Neue Konzepte für Friedhöfe

Planet Wissen 13.03.2023 04:14 Min. Verfügbar bis 12.03.2028 WDR

Tod und Trauer

Bestattungskultur

Zu Erde, zu Wasser oder mit Hilfe von Feuer: Es gibt kaum eine Bestattungsform, die nicht schon einmal irgendwo und irgendwann praktiziert wurde. Jede Gesellschaft muss ihre eigene Antwort auf die Frage finden: Wohin mit den Toten?

Von Jürgen Dreyer

Bestattung in der Erde

Die ältesten bisher gefundenen Gräber werden auf etwa 50.000 vor Christus datiert. Zu den ältesten Beerdigungsformen zählt das so genannte Hockergrab: Darin liegt der Leichnam wie ein Embryo mit angezogenen Beinen und gekrümmten Rücken auf der Seite in einem Steingrab.

Soll es so aussehen, als ob der Tote schläft? Drückt seine Haltung die Erwartung einer Wiedergeburt aus? Wurden die Leichen zusammengeschnürt, weil man Angst vor den Toten hatte? Oder wollte man nur Platz sparend möglichst viele Leichen in einem Grab unterbringen? Es bleibt Spekulation.

Sicher ist nur, dass Begräbnisse schon in frühen Kulturen eine wichtige Rolle spielten. Das belegen eindrücklich die Hünengräber – bis zu 12 Meter lange Kammern, die aus großen Gesteinsblöcken zusammengefügt und mit Erde bedeckt wurden. Sie boten Platz für bis zu hundert Tote. Ihre Herstellung muss ein ungeheurer Arbeits- und Zeitaufwand gewesen sein. In späteren Zeiten meinte man, dass nur "Hünen", also Riesen, diese Grabstätten gebaut haben könnten. Daher der Name "Hünengräber".

Die Steinsärge im antiken Griechenland hießen übrigens "sarkophagos", was übersetzt "Fleischfresser" heißt, weil sie aus einem Kalkstein waren, der die Verwesung förderte. Aus "sarkophagos" wurde im Deutschen "Sarkophag" und dann "Sarg".

Bestattungsarten

In allen Religionen gilt die Bestattung der Toten als Übergangsprozess: Der Körper wird mit Hilfe der vier Grundelemente Erde, Feuer, Wasser und Luft der Natur zurückgegeben.

Erdbestattung mit Sarg

Schon vor rund 80.000 Jahren wurden im heutigen Kenia Tote im Boden vergraben. Auch die Neandertaler bestatteten vor 40.000 Jahren ihre Verstorbenen in der Erde. Die drei großen Religionen, die an nur einen Gott glauben – Judentum, Christentum und Islam –, praktizieren ebenfalls vorrangig die Erdbestattung, damit der Körper bei der erhofften Auferstehung vollständig ist.

Schon vor rund 80.000 Jahren wurden im heutigen Kenia Tote im Boden vergraben. Auch die Neandertaler bestatteten vor 40.000 Jahren ihre Verstorbenen in der Erde. Die drei großen Religionen, die an nur einen Gott glauben – Judentum, Christentum und Islam –, praktizieren ebenfalls vorrangig die Erdbestattung, damit der Körper bei der erhofften Auferstehung vollständig ist.

Wenn der Platz für Gräber knapp wurde, bestattete man früher die sterblichen Überreste erst einmal und nach einer Verwesungszeit wurden die Knochen dann in einem so genannten Beinhaus (Ossarium) gelagert. Wo es unterirische Höhlen und Gewölbe (Katakomben) gab, wurden diese oft zur Lagerung der Knochen genutzt. Kleinere Beinhäuser waren häufig an Kapellen angeschlossen, so dass Lebende und Tote in Verbindung blieben.

Er sieht aus wie ein großes Hotel: ein Hochhaus-Friedhof. In Metropolen in Brasilien, Japan und Israel, in denen Bestattungsplätze rar und teuer sind, hat man sich zu Hochhausruhestätten entschlossen, in denen die Verstorbenen in Fächern beigesetzt werden. Das bisher größte Friedhofshochhaus in Santos hat 14 Stockwerke mit rund 16.000 Grabstellen. Auch Weltfußballer Pelé hat hier seine letzte Ruhe gefunden.

Die Ägypter behandelten ihre Toten mit Natronsalz und Balsam, um die Körper zu haltbaren Mumien zu machen. Die Pharaonen ließen sich außerdem als letzte Ruhestätte gewaltige Häuser für die Ewigkeit erbauen: die Pyramiden, die heute zu den berühmtesten Grabmalen der Weltgeschichte zählen. Im Innersten, der Grabkammer, wurden die mumifizierten Körper in einem großen, prunkvollen Sarg - dem sogenannten Sarkophag - beigesetzt. Die Ägypter glaubten, dass die Verstorbenen dadurch unversehrt im Jenseits weiterleben konnten.

