanische Costa del Sol, ließ sich von der Landschaft Andalusiens inspirieren – und von den mittelalterlichen Bauten, den prächtigen Moscheen und Palästen, die die Mauren hinterlassen hatten, die hier einst herrschten.

Besonders fasziniert war Escher von der Alhambra, der "Roten Burg" hoch oben auf dem Hügel über Granada. Ihre Architektur und die überbordenden arabischen Ornamente sollten sich später in vielen seiner Werken wiederfinden.

Mosaikfliesen in der Alhambra

Die Mosaikfliesen in der Alhambra brachten Escher auf viele Ideen

In Italien führten ihn seine Streifzüge in die Toskana und nach Amalfi südlich von Neapel. Dort erlag er nicht nur dem Charme der mediterranen Landschaft, sondern auch dem einer jungen Schweizerin: Jetta.

1924 heirateten die beiden und lebten danach mehr als zehn Jahre lang in Italien, in Rom. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Landschaftsporträts, die aber noch nichts von den verschachtelten Perspektiven erahnen ließen, die später Eschers Markenzeichen wurden.

Es schienen glückliche Zeiten für Escher und seine Frau. Mit seinen Arbeiten erlangte er bescheidenen Ruhm, vor allem mit Ausstellungen in den Niederlanden und den USA.

Doch die wachsende Begeisterung in Italien für den Faschismus und "il Duce" Benito Mussolini sorgten dafür, dass sich das Paar 1935 entschied, mit ihren beiden Söhnen zunächst in die Schweiz zu ziehen und später zu Eschers Bruder nach Brüssel, wo ihr dritter Sohn geboren wurde.

1941 schließlich, mitten im Zweiten Weltkrieg, kehrte Escher in die Niederlande zurück, das unter deutscher Besatzung stand. Um dort als Künstler arbeiten zu dürfen, hätte er sich eigentlich bei der Niederländischen Kulturkammer registrieren lassen müssen. Weil diese Kulturkammer aber ein reines Zensur-Instrument der NS-Besatzungsbehörden war, weigerte er sich und durfte deshalb nicht an Ausstellungen teilnehmen.

Porträtfoto des Grafikers Maurits Cornelis Escher

Maurits Cornelis Escher (1898-1972)

Nur wenige Werke entstanden in dieser Zeit. Auch fehlte Escher die mediterrane Landschaft als Inspiration. Aus purer Langeweile begann er mit Kachel-Ornamenten zu spielen, wie er sie in der Alhambra gesehen hatte.

"Metamorphosen" nannte Escher solche Kippfiguren, nach dem altgriechischen Wort für "Verwandlung". Dafür verschachtelte er gleichartige Objekte kunstvoll ineinander und ließ sie in seinen Bildern von Positiven zu Negativen wechseln – wie in der Grafik "Himmel und Wasser", in der sich schwarze Schwäne unter der Wasseroberfläche in weiße Fische verwandeln.

Grafik "Sky and Water I" von Maurits Cornelis Escher

Schwarze Schwäne werden zu weißen Fischen

Escher entwarf die Motive zu seiner eigenen Unterhaltung und ohne Hintergedanken: "Ich wollte nie etwas Mystisches darstellen. [...] Ich habe ein Spiel gespielt, mich ausgelebt in Bildgedanken mit keiner anderen Absicht, als die Möglichkeiten des Darstellens selbst zu untersuchen. Alles was ich in meinen Blättern biete, sind Berichte meiner Entdeckungen."

Viele seiner Fans allerdings glauben in Eschers Spielereien tiefere Wahrheiten zu entdecken. So berichtete Escher amüsiert vom Anruf einer Käuferin: "Herr Escher, ich bin verrückt nach Ihren Arbeiten. Ihr Druck 'Reptilien' ist eine solch faszinierende Darstellung von Reinkarnation." Worauf Escher vergnügt antwortete: "Madam, wenn Sie das so sehen, dann ist es so."

Grafik "Reptilien" von Escher

Grafische Spielerei oder Symbol für Wiedergeburt?

Mögliche Bilder, unmögliche Figuren – das Spiel mit Perspektiven

Mitte der 1940er-Jahre begann Escher mit optischen Täuschungen zu experimentieren, mit Figuren, die es so nur auf dem Papier geben kann – weil Oben und Unten, Vorder- und Hintergrund, Innen und Außen nicht eindeutig zuzuordnen sind.