Seit dem 16. Jahrhundert legten die Bewohner der italienischen Stadt Palermo ihre Toten in den Kapuzinerkatakomben zur letzten Ruhe. Das dort herrschende Raumklima verhinderte den Verwesungsprozess, so dass die Toten auf natürliche Weise mumifiziert wurden und so bis heute erhalten sind. Ähnlich vollzieht sich die natürliche Konservierung von Leichen im Moor.

Das Verbrennen der Verstorbenen war in der Antike die vorherrschende Bestattungsart. Karl der Große verbot die Feuerbestattung in seinem Reich, weil er sie als unchristlich einstufte. Im 19. Jahrhundert kam die Kremation als hygienisch besonders sichere Methode wieder ins Gespräch – gegen den Willen der Kirchen. 1963 dann wurde auf dem 2. Vatikanischen Konzil die Feuerbestattung für Katholiken erlaubt. Heute werden in Deutschland rund 75% aller Verstorbenen kremiert.

In hinduistisch oder buddhistisch-schintoistisch geprägten Regionen ist die Feuerbestattung die häufigste Art der Bestattung. Die Verbrennungen sind öffentlich, die Asche wird in einen Fluss – vorzugsweise den heiligen Ganges – oder über das Land verstreut. Hier verbinden sich die Elemente Feuer und Wasser oder Feuer und Luft.

Seit 1934 ist die Seebestattung in Deutschland die einzig zulässige Form der Beisetzung außerhalb eines Friedhofs. Dabei muss der Körper erst verbrannt (kremiert) werden, dann wird die Urne mit der Asche im Meer versenkt. Bei der klassischen Seebestattung, auch Seemannsgrab genannt, wurden auf hoher See Verstorbene direkt im Wasser versenkt. Grund dafür war die Hygiene: Ein Leichnam an Bord war eine Gesundheitsgefahr für die Lebenden.

Schon in der Antike wurde die Asche der Verstorbenen nach der (Verbrennung) Kremation meist in Urnen aufbewahrt. In Deutschland werden die Urnen heutzutage häufig in Familien- oder kleinen Urnengräbern in der Erde bestattet. Im Süden Europas gibt es dagegen eine lange Tradition der so genannten Kolumbarien: Diese Mauern erinnern an Taubenhäuser und besitzen kleine Nischen, in denen die Urnen verwahrt werden. Solche Bauwerke für Urnen (und Särge) etablierten sich in Deutschland mit der Einführung der Feuerbestattung ab ca. 1880.

Immer beliebter wird in Deutschland die Beisetzung der Asche in Bestattungs- oder Friedwäldern. Das sind kleine Waldgebiete, die denen die Urne unter einem Baum begraben wird. In anderen Ländern wie der Schweiz darf die Asche direkt um den Baumstamm verstreut werden. Oft sind die Friedwaldbestattungen anonym, manchmal erinnert eine Plakette am Baum an die Verstorbenen.

In felsigen oder eisigen Gegenden, in denen Holz knapp ist – zum Beispiel in Tibet oder der Mongolei – werden Luft- oder Himmelsbestattungen durchgeführt. Dabei werden die Körper der Verstorbenen an besonderen Bestattungsorten abgelegt. In Tibet zerteilen die Bestatter (Ragyapas) die Körper und bereiten sie als Futter für die angelockten Geier vor.

In einigen Regionen im Iran, in Indien und Pakistan werden die Verstorbenen zur Himmelsbestattung in nach oben offenen Türmen, den "Türmen der Stille" oder "Türmen des Schweigens", abgelegt, damit die Geier sie fressen können. Nach Vorstellung der Gläubigen tragen die Geier die Seele des Toten ins Bardo, einem Übergangsort zwischen Tod und Wiedergeburt.

Als "Reerdigung" bezeichnet man die Kompostierung von Verstorbenen: In den USA ist dies seit 2021 eine anerkannte Bestattungsart und seit 2022 kann man sich auch in Schleswig-Holstein reerdigen lassen. Der Körper wird dabei in einem Komposter auf Pflanzen gebettet, um sich dort bei etwa 70 Grad und feuchtem Raumklima innerhalb eines Monats völlig zu zersetzen. Der dabei entstehende Humus wird wieder der Erde zugeführt.

Bestattung in der Luft

Neben der Beerdigung gab es wahrscheinlich schon immer andere Bestattungsformen. Aus dem Osten Irans ist aus vorchristlicher Zeit die Luftbestattung bekannt: Die Toten wurden auf Türmen den Vögeln zum Fraß überlassen. Damit sollte weder die heilige Erde noch das heilige Feuer durch die Leichen verunreinigt werden.

Ein nordamerikanischer Indianerstamm, die Seminolen aus Florida, bestattete einst seine Toten in hohlen Bäumen. Andere Nomaden-Stämme ließen manchmal ihre Sterbenden zurück oder die Alten verließen selbst ihren Stamm, um an bestimmten Plätzen wie etwa auf Bergen ihre letzte Ruhestätte zu finden.

Bestattung im Wasser

In Tibet wurden bestimmte Tote in den Fluss geworfen, zum Beispiel schwangere Frauen oder Leprakranke. Wikinger ließen manche ihrer Verstorbenen auf kleinen Booten auf das Meer hinaustreiben, was auf eine Mischung von Luft- und Wasserbestattung hinausläuft.