Der Trick besteht darin, dass die dargestellten Objekte auf den ersten Blick ganz normal erscheinen, der Bildaufbau logisch, die Perspektive natürlich. Eschers aufgeräumter, klarer Zeichenstil unterstreicht diesen Eindruck.

Dazu kommt die naturgetreue Umgebung, die Landschaften, in die er seine Motive einbettete – Berge, Palmen, Häuserzeilen, Hinterhöfe – und die Menschen, die er hineinstellte. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich, dass die Darstellung nicht funktionieren kann. Es handelt sich um perspektivische Paradoxa.

Grafik "Relativity" von Escher

Unmögliche Möglichkeiten

Sie lassen sich zwar auf dem zweidimensionalen Papier einfach entwerfen, als dreidimensionale Figuren in der physikalischen Realität aber sind sie unmöglich. Sie gaukeln die Realität nur vor. Letztlich handelt es sich um ein Spiel mit der Art, wie das menschliche Gehirn die visuelle Information der Augen interpretiert. Die Wahrnehmungspsychologie kennt unzählige solcher "Fehler".

Das Prinzip: Das menschliche Gehirn lernt im Lauf des Lebens, wie die Linien auf dem Papier verlaufen müssen, um den Eindruck von Dreidimensionalität zu vermitteln – Abstände, Raumtiefe, Größenverhältnisse. Deshalb versucht es, auch aus Eschers Zeichnungen dreidimensionale Objekte zu konstruieren – und scheitert daran zuverlässig.

Aber genau das macht den Reiz dieses Spiels aus. Escher war keineswegs der erste, der sich dieser Kniffe bedient, aber er trieb es zur Meisterschaft.

Auch seine "unmöglichen Bilder" erschuf Escher zunächst zu seiner eigenen Unterhaltung. Die Gebäude waren oft angelehnt an die maurische Architektur der Mittelmeerländer, die er als junger Mann besucht hatte, genauso wie die Landschaften im Hintergrund.

Zwei Menschen stehen von Eschers Bild "Tag und Nacht"

Eschers Bilder faszinieren bis heute

Die Drucke dieser buchstäblich fantastischen Werke verkauften sich bestens, vor allem in den USA. Und so war es ein Artikel im amerikanischen Time Magazine, der 1954 für ihn den Durchbruch brachte. Ein amerikanischer Mathematikprofessor hatte zuvor am Internationalen Mathematik-Kongress in Amsterdam teilgenommen, wo in einer Begleitausstellung zahlreiche Bilder von Escher zu sehen waren, und schwärmte anschließend einem Redakteur von Time davon vor.

Ein verrücktes Paar – Escher und die Mathematik

Es war kein Zufall, dass sich ausgerechnet Mathematiker begeistert auf Eschers Arbeiten stürzten. Symmetrie, Unendlichkeit, Selbstähnlichkeit – lauter Begriffe aus der Mathematik, mit denen sich Eschers Werke beschreiben lassen: "Wenn man durch die mathematischen Abteilungen der Universitäten schlendert, entdeckt man überall Escher-Bilder", berichtete der englische Mathematikprofessor Ian Stewart in einer BBC-Dokumentation im Jahr 2013. "MC Escher ist die perfekte Verbindung von Mathematik und Kunst. Mathematiker wissen um die Schönheit ihres Fachs. Escher zeigt diese Schönheit."

Doch die Mathematiker sahen in seinen komplexen, sich selbst spiegelnden und wiederholenden Figuren nicht nur hübsche Illustrationen für ihre abstrakten Gedankengebäude. Escher brachte sie auch auf Ideen.

An besagter Mathematik-Konferenz in Amsterdam 1954 nahm auch der junge Mathematiker und Kosmologe Roger Penrose teil. "Ich war völlig gefangen von seinen fantastischen Welten, die ganz ähnlich unseren eigenen sind, aber damit spielen, was möglich sein könnte." Zurück in England entwarf er ein unmögliches Dreieck, das mittlerweile als "Penrose-Dreieck" berühmt ist.