Eine moderne Variante ist die auch in Deutschland praktizierte Seebestattung in einer wasserlöslichen Urne.

Wellen brechen im Meer

Eine moderne Variante ist die Seebestattung

Bestattung im Feuer

Feuerbestattungen gab und gibt es in vielen Kulturen, nicht nur in Indien, wo dies bis heute die übliche Bestattungsform ist. Um 1500 vor Christus setzten sich in der Bronzezeit bei den Germanen die Leichenverbrennungen durch. Die Toten wurden auf Scheiterhaufen gelegt, Knochen und Asche sammelte man zusammen mit einigen kleinen Grabbeilagen wie Schmuck in einfachen Urnen aus Ton.

Bei einer hinduistischen Bestattung in Indien zündet der älteste Sohn das Feuer an. Die Seele des Toten ("Atman": Hauch, Selbst) wird dem Glauben nach durch die Verbrennung aus dem Körper befreit.

Nahaufnahme der Glut eines Lagerfeuer.

Feuerbestattung – in Indien bis heute üblich

Bestattungskultur heute

Ein jüdischer Friedhof ist ein "bet olam", also ein Zuhause für die Ewigkeit. Deshalb sollen die Gräber nicht neu belegt werden, um die Totenruhe nicht zu stören. Bei Platzmangel wird manchmal über den Toten eine Schichte Erde gelegt und ein weiterer Leichnam darüber bestattet. Das zeigt sich zum Beispiel auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Prag, wo auf engstem Raum über die Jahrhunderte vermutlich mehr als 100.000 Menschen beerdigt wurden.

Die meisten Juden und Moslems halten Erdgräber für den angemessenen Platz für ihre Toten und sind gegen Feuerbestattungen. Bei muslimischen Begräbnissen wird der Leichnam nicht in einen Sarg gelegt, sondern in ein weißes Leinentuch gehüllt. Dieses besteht aus dem gleichen Stoff wie die Kleidung von Pilgern während der Wallfahrt. Durch das Tuch sind nur noch die Umrisse des Toten erkennbar – ein Symbol dafür, dass im Tode vor Allah alle Menschen gleich sind. Auch im Islam sollen die Gräber nach einigen Jahrzehnten nicht neu belegt werden, sondern eine ewige Ruhe garantieren.

Die christlichen Kirchen haben mittlerweile die Einäscherung akzeptiert, die katholische Kirche allerdings offiziell erst 1963. Durch die Aufklärung im 19. Jahrhundert kam diese alte Bestattungsform wieder in Mode. Allerdings nicht, weil man an eine aus der Asche aufsteigende Seele glaubte, sondern aus praktischen Gründen: Eine Leichenverbrennung im Krematorium ist hygienisch und kostensparend.

Der Preis für einen kleineren Urnen-Grabplatz (im Gegensatz zur Erdbestattung) ist bis heute für viele ein wichtiger Grund, sich für eine Feuerbestattung zu entscheiden. Einige wählen anonyme Bestattungen, um Angehörigen die Grabpflege ganz zu ersparen.

Mit dem Golem von Berlin nach Prag

Ein jüdisches Grab darf nicht verändert werden

Das Ende von Friedhofs- und Sargzwang?

In Deutschland gab es lange Zeit den Friedhofszwang, anders als zum Beispiel in Italien oder den Niederlanden: Jede Bestattung, ob Sarg oder Urne, musste auf einem kirchlichen oder öffentlichen Friedhof stattfinden. Einzige Ausnahmen: Die Seebestattung von Urnen und das Urnenbegräbnis unter einem Baum im so genannten Friedwald.

In weiten Teilen Deutschlands gilt der Friedhofszwang bis heute. In Bremen dagegen darf seit 2015 die Asche von Verstorbenen auf Privatgrundstücken verstreut werden.

Auch in Nordrhein-Westfalen hatte die damalige Landesregierung geplant, im neuen Bestattungsgesetz von 2003 den Friedhofszwang für Aschenbeisetzungen aufzuheben. Damit hätten Angehörige die Asche eines Verstorbenen im eigenen Haus aufbewahren können. Nach heftigen Protesten der Kirchen wurde der Änderungsvorschlag jedoch fallen gelassen.

Tatsächlich aufgehoben wurde hingegen der Sargzwang. Das kommt vor allem Muslimen zugute, die nun auch in Deutschland ihre Angehörigen in Leinentüchern beisetzen können, wie es dem Glauben entspricht.

Allerdings liegt die Zulassung solcher sargloser Bestattungen im Verantwortungsbereich der Friedhofsträger, also der Gemeinden und Kirchen. Diese entscheiden individuell, ob sie an alten Traditionen festhalten oder die durch das Bestattungsgesetz geschaffenen neuen Möglichkeiten nutzen wollen.

Ein weißer Mamorgrabstein mit schwarzer Inschrift.

Muslimischer Grabstein

(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 21.06.2019)

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Quelle: WDR

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