Das so genannte Penrose-Dreieck: drei Balken, die jeweils im rechten Winkel zueinander zu stehen scheinen und dennoch zu einem Dreieck verbunden sind

Das "Penrose-Dreieck" ist inspiriert von Eschers Werken

Umgekehrt inspirierte Penroses Dreieck MC Escher zu den Bildern "Wasserfall" und "Belvedere". Der Künstler selber zeigte sich verblüfft über die Verwandtschaft: "Obwohl ich absolut keine Ausbildung in den exakten Wissenschaften habe, scheine ich oft mehr mit Mathematikern gemeinsam zu haben als mit meinen Künstlerkollegen."

Escher in Kultur und Popkultur

Am 27. März 1972 starb MC Escher nach langer Krankheit im Alter von 73 Jahren in Hilversum. Die Begeisterung für seine Werke aber hat bis heute nicht nachgelassen, im Gegenteil. Bei Wanderausstellungen auf der ganzen Welt bilden sich regelmäßig lange Warteschlangen vor dem Einlass, darunter alte wie junge Menschen aus allen Bildungsschichten und aus allen Lebensbereichen.

Im Jahr 2011 zog die Escher-Ausstellung im brasilianischen Rio de Janeiro 780.000 Besucher in sechs Wochen an. In Madrid war es eine halbe Million. Escher spricht jeden an.

Dabei galt der Grafiker bis in die 1990er-Jahre hinein bei Museumsdirektoren nicht als Künstler. Seine Arbeiten passten in keine der gängigen Epochen- oder Stil-Schubladen. Eschers unmögliche Bilder schienen mehr Jahrmarktsgaukelei als seriöse Kunst.

Die Popkultur entdeckte deutlich schneller, dass Menschen von Eschers Werken wie hypnotisiert waren. Schon zu seinen Lebzeiten kursierten in der Hippieszene quietsch-bunte Psychedelic-Versionen seiner Bilder, die Escher allerdings scheußlich fand.

Mick Jagger von den Rolling Stones fragte an, ob Escher ein Album-Cover für sie gestalten könne – was Escher aber ablehnte. Im David-Bowie-Film "Labyrinth" aus den 1980ern irrt ein Mädchen treppauf, treppab durch ein dreidimensionales Escherbild auf der Suche nach seinem kleinen Bruder.

Szenenfoto aus dem Film "Labyrinth" mit David Bowie

Auch David Bowie war offenbar Escher-Fan

"Ja, David Bowie. Das war geklaut, hat nicht gefragt", ärgert sich Mark Veldhuysen, der offizielle Verwalter von Eschers künstlerischem Erbe. Als Chef der Escher-Company vergibt er die Rechte für Bilder, Reproduktionen und Kunstbände, für Puzzlespiele, Aufdrucke auf Kaffeebechern, Krawatten.

Veldhuysen ist sehr strikt bei der Vergabe von Verwertungsrechten. Escher soll "nicht zur zweiten Micky Maus werden, die an jeder Straßenecke zu sehen ist". Ein Angebot von Hollands größtem Bier-Brauer habe er ausgeschlagen. Auf Werbeplakaten sollte Eschers berühmte Wassermühle von sprudelndem Bier angetrieben werden, und auf der kleinen Terrasse Sonnenschirme, Stühle und Tische stehen mit dem Brauerei-Logo darauf. "Sie haben eine halbe Million geboten, aber ich hab trotzdem Nein gesagt."

Fehlende Rechte hindern aber die wenigsten daran, sich bei Escher zu bedienen. Nicht die T-Shirt-Hersteller in Hongkong, die mit seinen Kachelmotiven Geld verdienen, nicht die Spiele-App-Entwickler, die Eschers unmögliche Treppen und Wasserfälle als Vorlage für ihre Games benutzen, offenbar nicht einmal Hollywood-Regisseur Steven Spielberg, dessen Alien-Schöpfung E.T. verdächtig nach einer Figur in einer von Eschers Mosaik­figuren aussieht.

"Er wird das niemals zugeben, weil er Angst hat, dass ich ihn verklage", ist sich Veldhuysen sicher. "Aber er hat's stibitzt."

MC Escher, niederl. Grafiker (Todestag 27.03.1972)

WDR ZeitZeichen 27.03.2017 15:00 Min. Verfügbar bis 24.03.2097 WDR 5


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(Erstveröffentlichung 02.03.2022)

Quelle: WDR

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